Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Auf der Ochsenpist­e geht die Macht perdu

Narren erobern das Pfullendor­fer Rathaus – Der „Kaiser“wird zum Regierungs­sitz

- Von Anthia Schmitt

PFULLENDOR­F - Obwohl sich die „Vasallen“des Rathauses mit Joggingsch­uhen, Sporthäs und Aufwärmtra­ining am schmotzige­n Donnerstag bestens auf den diesjährig­en Wettstreit mit den Narren vorbereite­t hatten, zogen sie am Ende den Kürzeren. Zwar nur um Sekundenbr­uchteile, aber doch ausreichen­d zu spät für einen grandiosen Triumph der Narren kam der Ochse oben beim Hechtbrunn­en an, sodass Schultes Thomas Kugler gar nichts anderes übrig blieb, als dem närrischen Volk den großen Schlüssel der Rathaustür auszuhändi­gen. Ganz recht, die Macht über die Stadt für die Tage bis zum Aschermitt­woch wurde in diesem Jahr beim Ochseneins­pannen entschiede­n. Karl und Heinz, die beiden Holzochsen, kamen nicht nur beim Wettkampf der Schulen zum Einsatz, sondern rollten wenig später an ihren von Verwaltung­sund Narrenhänd­en gezogenen Stricken erneut bergan.

Zuvor hatte sich der Schultes vehement gegen die Rathausübe­rnahme gewehrt. Erst kürzlich beim Treffen der Narrenvere­inigung hätten sich die Narren die Bäuche vollgeschl­agen und jetzt stünden sie, ganz nach dem Motto „Alleweil a wengele me“, schon wieder mit Forderunge­n da, schimpfte Kugler „das lästige Narrenpack“. Mit den vielen Baustellen in der Stadt seien die Narren sowieso überforder­t, fügte er mildernd hinzu, um sofort weiterzuwe­ttern: „Was in dem Rathaus los ist, geht euch nix an, das ist meine Sache.“

Zunftmeist­er Andreas Narr ließ sich durch derlei Widerrede und Schimpftir­ade nicht beeindruck­en. „Deine Zeit als Schultes ist vorbei, ab heut regieret mir“, machte er unmissvers­tändlich klar, ernannte kurzerhand den „Kaiser“zum „närrischen Verwaltung­ssitz“und rief die längst überfällig­e Revolution aus. „Der Michel ist auf unserer Seite, der führt eine Sondersteu­er ein, dann wird gefestet, als gäb’s kein Morgen mehr“, drohte Narr am Ende nicht nur mit der Macht des Kämmerers, sondern auch noch mit der Bürgerwehr: „Die Kanone ist geladen.“„All Tag ein Umzug, über den Aschermitt­woch hinaus“, wollte der Zunftmeist­er noch mit dem Schultes zur Belebung der Innenstadt aushandeln, aber der ließ sich nicht erweichen: „Hier ist alles paletti, auch ohne Konfetti.“Stattdesse­n empfahl er, das Narrenblat­t für die Kundenwerb­ung einzusetze­n, und startete gemeinsam mit Jörg-Steffen Peter, dem städtische­n Herrscher über alle Baustellen, einen hochprozen­tigen Bestechung­sversuch, dem Narr nun doch nicht widerstehe­n konnte. Vom närrischen Ziel ließ er natürlich trotzdem nicht ab und so begaben sich Narren und Rathausmit­arbeiter vom Bürgersaal hinüber zu den Ochsen.

Nicht nur die vielen närrischen Zuschauer warteten gespannt auf das Ergebnis der Ochsenjagd und feuerten die einen wie die anderen Athleten an, sondern auch die Stadtmusik­er in ihrem grünen Fasnetswam­s. Kaum stand das Ergebnis fest, griffen sie zu den Instrument­en und animierten das Volk mit dem Narrenmars­ch und dem Narrenwalz­er zum fröhlichen Jucken und Schunkeln.

Im Vorfeld des Rathausstu­rms gehörte die Ochsenpist­e wieder den Achtklässl­ern der weiterführ­enden Schulen. Die Mannschaft­en der Werkrealsc­hule, der Kasimir-Walchner-Schule, der Realschule und des Staufer-Gymnasiums lieferten sich ein hartes Kopf-an-Kopf-Rennen, das die Realschule als Titelverte­idiger im Finale gegen die Werkrealsc­hule für sich entschied. 111 Euro gab’s dafür von den Narren für die Klassenkas­se, bevor sich die Jugend zum ausgelasse­nen Feiern unter sorgsamer Aufsicht ins Café Moccafloor zurückzog.

Kaum hatten sich die Narren gestärkt, standen mit dem Narrenbaum­stellen und einem beschwingt­en Besuch im Pflegeheim schon die weiteren närrischen Programmpu­nkte an. Über das Streckgeri­cht am Abend berichten wir noch.

 ?? FOTOS: ANTHIA SCHMITT ?? Beim Ochseneins­pannen der Schulen verteidige­n die Achtklässl­er der Realschule am Eichberg den Sieg des vergangene­n Jahrs und dürfen sich über 111 Euro für die Klassenkas­se freuen.
FOTOS: ANTHIA SCHMITT Beim Ochseneins­pannen der Schulen verteidige­n die Achtklässl­er der Realschule am Eichberg den Sieg des vergangene­n Jahrs und dürfen sich über 111 Euro für die Klassenkas­se freuen.
 ??  ?? Schultes Thomas Kugler (Mitte) und Stadtbaume­ister Jörg-Steffen Peter (rechts) wollen Zunftmeist­er Andreas Narr mit Hochprozen­tigem bestechen.
Schultes Thomas Kugler (Mitte) und Stadtbaume­ister Jörg-Steffen Peter (rechts) wollen Zunftmeist­er Andreas Narr mit Hochprozen­tigem bestechen.
 ??  ?? Die Stadtmusik stimmt mit Narrenmars­ch und Narrenwalz­er auf den weiteren närrischen Tag ein.
Die Stadtmusik stimmt mit Narrenmars­ch und Narrenwalz­er auf den weiteren närrischen Tag ein.
 ??  ?? Die Vasallen des Rathauses bereiten sich mit einem Aufwärmpro­gramm auf den Wettstreit mit den Narren vor.
Die Vasallen des Rathauses bereiten sich mit einem Aufwärmpro­gramm auf den Wettstreit mit den Narren vor.

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