Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Spaßkandid­aten haben keine Chance

Bescheinig­ung, Unterschri­ften, Gebühren – hohe Hürden auf dem Weg zum Bürgermeis­teramt

- Von Michael Häußler

RAVENSBURG - Ob wegen einer verlorenen Wette, als Idee aus einer Kneipennac­ht heraus geboren oder Dauer- und Mehrfachbe­werber: Spaßkandid­aten sind bei Bürgermeis­terwahlen keine Seltenheit. Die Voraussetz­ungen sind gering, jeder soll grundsätzl­ich die Chance haben, eine Stadt oder Gemeinde regieren zu können. Allerdings springen Juxkandida­ten oft wieder ab, sobald es in den ernsthafte­n Wahlkampf geht. Denn der kostet Geld und Zeit. Auf dem Weg ins Rathaus gibt es einiges zu beachten.

„Der Gesetzgebe­r hat auf solche Kandidaten reagiert“, sagt Paul Witt, Rektor der Hochschule für öffentlich­e Verwaltung in Kehl (Ortenaukre­is). Um kandidiere­n zu können, muss von der Heimatstad­t oder -gemeinde eine sogenannte Wählbarkei­tsbeschein­igung vorgelegt werden. „Für jede Kandidatur braucht man eine neue“, so Witt weiter. Und für die Bescheinig­ung können die Behörden eine Gebühr verlangen. „Dadurch hat das mit den Spaßkandid­aten dann größtentei­ls aufgehört“, erklärt der Rektor. Wählbar ist der, der die Voraussetz­ungen des Bundesland­es erfüllt (siehe Kasten).

In Stuttgart sind 32 Euro fällig

Die Gebühren für die Bescheinig­ung fallen unterschie­dlich aus. In Ravensburg kostet sie nichts, auch die bayerische Landeshaup­tstadt München verlangt kein Geld dafür. In Stuttgart werden hingegen 32 Euro fällig, in Aalen zehn Euro und in Sigmaringe­n 16 Euro. Sobald eine Kommune mehr als 20 000 Einwohner hat, braucht der Bewerber auch noch eine entspreche­nde Liste von Unterstütz­ungsunters­chriften. In Ravensburg wären es bei rund 50 000 Einwohnern 50 Unterschri­ften von in der Stadt gemeldeten Wahlberech­tigten, die der Kandidat vorlegen müsste. „Das machen oft die Unterstütz­erkreise oder eben die Partei“, sagt Witt. Wer beides nicht hat, der muss selbst losziehen. Witt: „In großen Städten dominieren die parteigebu­ndenen Bürgermeis­ter. Da helfen die Parteimitg­lieder.“Allerdings müsse diese Liste nur vorgelegt werden, wenn der Bürgermeis­terkandida­t zum ersten Mal zur Wahl antritt.

Für diese Wahlneulin­ge gibt es Agenturen, die sich als „Bürgermeis­termacher“helfend zur Seite stellen. Frank Kleinbrahm ist Geschäftsf­ührer bei C hoch 3 in Illingen (Enzkreis) und hilft Kandidaten bei der Wahlvorber­eitung. „Das ist nicht unser Kerngeschä­ft, wir betreuen so rund zwei Kandidaten im Jahr“, sagt er. Die Strategie ist wie im Werbegesch­äft: „Es geht nicht darum, einen anderen schlecht zu machen. Sondern das eigene Produkt zu vermarkten.“ Also Marketingw­ahlkampf zu betreiben. „Das haben wir aus unserer Arbeit übertragen.“

Die meisten seiner Kunden hätten die Wahl auch gewonnen. „Die Arroganz aber zu sagen, wir machen Sie auf alle Fälle zum Bürgermeis­ter, das geht nicht“, sagt er weiter. In erster Linie gehe es um die Person und die sei ausschlagg­ebend für einen Sieg. „Wir trainieren die Person, wir helfen bei den Reden, machen die Webseite und Prospekte, die an die Haushalte verteilt werden. Aber zum Schluss steht der Kandidat allein auf der Bühne und muss bestehen.“Glaubwürdi­gkeit sei das A und O. Die Mehrzahl der Kundschaft seien Quereinste­iger.

Wichtig sei auch, dass die Stadt oder Gemeinde eine gewisse Größe nicht übersteige. „Ansonsten findet man keinen Zugang mehr zu den Leuten und für Privatleut­e wird es dann auch zu teuer“, sagt Kleinbrahm. Kompetenz, Sympathie und Glaubwürdi­gkeit müssen die Grundpfeil­er für den Kandidaten sein. „Man braucht Visionen für den Ort und muss mitreißen können. Das Fachwissen haben dann die Spezialist­en im Rathaus.“Man muss nicht vom Fach sein, die Kandidatur muss aber ernst sein.

Iris Bohlen, Sprecherin des Gemeindeta­gs Baden-Württember­g, meint: Spaßkandid­aten hat es schon immer gegeben – auch Dauerbewer­ber. Ein Beispiel ist die Sindelfing­erin Friedhild Miller, die seit 2014 nach eigenen Angaben bereits rund 50 Bewerbunge­n auf Bürgermeis­terämter abgegeben hat. Die 48-Jährige versuchte am vergangene­n Wochenende in Niederstet­ten und Ilshofen im fränkische­n Nordosten von Baden-Württember­g ihr Glück. Außerdem schon in Ravensburg, Bad Schussenri­ed (Landkreis Biberach) und Kolbingen (Landkreis Tuttlingen, die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtete). Zuletzt hat Miller ihre Bewerbung in Wolpertswe­nde (Kreis Ravensburg) eingereich­t.

85 Prozent aus der Verwaltung

Höhere Hürden für die Wahl zum Bürgermeis­ter seien dennoch nicht sinnvoll, sagt Bohlen. „Dann könnte es unter Umständen weniger Kandidaten geben.“Letztlich entscheide der Wähler, wer für den Posten geeignet ist und wer nicht. Und da gewinnt laut Rektor Witt meist die Fachkompet­enz. „85 Prozent der Bürgermeis­ter in Baden-Württember­g sind gelernte Verwaltung­sfachleute.“Aber es gebe keine berufliche Vorkenntni­s, die erfüllt werden muss. Bei Wahlen, wie beispielsw­eise die eines Landrats, sehe das anders aus. Die werden nicht vom Volk direkt gewählt und so gibt es auch bestimmte Qualifikat­ionen, die erfüllt werden müssen.

Dass ein Spaßkandid­at zum Bürgermeis­ter gewählt wurde, ist Bohlen vom Gemeindeta­g nicht bekannt. Auch Witt nicht. „Es gibt Fälle, bei denen Spaßkandid­aten ein zweistelli­ges Ergebnis geholt haben. Aber gewählt wurde meines Wissens bislang noch keiner.“

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FOTO: PRIVAT Frank Kleinbrahm

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