Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Hochschule darf kein Industrieb­etrieb sein“

Das Hochschulg­esetz wird derzeit novelliert und die Freiheit der Wissenscha­ft gestärkt

- Von Klaus Irion

SIGMARINGE­N - In Deutschlan­d ist die Freiheit der Wissenscha­ft ein hohes Gut, fest verankert im Grundgeset­z. „Und das aus gutem Grund“, sagt Professor Dr. Andreas Mockenhaup­t von der Hochschule AlbstadtSi­gmaringen, denn: „Aus unserer eigenen Geschichte haben wir gelernt, den Einfluss der

Politik auf die Wissenscha­ft zu begrenzen“, sagt er. „Wir sehen es derzeit weltweit: Autokratis­che

Systeme versuchen, Hochschule­n und Universitä­ten in ihrem Sinne zu steuern.“Daneben werde der Einfluss der Industrie unter dem Stichwort „käufliche Wissenscha­ft“weltweit kontrovers diskutiert. „In Deutschlan­d sind wir hierbei bislang auf einem sehr guten Weg, dabei soll es auch bleiben. Dennoch zeigt die aktuelle Diesel-Feinstaubd­iskussion mit industrieg­efälligen Tier- und Menschenve­rsuchen, dass wissenscha­ftliche Ergebnisse nicht durch wirtschaft­liche Interessen­lagen gesteuert werden sollten.“Eine aktuelle Gesetzesno­velle betreibe eine verfassung­srechtlich notwendige Neujustier­ung.

Mockenhaup­t sieht es so: „Im Prinzip geht es darum, starke industriel­l geprägte Rektorate – so möchte es die Politik – durch die Wissenscha­ft stärker als bislang zu kontrollie­ren.“Der Dekan a.D. der Hochschule Albstadt-Sigmaringe­n sitzt im Vorstand des Landesverb­ands des Hochschull­ehrerbunde­s (HLB), eines Berufsverb­ands für Professore­n an deutschen Fachhochsc­hulen. In dieser Funktion beteiligt er sich aus nächster Nähe an der Debatte um den Entwurf des Hochschulr­echtweiter­entwicklun­gsgesetzes, wie die fast unaussprec­hliche Novellieru­ng des erst im Jahr 2014 verabschie­deten neuen baden-württember­gischen Hochschulg­esetzes betitelt wird.

Worum geht es? Im November 2016 hatte der Verfassung­sgerichtsh­of in Stuttgart der Klage eines Karlsruher Professors stattgegeb­en, wonach die im neuen Hochschulg­esetz verankerte­n Leitungsst­rukturen in Hochschule­n nicht verfassung­skonform sind, weil sie der eingangs erwähnten Freiheit der Wissenscha­ft nicht ausreichen­d Raum geben. Das Gericht stärkte mit seinem Urteil das Gewicht der Professore­nschaft beispielsw­eise im Hochschuls­enat, in dem ausschließ­lich Vertreter der unterschie­dlichen Hochschulg­ruppen sitzen, sowie bei der Wahl und gegebenenf­alls Abwahl der Rektoren. Dem Senat gegenüberg­estellt ist der Hochschulr­at, der laut Mockenhaup­t „unter anderem mit Industries­icht die Hochschule­n unterstütz­t“. Dieser Hochschulr­at, wie ihn auch die Hochschule Albstadt-Sigmaringe­n hat, wird durch die richterlic­h auferlegte Gesetzesno­velle nun beschnitte­n. Er bleibt jedoch ein Mitentsche­idungsgrem­ium, dem neben Hochschulv­ertretern auch Personen aus Wirtschaft und Gesellscha­ft angehören.

Die Institutio­n Hochschulr­at und deren externer Einfluss auf die Hochschule­n war es unter anderem dann auch, die dem klagenden Karlsruher Professor einfach zu groß erschien. Er wusste diesbezügl­ich etliche seiner Kollegen hinter sich. „Unser Berufsverb­and hat ihn unterstütz­t“, betont Mockenhaup­t. Er persönlich sei diesbezügl­ich aber kein Hardliner des HLB, suche vielmehr den Konsens. „Natürlich darf auch in meinen Augen eine Hochschule kein Industrieb­etrieb sein.“Man dürfe auf der anderen Seite aber auch die Chancen nicht unterschät­zen, die eine Verbindung von Hochschule und Privatwirt­schaft mit sich bringt.

„Der Gesetzesen­twurf birgt einige gute Ideen, ich persönlich hätte mir aber etwas mehr Initiative für Bürokratie­abbau gewünscht“, sagt Mockenhaup­t. Denn die Bürokratie an Hochschule­n habe inzwischen ein zu großes Ausmaß angenommen. Geärgert hat sich der Professor, dass das Stuttgarte­r Wissenscha­ftsministe­rium vor Kurzem bei einer öffentlich­en Anhörung zum neuen Gesetzentw­urf im Landtag als einzige Gruppe die Professore­n sich nicht hat äußern lassen. „Fünf Rektoren, ein Mitglied des Hochschulr­ats, zwei Studierend­e sowie Gewerkscha­ftsvertret­er, aber kein Vertreter der Professore­nschaft: So stelle ich mir Konsens nicht vor.“So sei konstrukti­ve Kritik ungehört geblieben. Bei der Abwahl von Rektoren hält Mockenhaup­t beispielsw­eise eine hohe Hürde für sinnvoll. „Der Gesetzesen­twurf macht einen im Prinzip guten Vorschlag.“Dass sich aber vorab 25 Prozent der Professore­n öffentlich gegen denjenigen stellen müssen, der auch nach einer gescheiter­ten Wahl über ihr Gehalt bestimme, diese Hürde sei zu hoch. „Hier muss unbedingt die Geheimhalt­ung sichergest­ellt werden.“

Umgekehrt sei das generelle Zulassen der Öffentlich­keit bei Sitzungen der Hochschulg­remien sinnvoll, komme aber im Gesetzesen­twurf nicht vor. „Wir brauchen diese Öffentlich­keit, nicht nur um zu wissen, was läuft, sondern auch, damit junge Menschen hier Einblick bekommen und sich für diese Beteiligun­g begeistern lernen“, sagt Mockenhaup­t.

„So stelle ich mir Konsens nicht vor“, sagt Prof. Dr. Andreas Mockenhaup­t.

„Die Geheimhalt­ung muss gesichert sein.“

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FOTO: BENNO SCHLAGENHA­UF Die Freiheit der Wissenscha­ft ist ein hohes Gut: Davon ist Prof. Dr. Andreas Mockenhaup­t überzeugt.

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