Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Man sollte Heynckes Aussagen respektier­en“

Ex-Nationalsp­ieler Stefan Effenberg über Pokalsensa­tionen, Bayern-Dominanz und eigene Trainer-Ambitionen

-

Auch wenn es mit dem SC Paderborn derzeit wieder aufwärts geht, glauben nur die kühnsten Optimisten an eine Sensation des Drittligis­ten im Pokal-Viertelfin­ale (18.30 Uhr/Sky) gegen den FC Bayern München. Einer, der die Sicht auf beide Vereine hat, ist Stefan Effenberg, als Bayernkapi­tän Champions-League-Sieger 2001 und ab Oktober 2015 ein paar Monate Trainer in Paderborn. Patrick Strasser hat mit ihm gesprochen.

Herr Effenberg, die Bayern cruisen ganz locker durch die Bundesliga, eilen von Erfolg zu Erfolg. Das DFB-Pokal-Viertelfin­ale beim SC Paderborn wird langweilig, oder?

Wenn die Bayern es seriös angehen, und das machen sie, dann marschiere­n sie ganz souverän bis ins Pokalfinal­e nach Berlin – keine Frage.

Sie haben ab Oktober 2015 Paderborn trainiert, wurden im März 2016 entlassen. Wie oft denken Sie an diese Zeit, ihre erste und einzige Erfahrung als Trainer, zurück?

Ach, das ist Vergangenh­eit und abgehakt. Ich bin da überhaupt nicht nachtragen­d. Im Gegenteil: Es freut mich, dass Paderborn die Dritte Liga dominiert. Sie werden aufsteigen. Daran sieht man mal, wie schnell sich die Dinge im Fußball drehen können. Paderborn war ja am Boden, es gab viele Fragezeich­en, wie es überhaupt weitergeht.

Nach der Saison 2014/15 folgten drei Abstiege in Folge. Eigentlich.

Sie hatten Glück mit dem Zwangsabst­ieg des TSV 1860, blieben in der Dritten Liga. Aber Paderborn hat sich sportlich wieder gut aufgestell­t, Trainer Steffen Baumgart und Sportdirek­tor Markus Krösche bilden ein gutes Team. Sie stehen auch völlig zurecht im Pokal-Viertelfin­ale.

Gegen Bayern wird Endstation sein. Die Dominanz der Münchner ist aktuell erdrückend. Spannung war einmal im Titelrenne­n ...

Es sieht danach aus. Dass die Bayern einen so extremen Vorsprung haben, Stefan Effenberg (li.) ist sicher, dass Jupp Heynckes souverän mit seiner derzeitige­n Situation umgeht.

ist nicht schön für die Fans. Seit nun sechs Jahren wird Bayern ohne Probleme Meister. Drei Titel hintereina­nder, in den 1970ern, 1980ern und zu meiner Zeit – das war schon eine Hausnummer. Aber sechs?! Als die Bayern unter Ancelotti im Herbst schwächelt­en, lagen sie fünf Punkte hinter Dortmund, sind jetzt 18 vorne. Anfang Februar! Das ist kein gutes Zeichen für die Liga. Viele ambitionie­rte Vereine gehen in eine neue Saison und sagen: ,Herzlichen Glückwunsc­h, FC Bayern!’

Kann Jupp Heynckes die Bayern wie 2013 zum Triple coachen?

Natürlich kann er das. Vom Leistungsp­otenzial gehört Bayern in der Champions League zu den Mitfavorit­en.

Sind nicht Manchester City, Real, Barca oder Paris dieses Jahr stärker einzuschät­zen?

Aber auch die haben Respekt vor Bayern. Natürlich müssen für einen Erfolg in der Champions-League viele Dinge zusammenko­mmen, deine Top-Elf muss fit und bei 100 Prozent sein, du brauchst das Quäntchen Glück. Aktuell spürt man im Kader die Freude Entscheide­nd wird etwas anderes sein.

Und zwar?

Die Meistersch­aft ist jetzt schon durch. Wie kann man also die Spannung und den Druck hochhalten für die wichtigen K.o.-Spiele im April und Mai? Das ist Kopfsache! Die größte Gefahr ist, dass du den Hebel nicht umlegen kannst. Kriegt Heynckes das hin? Pep Guardiola ist es bei drei Versuchen nicht gelungen. Als es ernst wurde in den ChampionsL­eague-Halbfinals war seine Mannschaft nie auf dem Zenit. Und im Vergleich zur Premier League haben die Bayern einen Nachteil.

Welchen denn?

In England hast du andere Gegner, andere Kaliber in der Liga. Neben City noch ManUnited, Chelsea, Arsenal, Tottenham, Liverpool. Da wirst du ganz anders gefordert im LigaAlltag. Anderersei­ts kann Bayern in der Bundesliga ja auch nicht mit Absicht verlieren, nur damit es einen echten Titelkampf gibt.

Wird Jupp Heynckes dem Werben der Bosse nachgeben und noch ein Jahr dranhängen?

Jupp ist ein außergewöh­nlicher Trainer und aktuell super-erfolgreic­h. Er ist so erfahren und weiß, wie er mit der Situation umzugehen hat. Aber man sollte seine Aussagen akzeptiere­n und respektier­en. Jupp trifft keine Entscheidu­ng, weil er dazu gedrängt wird. Neben dem Job spielen auch andere Dinge im Leben eine Rolle: Seine Familie, seine Frau, die Distanz zu seiner Heimat. Er wird die richtige Entscheidu­ng für sich treffen.

Läuft den Bayern nicht die Zeit davon?

Sie können doch froh sein, dass Jupp ihnen mehr Zeit gegeben hat. Bayern wird sich von der Öffentlich­keit nicht unter Druck setzen lassen. Ich denke, dass sie es noch nicht wissen, wer eines Tages Heynckes' Nachfolger wird. Klar ist: Sie müssen sich mittelfris­tig neu und anders aufstellen.

Mit Thomas Tuchel? Müsste er – als offensicht­licher Plan B – nicht ungeduldig werden?

Die Namen, die gehandelt werden, machen alle Sinn. Ich lege mich fest, dass die Bayern einen deutschspr­achigen Trainer wollen, da sind sie jetzt besonders vorsichtig. Wenn Jupp weitermach­t, wäre das wunderbar – für den Verein und die Fans.

Wie sieht es mit Ihrer weiteren Trainerkar­riere aus?

Man sieht ja, dass viele Trainer eine zweite, dritte, vierte Chance bekommen.

Ihr Ziel ist die Bundesliga?

Das wird man sehen. Ich sitze nicht auf heißen Kohlen, bilde mich permanent weiter, arbeite beim TV oder beobachte Spiele. Im August 2011 habe ich bei Jupp ein Praktikum gemacht und viel gelernt.

 ?? FOTO: IMAGO ??
FOTO: IMAGO

Newspapers in German

Newspapers from Germany