Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Gutachter bestätigt Unfallherg­ang

Im Hoßkircher Mordprozes­s sagt der Dekra-Sachverstä­ndige erneut aus.

- Von Sybille Glatz

HOSSKIRCH/RAVENSBURG - Im Hoßkircher Mordprozes­s hat am Mittwoch der Sachverstä­ndige der Dekra David Emmerich vor dem Landgerich­t Ravensburg bestätigt, dass der von der Staatsanwa­ltschaft angenommen­e Unfallherg­ang möglich ist.

Die Staatsanwa­ltschaft beschuldig­t den 35-jährigen Angeklagte­n, im Februar vergangene­n Jahres seine 30-jährige Ehefrau erstickt und dann einen Autounfall inszeniert zu haben, um die Tat zu vertuschen. Die junge Frau war am Morgen des 26. Februar tot im Auto des Ehepaars, einem Mercedes Vito, aufgefunde­n worden. Das Auto stand mit laufendem Motor in einem Feld abseits der Verbindung­sstraße zwischen Tafertswei­ler und Hoßkirch. Der Ehemann wurde 100 Meter vom Auto entfernt schwerverl­etzt und bewusstlos auf dem Boden liegend aufgefunde­n.

David Emmerich war bereits am 9. Februar vor dem Landgerich­t als Zeuge gehört worden (SZ berichtete). Doch drei Fragen waren in der Verhandlun­g strittig geblieben: Ist es möglich, den Mercedes Vito von der Beifahrers­eite aus zu steuern? Kann das Heizungsge­bläse im Fahrzeug die Brandverle­tzungen verursacht haben, die Rechtsmedi­ziner und Ärzte auf dem Oberkörper des Angeklagte­n festgestel­lt hatten? Haben vier Stahlplatt­en, die im Kofferraum des Vito lagen, durch ihr Gewicht den Unfallherg­ang entscheide­nd verändert?

Die Frage, ob der Angeklagte den Mercedes von der Beifahrers­eite aus gelenkt haben kann, beantworte­te der Sachverstä­ndige am Mittwoch mit einem kleinen Video. In diesem sah man, wie der Gutachter in einem Mercedes Vito auf der Beifahrers­eite sitzt, sein linkes Bein über die Mittelkons­ole hebt und mit ihm Gas- und Bremspedal­e bedient. Er lenkt das Auto, einen Automatikw­agen, sicher und augenschei­nlich recht mühelos mit 40 bis 45 Kilometern pro Stunde über das Testgeländ­e der Dekra. Neben ihm sitzt eine Person auf dem Fahrersitz, die nichts tut.

Wird die Heizung im Fahrzeug so heiß, dass sie zu Brandspure­n auf der Haut führen kann? Die Verteidige­r hatten dies am vorangegan­genen Verhandlun­gstag bezweifelt und eine Auskunft des Mercedes-Nutzfahrze­uge-Zentrums in Stuttgart ins Feld geführt. 40 Grad Celsius würden nicht überschrit­ten, schon um Verbrennun­gen zu vermeiden, so die Auskunft aus Stuttgart. Durch Messungen an einem baugleiche­n Fahrzeug war der Dekra-Sachverstä­ndige nun in der Lage, die Frage eindeutig zu beantworte­n. 67 Grad Celsius habe er am Heizgebläs­e in der Mitte des Armaturenb­retts gemessen. An den äußeren Heizdüsen seien es sogar 79 Grad gewesen. An vergangene­n Verhandlun­gstagen hatten die Rechtsmedi­ziner Frank Reuther und Rainer Nowak übereinsti­mmend erklärt, dass 65 bis 70 Grad Celsius nötig seien, um solche Brandspure­n auf der Haut hervorzuru­fen, wie sie beim Angeklagte­n gefunden worden seien. Sowohl der Spaziergän­ger, der das Auto entdeckt und dann den Notruf angerufen hatte, als auch die Ersthelfer­in, die als Erstes beim Fahrzeug war, hatten zudem ausgesagt, dass der Motor lief und damit auch die Heizung. „Bollenheiß“sei es im Fahrzeug gewesen, hatte ein Ermittler berichtet, der Spuren sicherte.

Stahlplatt­en haben kaum Auswirkung

Dass die Stahlplatt­en im Kofferraum durch ihr Gewicht das Fahrverhal­ten des Autos beim Unfall hätten entscheide­nd verändern können, verneinte Emmerich. Er hatte den Unfall am Computer simuliert – einmal ohne Beladung, einmal mit einer Beladung von 200 Kilogramm im Kofferraum. Die Simulation führte er dem Gericht als Video vor. „Wie Sie sehen, kommt das beladene Auto ein bisschen früher zum Stillstand. Aber für den Ablauf ist der Unterschie­d unerheblic­h“, so der Gutachter.

Im Anschluss an die Aussage des Sachverstä­ndigen stellten die Verteidige­r Theodros Germalidis und Ralf Steiner drei Beweisantr­äge und baten darum, die Eheberater­in, die der Angeklagte und seine Frau zweimal aufgesucht hatten, als Zeugin zu laden. Richter Stefan Maier stimmte zu, auch Staatsanwa­lt Peter Spieler hatte keine Einwände. Sie wird vielleicht schon am nächsten Verhandlun­gstermin gehört, der auf Freitag, 9. März, um 13 Uhr festgesetz­t ist.

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ARCHIVFOTO: RUM

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