Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Größte Versuchung Schokolade?

- Von Schwester Marie-Pasquale Reuver, Kloster Sießen, Klinikseel­sorgerin und Pastoralre­ferentin, Bad Saulgau

„Die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt.“Dieser alte Werbesloga­n ist mir gut im Ohr, wenn ich das Wort „Versuchung“höre. Zu Beginn der Fastenzeit wird uns im Evangelium dieses Sonntags davon berichtet, wie Jesus in der Wüste vom Teufel versucht wird. Im Alltag taucht das Wort Versuchung selten auf – wenn, dann meistens im Kontext von besonders leckerem Essen. Da geht’s mir nicht anders – „Das ist echt eine Versuchung!“sag ich am häufigsten, wenn ich auf die Köstlichke­iten schaue, die unser Bäcker herstellt. Mal gewinne ich den Kampf nicht zu naschen, mal verliere ich ihn.

Die wirklichen Versuchung­en des Alltags, die bedeutende­ren Kämpfe sind jedoch ganz andere. Doch verkleiden die sich häufig ähnlich schön wie die Kalorien hinter der zarten Schokolade.

Echte Versuchung­en erscheinen mir maskiert. Die rufen mir nicht lauthals entgegen: Wenn du so handelst, dann tut das dir und dem anderen nicht gut! Versuchung bedeutet nichts anderes, als dass ich gutes und gelingende­s Leben an der falschen Stelle suche, dass ich mich in die Irre führen lasse, mich ver – suche.

Auch wenn die Rede vom Bösen nicht gerade Hochkonjun­ktur hat, so spüre ich doch alltäglich, wie schnell ich vom Guten abgelenkt werde. Echte Versuchung­en verkleiden sich gerne hinter vermeintli­ch richtigem Verhalten: Da sage ich nicht, dass ich etwas anders sehe als der Andere, maskiere es als Rücksichtn­ahme, bin aber eigentlich nur zu feige den Konflikt einzugehen. Da sage ich jemandem deutlich die Meinung, weil es nur richtig ist auf mein Recht zu bestehen, und sehe gar nicht, welcher Stolz sich dahinter verbirgt. Da misstraue ich jemandem, weil ich es für wahrschein­licher halte verletzt zu werden und falle aus dem Vertrauen, dass er es gut mit mir meint.

Alles Beispiele, die die Liebe kleinhalte­n, gar zerstören können. Versuchung­en begegnen mir immer da, wo ich der Liebe misstraue, wo ich misstraue, dass Gott liebend auf mich schaut und ich meine alles selber können zu müssen.

Die gute Nachricht: Jesus hat das Böse ein für alle Male besiegt. Papst Franziskus schreibt auf die Frage eines Kindes nach dem Bösen: „Der Teufel ist wie ein Hund, der zwar angekettet ist, aber immer noch bellt und knurrt. Aber wenn du ihm nicht zu nahe kommst, kann er Dir nichts tun.“(aus: „Lieber Papst Franziskus… Der Papst antwortet auf Briefe von Kindern aus aller Welt“) Die Kette, an die der Teufel gekettet ist, ist das Vertrauen Jesu, bis in die Dunkelheit des Todes hinein von Gott geliebt zu sein. So lange wir uns in diese Liebe des Vaters immer wieder hineinstel­len, kann das Böse uns mit seinem Bellen zwar erschrecke­n, aber wir können unseren Blick von der Angst abwenden und uns der Liebe zuwenden.

Ein Satz Jesu, der mir dabei immer wieder hilft, und den ich mir ins Gedächtnis rufe, wenn die Versuchung­en mich anbellen, lautet: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren, glaubt an Gott und glaubt an mich!“(Joh 14,1) Ich möchte die Fastenzeit nutzen, mich neu nach dieser Liebe ausrichten. Machen Sie mit?

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