Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Mehr Familie als Lagerfeuer
Justin Timberlakes neues Album flirtet mit ungewohnten Sounds, bleibt aber tanzbar
HAMBURG (dpa) - Nein, es ist kein Country-Album! Das hat Justin Timberlake in einem kurzen Clip via Instagram an seinem 37. Geburtstag vergangenen Mittwoch ein für alle Mal klargestellt. Sein neues Werk „Man of the Woods“sei seinem zweijährigen Sohn Silas gewidmet. Dessen Name kommt vom altrömischen Gott des Waldes, „Silvanus“.
Dabei hat der inzwischen bärtige Mann aus Memphis, Tennessee, genau diesen Gerüchten über CountryEinflüsse zuvor selbst Zunder gegeben. Etwa mit dem Album-Trailer: Justin im Maisfeld, Justin am Lagerfeuer – dazu galoppierende Pferde und schneebedeckte Berge. Auch die aktuellen Pressefotos vermitteln diesen Eindruck. Das Werk, das am vergangenen Freitag veröffentlicht wurde, sei sein bisher persönlichstes, inspiriert von seiner Familie und seinen Wurzeln. Das Ziel: ein moderner Südstaatensound.
„Filthy“, die erste Vorab-Single, ist alles andere als Country: von Langzeit-Buddy Timbaland mitproduzierter Future-Funk mit kratzigen Synths und ordentlich Wumms – Schreie, Stöhner und Löwenbrüllen inklusive. Im Video spielt Timberlake einen Erfinder, der einen Roboter nach seinen Vorgaben tanzen lässt. Inszeniert hat das Ganze Mark Romanek, der schon beim 2016er Megahit „Can’t Stop the Feeling!“(aus dem Film „Trolls“) Regie führte.
Der Album-Opener passte perfekt zum Auftritt in der Halbzeitpause des Super Bowl. Dort bewies Timberlake einmal mehr, was man schlicht anerkennen muss: Der USAmerikaner ist seit Jahren ein begnadeter Entertainer.
Nach ersten Erfolgen im Mickey Mouse Club und als Front-Boy von *NSYNC ging die Karriere des Chorleiter-Sohns in den 2000er Jahren mit seinen von R’n’B und Soul, aber auch von Rap und Rock geprägten Soloalben „Justified“und „FutureSex/LoveSounds“steil voran. Michael Jackson, Prince, Stevie Wonder und Elvis Presley zählt er zu seinen Idolen.
Immer wieder markant: Justins Falsett-Gesang. An Songs wie „Señorita“, „Like I Love You“oder „SexyBack“kam kaum ein Clubgänger vorbei – und wollte es auch gar nicht. Nebenbei versuchte Timberlake sich als Schauspieler, etwa in „The Social Network“oder aktuell in Woody Allens „Wonder Wheel“.
Keine Angst vor Heimeligkeit
Fünf Jahre nach dem zweiteiligen Album „The 20/20 Experience“zeigt sich Justin Timberlake nun mit „Man of the Woods“von seiner familiären Seite. In den 16 Songs geht es vor allem um seine Vaterrolle und die Liebe zu seiner Frau, der Schauspielerin Jessica Biel, die mehrfach kommentierend zu hören ist. Eine musikalische Neuerfindung ist das nicht. Doch zwischen vertraut groovenden Gitarren und verspielten Beats – etwa im titelgebenden Track oder in „Sauce“, tauchen dann doch einige Country-Einflüsse auf: eine Mundharmonika im eigentlich housigen „Midnight Summer Jam“. Geigen in „Livin’ Off The Land“, durch das eine markante Basslinie marschiert. Landhausfeeling in „Flannel“, einem flauschigen Wiegenlied.
Und, natürlich, das halbakustische Duett mit Chris Stapleton, „Say Something“. Er mit Countryhut, Justin im Karohemd, singen sie im Video in sakraler Atmosphäre samt wuchtigem Chor ihre Mantren: „Sometimes the greatest way to say something, is to say nothing at all“und „Maybe I’m Looking for Something I Can’t Have“. Stapleton lieferte auch die Lyrics für die Ballade „Morning Light“mit Soul-Queen Alicia Keys.
Wer nun Angst vor zu viel Heimeligkeit hat, sei beruhigt: „Man of the Woods“bietet noch genügend tanz-kompatible Beats. Dafür hat auch Co-Produzent Pharrell Williams gesorgt, der Mastermind hinter dem Endzeitstimmung verbreitenden „Supplies“, von dem vor allem die Sitar-Klänge und die „Brrrr!“-Rufe im Gedächtnis bleiben. Den letzten Ton liefert dann aber doch Söhnchen Silas: einen Schmatzer für „Daddy“im poppigen „Young Man“. Ein Familienalbum eben.
Live: 16. August; Zürich, Hallenstadion.