Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Ärzte und Gutachter widersprechen sich
Fortsetzung im Hoßkircher Mordprozess
RAVENSBURG/HOSSKIRCH - Am Donnerstag ist am Landgericht Ravensburg der Mordprozess gegen einen 35-Jährigen fortgesetzt worden. Er ist angeklagt, im Februar vergangenen Jahres seine 30-jährige Ehefrau erstickt und dann einen Autounfall vorgetäuscht zu haben, um die Tat zu vertuschen. Das Auto war an einem Sonntagmorgen abseits der Verbindungsstraße zwischen Tafertsweiler und Hoßkirch in einem Acker gefunden worden. Die 30-jährige Ehefrau des Angeklagten lag tot im Wagen, er selbst wurde schwerverletzt und bewusstlos etwa 100 Meter vom Auto entfernt aufgefunden. Doch wie er sich verletzt hatte, wie er aus dem Auto gekommen war und wie lange er neben dem Auto in der Kälte lag, bleibt auch nach dem elften Verhandlungstag unklar. Denn um diese Fragen zu beantworten, hatte das Gericht vier Mediziner als Zeugen geladen: den Notarzt, der den 35-Jährigen am Unfallort behandelte, den Oberarzt, der auf der Intensivstation im Krankenhaus für ihn zuständig war, und zwei Gutachter, einen Rechtsmediziner und einen Neurologen. Und ihre Einschätzungen waren teilweise genau gegensätzlich.
Der Oberarzt beschrieb dem Gericht, in welchem Zustand der Beschuldigte eingeliefert wurde: Er hatte ein schweres Schädel-HirnTrauma, Blutungen im Gehirn, war bewusstlos und hatte sich mehrere Rippen und Halswirbel gebrochen. Gefragt, wie er sich diese Verletzungen zugezogen haben kann, sprach der Arzt davon, dass er bei hohen Geschwindigkeiten wohl herumgeschleudert worden sei, denkbar wäre etwa als Insasse in einem sich mehrfach überschlagenden Auto. Das Auto, in dessen Nähe der Beschuldigte aufgefunden worden war und in dem auch seine tote Frau lag, war jedoch wenig beschädigt gewesen. Zu wenig, wie der Oberarzt fand: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in diesem Auto passiert ist.“
Das sah der Rechtsmediziner, der vom Gericht bestellt worden war, etwas anders. Wie er sagte, lassen sich die Verletzungen des Angeklagten, die er als „keine schwersten Verletzungen“bezeichnete, auch durch „mäßige Gewalteinwirkung“erklären. Eine Geschwindigkeit von 70 km/h reiche dafür schon aus, vor allem wenn der Angeklagte beim Aufprall nicht angeschnallt gewesen sei. Ähnlich fiel die Einschätzung des vom Gericht bestellten Neurologen aus.
Aussage des Oberarztes quittiert der Angeklagte mit Lächeln
Auch was die Dauer der Bewusstlosigkeit anbetraf, waren sich Ärzte und Gutachter nicht einig. Der Oberarzt schloss aus, dass sein Patient noch einmal wach wurde, nachdem er sich die Hirnverletzungen zugezogen hatte. „Das führte zu einem schlagartigen Bewusstseinsverlust. Der Patient war bewusstlos und konnte nicht mehr gehen.“Während der Oberarzt das aussagte, zeigte sich ein leichtes Lächeln auf dem Gesicht des Angeklagten. Das verschwand, als der Neurologe dem widersprach und meinte: „Es ist nicht auszuschließen, dass er nach einer anfänglichen Bewusstlosigkeit wieder wach wurde und sich bewegte.“
Doch wie gut konnte sich der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bewegen? Der behandelnde Notarzt hatte eine Lähmung der linken Körperhälfte festgestellt und deshalb ausgeschlossen, dass der Beschuldigte hätte gehen können: „Der wäre umgekippt.“Im Krankenhaus war keine Lähmung mehr diagnostiziert worden, sondern nur noch eine Schwäche der linken Körperhälfte.
Weitgehend einig waren sich die vier Zeugen, dass der 35-Jährige vermutlich nicht die ganze Nacht bei null Grad bewusstlos draußen gelegen haben kann. Denn als er morgens in das Krankenhaus eingeliefert wurde, war sein Körper mit 36,6 Grad normal warm. Wäre er die ganze Nacht draußen gelegen, wäre er ausgekühlt. Der Vorsitzende Richter Stefan Maier legte als nächsten Verhandlungstermin den 9. Februar 2018 fest.