Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Palmer fordert Sicherheit­sdienst für den Bahnhof

Bund und Land sollen die Kosten übernehmen – 350 Interessie­rte hören dem Tübinger OB zu

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N – Rund 350 Interessie­rte hören am Dienstagab­end in der Stadthalle dem Tübinger Oberbürger­meister Boris Palmer zu, der über seine Erfahrunge­n in der Flüchtling­spolitik spricht. Der Buchautor kennt die Sigmaringe­r Verhältnis­se überrasche­nd gut. An der LEA ist seiner Meinung nach nicht zu rütteln, aber die Bürger sollten sich für Verbesseru­ngen einsetzen. Zur Schließung der Bahnhofsha­lle ab 17.30 Uhr sagt der Grünen-Politiker: „Das Land oder der Bund müssen so viele Sicherheit­skräfte bezahlen, dass der Bahnhof offen bleiben kann.“Die Beeinträch­tigungen für die Bürger müssten in Grenzen gehalten werden, damit sie mit den Flüchtling­en leben könnten.

Noch eine Minute, sagt der Mann, der Boris Palmer zum Bahnhof bringen soll, mit strengem Unterton. Der letzte Zug nach Tübingen fährt um kurz vor zehn und Boris Palmer hat länger geredet als er sich vorgenomme­n hatte. Zum Signieren der Bücher bleibt kaum noch Zeit. Doch trotz der Hektik zum Schluss hat der Tübinger Oberbürger­meister in Sigmaringe­n Denkanstöß­e hinterlass­en.

Die Probleme nennt er beim Namen: sachlich, ehrlich, schonungsl­os – das ist Palmers Pfund. Den Titel seines Buchs „Wir können nicht allen helfen“habe Kritiker dazu veranlasst, ihn als Rassisten abzukanzel­n. Doch diese Menschen würden die eigentlich­en Probleme ausblenden. Laut UN seien aktuell 65 Millionen Menschen auf der Flucht. Wenn sie alle nach Deutschlan­d kämen, seien dies schlicht zu viele. „Oder würden Sie in Ihren Wohnungen Flüchtling­e aufnehmen?“, fragt der Kommunalpo­litiker. Zur Verdeutlic­hung ein Beispiel aus seiner Partei: Selbst unter Grünen würde die Aufnahmebe­reitschaft nachlassen, wenn durch Migration die Bildungsch­ancen der eigenen Kinder negativ beeinfluss­t würden.

Familienva­ter kritisiert Palmers Polemik

Seine Position zur „brenzligen Frage“der Kriminalit­ät erklärt er anhand von Sexualstra­ftaten. Zehn Prozent der Fälle würden von Asylbewerb­ern verübt. Doch es gebe signifikan­te Unterschie­de zwischen Zuwanderer­n mit und ohne Aufenthalt­stitel. Täter seien junge, alleinsteh­ende Männer und Flüchtling­e ohne Bleibepers­pektive. „Eine 70jährige Asylbewerb­erin wird wohl kaum zur Sexualstra­ftäterin werden“, sagt er. Ein Familienva­ter, der in der Nähe der Kaserne wohnt, kritisiert Palmers Polemik.

Diese Darstellun­g sei ihm zu einseitig. Sein Sohn gehe in die zweite Klasse und erlebe positive Folgen einer angemessen­en Migration. Ob er dies auch so sehe, will er von Palmer wissen. „Ich sehe diese Verbindung nicht“, entgegnet der Oberbürger­meister. „Es nützt einem gar nichts, wenn man im Prinzengar­ten zum Picknicken sitzen möchte, dies aber nicht kann, und Daimler auf der anderen Seite wegen der Migration mehr Umsatz macht.“

Das Gute an der Migration lasse sich mit dem Schlechten nicht aufrechnen und umgekehrt, so Palmers These. Die Diskussion erreicht das Sigmaringe­r Sicherheit­sgefühl. „Warum muss ich mich schlecht fühlen, wenn mir fünf, sechs Männer entgegen kommen? Das ist mein Land und ich bin Steuerzahl­erin“, klagt eine Frau. Palmer geht auf ihre Schilderun­g ein, indem er von der emotionale­n auf die sachliche Ebene wechselt. Er zitiert Polizeiprä­sidenten, die anhand von Statistike­n argumentie­rten, dass Deutschlan­d insgesamt sicherer geworden sei. „Doch Fallzahlen nützen nichts, wenn sich die Leute anders fühlen“, sagt er und geht auf die aktuelle Tübinger Tagespolit­ik ein. Um zu erfahren, wie es um das Sicherheit­sgefühl in seiner Stadt bestellt sei, habe er eine repräsenta­tive Umfrage machen lassen. Das Ergebnis könne er zwar nicht verraten, weil es der Gemeindera­t erst erfahren soll, doch Palmer sagt so viel: „Die Situation hat sich dramatisch verändert. Wenn es in Tübingen so ist, ist es in Sigmaringe­n genauso.“

Als Maßnahmen schlägt er die Einstellun­g von Sicherheit­skräften vor. In Tübingen würden die Flüchtling­sunterkünf­te bewacht. Sigmaringe­n müsse sich beim Land und Bund dafür einsetzen, dass die Kosten für Security-Kräfte übernommen würden. „Der Prinzengar­ten muss der Bürgerscha­ft weiter zur Verfügung stehen.“

Wo sind die Störenfrie­de?, will er wissen. Die Bürgerinit­iative „Gemeinsam für Sigmaringe­n“hatte als Veranstalt­er damit gerechnet und deshalb Sicherheit­skräfte beauftragt. In Bezug auf Medien und Verschwöru­ngstheorie­n gibt es kritische Wortmeldun­gen, doch Palmer gelingt es, diese zu entkräften. Angespannt sei er gekommen, sagt er. „Doch Sigmaringe­n ist so bedrohlich wie Schwäbisch Gmünd oder Göppingen.“Spricht’s und spurtet auf den Zug.

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FOTOS: MICHAEL HESCHELER Boris Palmer untermauer­t in Sigmaringe­n die Thesen aus seinem Buch „Wir können nicht allen helfen“. Zum Signieren der Bücher bleibt nach der Veranstalt­ung kaum noch Zeit.
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Rund 350 Interessie­rte hören Boris Palmer zu und stellen Fragen.

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