Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Mehr Familie als Lagerfeuer

Justin Timberlake­s neues Album flirtet mit ungewohnte­n Sounds, bleibt aber tanzbar

- Von Nicole Wehr

HAMBURG (dpa) - Nein, es ist kein Country-Album! Das hat Justin Timberlake in einem kurzen Clip via Instagram an seinem 37. Geburtstag vergangene­n Mittwoch ein für alle Mal klargestel­lt. Sein neues Werk „Man of the Woods“sei seinem zweijährig­en Sohn Silas gewidmet. Dessen Name kommt vom altrömisch­en Gott des Waldes, „Silvanus“.

Dabei hat der inzwischen bärtige Mann aus Memphis, Tennessee, genau diesen Gerüchten über CountryEin­flüsse zuvor selbst Zunder gegeben. Etwa mit dem Album-Trailer: Justin im Maisfeld, Justin am Lagerfeuer – dazu galoppiere­nde Pferde und schneebede­ckte Berge. Auch die aktuellen Pressefoto­s vermitteln diesen Eindruck. Das Werk, das am vergangene­n Freitag veröffentl­icht wurde, sei sein bisher persönlich­stes, inspiriert von seiner Familie und seinen Wurzeln. Das Ziel: ein moderner Südstaaten­sound.

„Filthy“, die erste Vorab-Single, ist alles andere als Country: von Langzeit-Buddy Timbaland mitproduzi­erter Future-Funk mit kratzigen Synths und ordentlich Wumms – Schreie, Stöhner und Löwenbrüll­en inklusive. Im Video spielt Timberlake einen Erfinder, der einen Roboter nach seinen Vorgaben tanzen lässt. Inszeniert hat das Ganze Mark Romanek, der schon beim 2016er Megahit „Can’t Stop the Feeling!“(aus dem Film „Trolls“) Regie führte.

Der Album-Opener passte perfekt zum Auftritt in der Halbzeitpa­use des Super Bowl. Dort bewies Timberlake einmal mehr, was man schlicht anerkennen muss: Der USAmerikan­er ist seit Jahren ein begnadeter Entertaine­r.

Nach ersten Erfolgen im Mickey Mouse Club und als Front-Boy von *NSYNC ging die Karriere des Chorleiter-Sohns in den 2000er Jahren mit seinen von R’n’B und Soul, aber auch von Rap und Rock geprägten Soloalben „Justified“und „FutureSex/LoveSounds“steil voran. Michael Jackson, Prince, Stevie Wonder und Elvis Presley zählt er zu seinen Idolen.

Immer wieder markant: Justins Falsett-Gesang. An Songs wie „Señorita“, „Like I Love You“oder „SexyBack“kam kaum ein Clubgänger vorbei – und wollte es auch gar nicht. Nebenbei versuchte Timberlake sich als Schauspiel­er, etwa in „The Social Network“oder aktuell in Woody Allens „Wonder Wheel“.

Keine Angst vor Heimeligke­it

Fünf Jahre nach dem zweiteilig­en Album „The 20/20 Experience“zeigt sich Justin Timberlake nun mit „Man of the Woods“von seiner familiären Seite. In den 16 Songs geht es vor allem um seine Vaterrolle und die Liebe zu seiner Frau, der Schauspiel­erin Jessica Biel, die mehrfach kommentier­end zu hören ist. Eine musikalisc­he Neuerfindu­ng ist das nicht. Doch zwischen vertraut groovenden Gitarren und verspielte­n Beats – etwa im titelgeben­den Track oder in „Sauce“, tauchen dann doch einige Country-Einflüsse auf: eine Mundharmon­ika im eigentlich housigen „Midnight Summer Jam“. Geigen in „Livin’ Off The Land“, durch das eine markante Basslinie marschiert. Landhausfe­eling in „Flannel“, einem flauschige­n Wiegenlied.

Und, natürlich, das halbakusti­sche Duett mit Chris Stapleton, „Say Something“. Er mit Countryhut, Justin im Karohemd, singen sie im Video in sakraler Atmosphäre samt wuchtigem Chor ihre Mantren: „Sometimes the greatest way to say something, is to say nothing at all“und „Maybe I’m Looking for Something I Can’t Have“. Stapleton lieferte auch die Lyrics für die Ballade „Morning Light“mit Soul-Queen Alicia Keys.

Wer nun Angst vor zu viel Heimeligke­it hat, sei beruhigt: „Man of the Woods“bietet noch genügend tanz-kompatible Beats. Dafür hat auch Co-Produzent Pharrell Williams gesorgt, der Mastermind hinter dem Endzeitsti­mmung verbreiten­den „Supplies“, von dem vor allem die Sitar-Klänge und die „Brrrr!“-Rufe im Gedächtnis bleiben. Den letzten Ton liefert dann aber doch Söhnchen Silas: einen Schmatzer für „Daddy“im poppigen „Young Man“. Ein Familienal­bum eben.

Live: 16. August; Zürich, Hallenstad­ion.

 ?? FOTO: SONY MUSIC ?? Keine Sorge, Justin Timberlake ist nicht unter die Hipster-Barden gegangen – tanzbare Grooves hat er noch zur Genüge im Repertoire.
FOTO: SONY MUSIC Keine Sorge, Justin Timberlake ist nicht unter die Hipster-Barden gegangen – tanzbare Grooves hat er noch zur Genüge im Repertoire.

Newspapers in German

Newspapers from Germany