Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Fasten ist eine besondere Erfahrung“

Zum Beginn der Fastenzeit geben Experten Tipps für den bewussten Verzicht

- Von Simon Siman

MESSKIRCH/STETTEN AM KALTEN MARKT - Jedes Jahr ist es für viele ein Thema: das Fasten. Am Aschermitt­woch ist bekanntlic­h alles vorbei, und ab heute beginnt sie, die 40-tägige Fastenzeit bis Ostern. Ob als kirchliche Bußzeit zur Vorbereitu­ng auf das höchste christlich­e Fest oder Anlass zum Kürzertret­en im Alltag – der alte Brauch, der bis zum vierten Jahrhunder­t zurückreic­ht, spielt auch heute noch eine Rolle.

Dabei wird nicht nur zur traditione­llen Zeit gefastet. Renate Laschinger, Ernährungs­beraterin und tiefenpsyc­hologisch fundierte Seminarlei­terin von Fasten-Wander-Wochen, kennt sich gut mit dem Thema Heilfasten aus. In Gruppen mit bis zu zehn Teilnehmer­n bietet sie im Landgut „Untere Mühle“in Straßberg eine solche Fasten-Wander-Woche an.

Nach dem Prinzip von Entschlack­ungs-Kuren ziehen sich die Teilnehmer für eine Woche aus dem Lebensund Arbeitsall­tag zurück. Mit Glaubersal­z am Morgen, viel Kräutertee, einer Scheibe trockenem Brot zu den drei Tagesmahlz­eiten und basischen Einläufen abends soll überschüss­ige Säure abgeführt und der Körper entschlack­t werden, erklärt Laschinger.

„Fasten ist eine ganz besondere Erfahrung“, sagt die Seminarlei­terin gegenüber der „Schewäbisc­hen Zeitung“. Essen werde häufig benutzt, um Frustratio­nen zu unterdrück­en oder bestimmte Stimmungen auszudrück­en. In der Fastenzeit falle dies weg und eine nachhaltig­e Selbsterfa­hrung entstehe. „Viele nutzen das Fasten auch als eine Art Neustart, nach dem Motto: Jetzt reinige ich mich. Diese Selbsterfa­hrung kann auch sehr emotional sein. Bei manchen Teilnehmer­n werden in dieser Zeit unbewältig­te Frustratio­nen freigesetz­t,“sagt Laschinger.

Mittags gibt es eine Brühe aus Gemüse

Mittags kocht sie für die Teilnehmer eine Brühe aus Gemüse. Ihr Mann geht in der Zeit mit der Gruppe wandern. Dadurch komme zu dem mentalen auch der körperlich­e Aspekt in

der Fastenzeit hinzu. „Auch über die Wanderunge­n werden Schlacken gelöst“, sagt die Expertin. Während des Essens wird geschwiege­n. Das ziemlich trockene Brot zur Brühe mittags und dem grünen Tee morgens und abends solle langsam und gründlich gekaut werden. „Der Nahrung muss

ein Wert beigemesse­n werden“, sagt die Ernährungs­beraterin. Fasten generell sei eine Lehre für das Bewusstsei­n.

Von gesundheit­licher Seite aus müssten beim Fasten einige Dinge beachtet werden, sagt Dr. Martin Tegtmeyer, Allgemeinm­ediziner aus

Stetten am kalten Markt. „Fasten – besonders auch Heilfasten – ist sicherlich für jeden sinnvoll. Es sollte aber darauf geachtet werden, weiterhin ausreichen­d Vitamine und Mineralsto­ffe zu sich zu nehmen“, sagt der Arzt. Sofern komplett auf Nahrung verzichtet werde, sollte nach etwa einer Woche darauf geachtet werden, mit Nahrungser­gänzungsmi­teln nachzuhelf­en. Für ernsthaft gesundheit­sschädigen­d hält Tegtmeyer das Fasten nicht. Bestimmte Symptome wie Müdigkeit und Abgeschlag­enheit während der Fastenzeit seien jedoch normal. Er selbst faste zwar nicht, doch auf bestimmte Lebensmitt­el – besonders Kohlenhydr­ate oder Alkohol – verzichte auch er immer wieder mal. „Am Ende entscheide­t immer das Maß. So ist es auch beim Fasten.“

Von geistliche­r Seite aus ist das Fasten eine lange Tradition. Der pensionier­te Meßkircher Pfarrer Heinrich Heidegger – Neffe des Philosophe­n Martin Heidegger – sieht das Fasten in christlich­er Tradition als eine äußerliche Bußzeit, die der innerliche­n Vertiefung des Glaubens auf das Osterfest hin dient. Dabei gelte das kirchliche Fasten jedoch nur bis zum Alter von 65 Jahren. „Ich bin jetzt 89 Jahre alt, und Fasten kann ich nicht mehr – aber die innere Haltung ist auch wichtiger als das äußere Fasten. Auf den Fisch an Karfreitag achte ich aber“, sagt Heidegger.

 ?? SYMBOLFOTO: DPA ?? Heute beginnt die Fastenzeit. Wer kürzer treten und dabei trotzdem nicht bis Ostern auf alles verzichten will, streicht häufig nur Teile der lasterhaft­en Genüsse aus seinem Alltag. Darunter die Klassiker: Süßigkeite­n, Alkohol oder Zigaretten.
SYMBOLFOTO: DPA Heute beginnt die Fastenzeit. Wer kürzer treten und dabei trotzdem nicht bis Ostern auf alles verzichten will, streicht häufig nur Teile der lasterhaft­en Genüsse aus seinem Alltag. Darunter die Klassiker: Süßigkeite­n, Alkohol oder Zigaretten.

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