Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Keine Gnade für Konfetti-Kehlbach-Ratte
Siegbert Krall landet auf der Streckbank der Narrenzunft Stegstrecker
PFULLENDORF - Vermutlich erstmals in ihrer langen Geschichte, da waren sich die Narren ziemlich sicher, haben die Stegstrecker am schmotzigen Donnerstag einen Bürger aus einem Pfullendorfer Ortsteil vor das närrische Streckgericht gestellt. Angeklagt war der Otterswanger Ortsvorsteher Siegbert Krall. Ihm warf Chefankläger Oliver Ritter mehrere schwere Vergehen vor, darunter die Verlegung des Pfullendorfer Stadtzentrums nach Otterswang und sein schmutziges Wirken als Konfetti-Ratte.
Sigi Krall fuhr zwar nicht ganz so nobel wie im Vorjahr Rolf Schondelmaier in der Luxuslimousine auf dem Marktplatz vor, sondern wurde bei der Tour der Narren und Hemdglonker durch die Stadt im Schinderkarren ganz schön durchgeschüttelt, war aber rhetorisch nicht minder beschlagen. Reue zeigte er jedenfalls nicht – noch nicht mal, als er mit schmerzverzerrtem Gesicht auf der Streckbank lag. Lediglich das Strafmaß erkannte er schließlich an.
Lautstarke Unterstützung
„Du übernimmst im nächsten Jahr die Brennsupp“, lautete das Urteil von Richter Andreas Narr, bevor Krall mit dem Fuhrmannskittel und der schwarzen Strickmütze in die illustre Reihe der Gestreckten aufgenommen wurde. Lautstarke und unübersehbare Unterstützung hatte der Delinquent von der Otterswanger Bevölkerung. Auf Plakaten baten die Menschen um Freiheit für Sigi und forderten ihn gar auf, das hochwohllöbliche närrische Gericht „platt“zu machen.
Noch vergleichsweise mild fiel die Anklage für Siegfried als Produzent für Biogas aus. Da warf man ihm lediglich eine gewisse Vorteilsnahme im Gemeinderat vor. „Der Beweis ist erbracht, er ist es, der Korruption in unser schönes Städtchen gebracht“, reimte der Chefankläger. Da konterte Krall sofort und erinnerte an die Finanzierung des Narrenbrunnens. „Der Narrenbrunnen, ach wie teuer, wer den bezahlt hat, ist mir nicht geheuer.“Und, zum Kläger: „Einen Steg kann er nicht messen, aber Kohle aus dem Stadtsäckel pressen.“
Schwerer wog da schon der Versuch, das Stadtzentrum nach Otterswang zu verlegen. „Gewieft macht er das Schritt für Schritt und denkt, die anderen sind blöd und kriegen es nicht mit“, zählte der Ankläger die Beweise auf: die Nähe des SeeparkCenters zu Otterswang und das schöne Dorfgemeinschaftshaus, das viel schöner ist als die Halle in der Stadt. „Wer keinen Raum für eine Party hat, kann in der Kernstadt vergeblich suchen, in Otterswang jedoch gleich buchen“, sagte der Ankläger.
Wettstreit der Musikgruppen
Ganz besonders schwer wurde bei diesem Anklagepunkt die O-TownGugge gewichtet: „Sein Bestreben, so wurde mir gesagt, ist, dass Otterswang die bessere Fasnetsmusik als die Kernstadt hat.“Von diesem Vorwurf konnten sich die vielen Zuschauer auf dem Marktplatz beim musikalischen Wettstreit der Stadtmusik und der Otterswanger Gugge gleich selbst ein Bild machen. Die Grenzverschiebung hingegen sei, anders als gemunkelt, nicht entstanden, weil der Schultes ein besonderes Herz für die hohenzollerischen Lande in der Kommune habe, sondern weil das Dorfgemeinschaftshaus ausnahmsweise im Kostenrahmen geblieben sei – anders als alle anderen städtischen Baumaßnahmen, wie Siegbert Krall anmerkte.
Konfetti-gepolsterte Kanäle
Auch gegen den letzten Anklagepunkt, den Konfetti-Regen aus seiner Kanone, der bei Umzügen nicht nur Anwohner im ganzen Land vergrätze, sondern auch die Kanäle der Stadt gemütlich für die Ratten polstere, hatte Sigi Krall seine Argumente. Das Gefolge des Gerichts ziehe mit riesigem Gestank durch die Straßen, während er ja nur für ein paar Fitzele Schnee sorge. Wo Konfetti verboten sei, werde man bald die Zuschauer vertreiben und einen Trauermarsch an der Fasnet anstimmen, frotzelte er in Richtung der Aach-Linzer Narren: „Ich bin mir sicher, da wird jetzt scho grübelt, ob man das Lachen beim Umzug nicht verbietet.“Und: „Wir Ratten lasset uns unsere Streu nicht vermiesen, denn wahre Narren dond des genießen.“
Zum Beweis nahm er seine Rattenkameraden in die Pflicht und es rieselten gewaltige Mengen von Konfetti vom Himmel. Das verärgerte Gericht reagierte prompt: „Nun auch noch die Aufforderung zu dieser Sauerei, dem Angeklagten ist Recht und Ordnung einerlei. Henker streckt den Schurken, macht ihn so lang es nur geht.“
Nach dem Streckgericht gingen die Narren natürlich noch lange nicht nach Hause, sondern schnorrten und feierten ausgelassen in den Wirtschaften rund um den Marktplatz weiter.