Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Fasten ist eine besondere Erfahrung“
Zum Beginn der Fastenzeit geben Experten Tipps für den bewussten Verzicht
MESSKIRCH/STETTEN AM KALTEN MARKT - Jedes Jahr ist es für viele ein Thema: das Fasten. Am Aschermittwoch ist bekanntlich alles vorbei, und ab heute beginnt sie, die 40-tägige Fastenzeit bis Ostern. Ob als kirchliche Bußzeit zur Vorbereitung auf das höchste christliche Fest oder Anlass zum Kürzertreten im Alltag – der alte Brauch, der bis zum vierten Jahrhundert zurückreicht, spielt auch heute noch eine Rolle.
Dabei wird nicht nur zur traditionellen Zeit gefastet. Renate Laschinger, Ernährungsberaterin und tiefenpsychologisch fundierte Seminarleiterin von Fasten-Wander-Wochen, kennt sich gut mit dem Thema Heilfasten aus. In Gruppen mit bis zu zehn Teilnehmern bietet sie im Landgut „Untere Mühle“in Straßberg eine solche Fasten-Wander-Woche an.
Nach dem Prinzip von Entschlackungs-Kuren ziehen sich die Teilnehmer für eine Woche aus dem Lebensund Arbeitsalltag zurück. Mit Glaubersalz am Morgen, viel Kräutertee, einer Scheibe trockenem Brot zu den drei Tagesmahlzeiten und basischen Einläufen abends soll überschüssige Säure abgeführt und der Körper entschlackt werden, erklärt Laschinger.
„Fasten ist eine ganz besondere Erfahrung“, sagt die Seminarleiterin gegenüber der „Schewäbischen Zeitung“. Essen werde häufig benutzt, um Frustrationen zu unterdrücken oder bestimmte Stimmungen auszudrücken. In der Fastenzeit falle dies weg und eine nachhaltige Selbsterfahrung entstehe. „Viele nutzen das Fasten auch als eine Art Neustart, nach dem Motto: Jetzt reinige ich mich. Diese Selbsterfahrung kann auch sehr emotional sein. Bei manchen Teilnehmern werden in dieser Zeit unbewältigte Frustrationen freigesetzt,“sagt Laschinger.
Mittags gibt es eine Brühe aus Gemüse
Mittags kocht sie für die Teilnehmer eine Brühe aus Gemüse. Ihr Mann geht in der Zeit mit der Gruppe wandern. Dadurch komme zu dem mentalen auch der körperliche Aspekt in
der Fastenzeit hinzu. „Auch über die Wanderungen werden Schlacken gelöst“, sagt die Expertin. Während des Essens wird geschwiegen. Das ziemlich trockene Brot zur Brühe mittags und dem grünen Tee morgens und abends solle langsam und gründlich gekaut werden. „Der Nahrung muss
ein Wert beigemessen werden“, sagt die Ernährungsberaterin. Fasten generell sei eine Lehre für das Bewusstsein.
Von gesundheitlicher Seite aus müssten beim Fasten einige Dinge beachtet werden, sagt Dr. Martin Tegtmeyer, Allgemeinmediziner aus
Stetten am kalten Markt. „Fasten – besonders auch Heilfasten – ist sicherlich für jeden sinnvoll. Es sollte aber darauf geachtet werden, weiterhin ausreichend Vitamine und Mineralstoffe zu sich zu nehmen“, sagt der Arzt. Sofern komplett auf Nahrung verzichtet werde, sollte nach etwa einer Woche darauf geachtet werden, mit Nahrungsergänzungsmiteln nachzuhelfen. Für ernsthaft gesundheitsschädigend hält Tegtmeyer das Fasten nicht. Bestimmte Symptome wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit während der Fastenzeit seien jedoch normal. Er selbst faste zwar nicht, doch auf bestimmte Lebensmittel – besonders Kohlenhydrate oder Alkohol – verzichte auch er immer wieder mal. „Am Ende entscheidet immer das Maß. So ist es auch beim Fasten.“
Von geistlicher Seite aus ist das Fasten eine lange Tradition. Der pensionierte Meßkircher Pfarrer Heinrich Heidegger – Neffe des Philosophen Martin Heidegger – sieht das Fasten in christlicher Tradition als eine äußerliche Bußzeit, die der innerlichen Vertiefung des Glaubens auf das Osterfest hin dient. Dabei gelte das kirchliche Fasten jedoch nur bis zum Alter von 65 Jahren. „Ich bin jetzt 89 Jahre alt, und Fasten kann ich nicht mehr – aber die innere Haltung ist auch wichtiger als das äußere Fasten. Auf den Fisch an Karfreitag achte ich aber“, sagt Heidegger.