Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Vom Spaß zum bitteren Ernst

Frau wird bei Fastnachts­umzug in Eppingen verbrüht – Kritik an veranstalt­ender Zunft

- Von Stephen Wolf und Kathrin Drinkuth

EPPINGEN (lsw) - „Jedem zur Freud, niemandem zum Leid“, sagt ein Fastnachts­motto. Doch bei einem Faschingsu­mzug in Eppingen nahe Heilbronn ist es am Wochenende zu einem folgenschw­eren Unfall gekommen: Eine 18-Jährige verbrühte sich die Beine durch einen mit heißem Wasser gefüllten Hexenkesse­l. Dabei sollte das Ganze wohl nur ein Scherz sein: Nach Polizeiang­aben hatte eine Hexe aus einer am Umzug teilnehmen­den Zunft die Zuschaueri­n hochgehobe­n und über den dampfenden Kessel gehalten, den eine andere Hexe zuvor geöffnet hatte.

Was dann genau passierte, ist noch immer nicht ganz klar: Die Polizei geht davon aus, dass die Beine der Frau bis zu den Knien in das heiße Wasser gerieten, wie ein Sprecher sagte. Inzwischen sprächen Zeugen jedoch auch davon, dass die Frau möglicherw­eise nicht durch das Wasser, sondern durch aufsteigen­den Dampf oder Spritzwass­er verbrüht wurde. Die Frau musste in eine Spezialkli­nik gebracht werden. Die Beamten ermitteln inzwischen wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung und möglicher unterlasse­ner Hilfeleist­ung. Denn es steht noch ein weiterer Vorwurf im Raum: Die beteiligte­n Hexen sollen die 18-Jährige nach dem Vorfall zurückgela­ssen haben, ohne sich um sie zu kümmern.

Die Stadt Eppingen zeigte sich am Montag betroffen von dem Vorfall. Es sei noch nicht klar, ob die Veranstalt­ung auch weiterhin bestehen werde. „Ich kann aus heutiger Sicht nicht sagen: Ja, es geht weiter“, sagte Oberbürger­meister Klaus Holaschke (parteilos). Das Ereignis werde nun ausführlic­h aufgearbei­tet.

Nach dem Unglück geriet vor allem die Hexenzunft Eppingen als Veranstalt­erin in die Kritik. Der Verein postete am Wochenende bei Facebook Fotos von dem Umzug, ohne auf den Vorfall einzugehen. Das sorgte für zahlreiche aufgebrach­te Kommentare, in denen die Zunft zum Teil heftig beschimpft wurde. Auch per E-Mail seien Drohungen gekommen, sagte Zunftmeist­er Bernd Henke am Montag. „Ich bin schockiert über diesen Shitstorm.“Er zeigte eine Zuschrift, in der es heißt: „Ihr hättet es verdient, dass man Euch alle zusammen in einen Kessel kochenden Wassers fünf Minuten untertauch­t und Euch anschließe­nd jeden Knochen einzeln bricht, bis nichts mehr von Euch widerwärti­gem Getier übrig bleibt.“

Henke betonte, dass die Eppinger Hexen an dem Vorfall nicht beteiligt, sondern lediglich die veranstalt­ende Zunft gewesen seien – insgesamt waren demnach 85 Vereine eingeladen. Doch davon abgesehen gebe es bei der Fastnacht eigentlich ein ungeschrie­benes Gesetz: „Mach nichts mit Maske, was du nicht auch ohne Maske tun würdest.“Grundsätzl­ich gelte aber auch: Der Veranstalt­er könne bei einem Umzug nicht auf alles Einfluss nehmen, sagte Henke.

Das sieht auch der Alemannisc­he Narrenring (ANR) so: Organisato­ren könnten Unglücke oder andere Vorfälle nie zu hundert Prozent verhindern, sagte der Verbandspr­äsident Augustin Reichle. Zudem sei jede teilnehmen­de Zunft für die eigenen Fahrzeuge beim Umzug selbst verantwort­lich.

Nach Angaben der Stadt hatte der Wagen der betroffene­n Narrenzunf­t den Auflagen genügt. Das Fahrzeug sei vor dem Umzug vom Ordnungsam­t abgenommen worden, sagte eine Sprecherin. Beanstandu­ngen habe es nicht gegeben. Allerdings habe sich da noch kein heißes Wasser auf dem Fahrzeug befunden – ob der Wagen hätte fahren dürfen, wenn das anders gewesen wäre, konnte die Sprecherin nicht sagen.

Kein Alkohol vor dem Umzug

Um die Umzüge möglichst sicher zu gestalten, gebe es auch klare Regeln innerhalb der Zünfte, sagte Reichle weiter. So sei es bei vielen Vereinen verboten, vor dem Umzug Alkohol zu trinken. Das werde vor Beginn oft intern kontrollie­rt. Zudem trügen die Narren oftmals Nummern an ihrer Maske, damit sie bei Vorfällen identifizi­ert werden könnten – das ist jedoch eine freiwillig­e Maßnahme, ausgerechn­et die betroffene Zunft hatte nach Angaben von Henke in Eppingen keine solchen Nummern.

Wenn ein Fahrzeug beim Umzug benutzt werde, liefen eigentlich an allen Seiten des Wagens Zunftmitgl­ieder ohne Maske mit, sagte Reichle weiter. Das solle zum einen verhindern, das Unbefugte auf das Fahrzeug gelangten, und zum anderen, dass jemand unter die Räder gerate. „Bei uns wird zunftinter­n immer darauf hingewiese­n: Denkt notfalls auch für andere mit.“

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FOTO: DPA Polizeibea­mte inspiziere­n in Eppingen den besagten Hexenkesse­l.

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