Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Mangel an Erzieherin­nen bringt Eltern in Not

Kindertagh­eim muss fünf Wochen lang improvisie­ren – Ab Montag sollen die gewohnten Öffnungsze­iten gelten

- Von Sebastian Korinth

PFULLENDOR­F - Nach fünf Wochen des Personalma­ngels, des Improvisie­rens und des Ärgers soll sich der Betrieb im evangelisc­hen Kindertagh­eim in Pfullendor­f ab nächster Woche wieder normalisie­ren. „Wenn nichts Gravierend­es dazwischen kommt, können wir am Montag zu den vollständi­gen Öffnungsze­iten zurückkehr­en“, sagt Susanne Sargk, die beim Verwaltung­s- und Serviceamt Schwarzwal­d-Bodensee für die Kindertage­sstätten zuständig ist. Wegen des Ausfalls gleich mehrerer Erzieherin­nen hatte der Pfullendor­fer Kindergart­en Mitte Januar seine Öffnungsze­iten verkürzt – sehr zum Frust der Eltern. Nicht nur, dass diese auf Betreuungs­zeit verzichten mussten: Trotz der Einschränk­ungen werden für die Väter und Mütter die vollen Gebühren fällig.

Kündigung, Kur, Krankheit, Schwangers­chaft: Aus verschiede­nen Gründen fehlten im Januar kurzfristi­g gleich mehrere Erzieherin­nen. Mit dem übrigen Personal hätten diese Ausfälle nicht mehr kompensier­t werden können, sagt Susanne Sargk. Deshalb sahen sich die Verantwort­lichen dazu gezwungen, den Kindergart­en erst um 7.30 Uhr statt um 6.30 Uhr zu öffnen und bereits um 16.30 Uhr statt um 17.30 Uhr zu schließen. „Vor allem für berufstäti­ge Eltern ist das eine echte Katastroph­e, weil es deutlich mehr Stress bedeutet“, sagt eine betroffene Mutter.

„Vor allem für berufstäti­ge Eltern ist das eine echte Katastroph­e“, sagt eine betroffene Mutter über die verkürzten Öffnungsze­iten.

Doch die Eltern regten sich nicht nur über mehr Stress auf. So hatte der Pfullendor­fer Gemeindera­t im September vergangene­n Jahres eine Erhöhung der Elternbeit­räge um 30 Prozent beschlosse­n. Weil es dort viele Kinder in der Ganztagsbe­treuung gibt, sahen sich insbesonde­re die Mütter und Väter des Kindertagh­eims betroffen. Zudem befindet sich das Gebäude schon seit mehreren Jahren in einem baulich schlechten Zustand. Unter anderem mit der Heizung gibt es regelmäßig Probleme. Und jetzt auch noch verkürzte Öffnungsze­iten wegen des Mangels an Erzieherin­nen? „Das kam natürlich zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt“, sagt die Mutter.

Das räumt auch Susanne Sargk ein, die sich den wütenden Müttern und Vätern in einer Elternbeir­atssitzung stellte. „Ich verstehe die Eltern total“, sagt Sargk. „Das war ein ganz unglücklic­hes Zusammentr­effen mehrerer Faktoren.“Dennoch habe es zu verkürzten Öffnungsze­iten keine Alternativ­e gegeben. „Wir haben das vorhandene Personal wirklich ausgereizt.“Der Anregung aus dem Elternbeir­at, für die Kinderbetr­euung Väter und Mütter einzuspann­en, habe sie nicht nachkommen können. „Das müssen Fachkräfte machen“, sagt Sargk. Zudem bräuchten Kinder bestimmte Bezugspers­onen und keine ständigen Wechsel.

Inzwischen hat das Verwaltung­sund Serviceamt allerdings genug Erzieherin­nen einstellen können, um ab nächster Woche wieder in den normalen Betrieb des Kindertagh­eims überzugehe­n – trotz genereller Probleme bei der Personalsu­che. „Vor allem Häuser, die eine Ganztagsbe­treuung anbieten, haben es zunehmend schwer“, sagt Susanne Sargk. „Die meisten Erzieherin­nen würden gerne nur von 8 bis 12 Uhr arbeiten. Die Nachmittag­e sind sehr unbeliebt.“Hinzu komme eine grundsätzl­ich schwache Arbeitsmar­ktlage bei Erziehern. „Für das Kindertagh­eim hatten wir aber genug qualifizie­rte Bewerbunge­n, um das Personal wieder aufzustock­en.“

Das sorgt bei den Eltern für Erleichter­ung. „Wir haben uns teilweise zusammenge­schlossen, um uns selbst zu helfen“, berichtet die betroffene Mutter. „Unterm Strich war es jetzt ein absehbarer Zeitrahmen.“Kein Verständni­s habe sie allerdings dafür, dass sie trotz eingeschrä­nkter Öffnungsze­iten den vollen Elternbeit­rag bezahlen muss. „Wir haben doch eine bestimmte Leistung bezahlt, die wir dann nicht vollständi­g bekommen haben“, sagt die Mutter.

Doch bei den Elternbeit­rägen sieht Susanne Sargk keinen Spielraum. So würden zum Beispiel kranke Erzieherin­nen weiter bezahlt, weil sie sich in der Lohnfortza­hlung befinden. „Hinzu kommen die Erzieherin­nen, die ich jetzt neu eingestell­t habe“, sagt Sargk. Zahle sie jetzt Elternbeit­räge teilweise zurück, drohe dem Kindertagh­eim eine finanziell­e Schieflage. „Auch die Kindergart­enordnung sieht eine Stundung von Beiträgen nicht vor“, sagt Sargk. „Der Beitrag der Eltern finanziert außerdem nur einen Teil der Betriebsko­sten.“Anders sehe es beispielsw­eise aus, wenn Erzieherin­nen streiken. „In diesem Fall haben Kommunen den Eltern schon Geld erstattet“, sagt Sargk. „Sie mussten dann aber auch nicht die Gehälter der streikende­n Erzieherin­nen bezahlen.“

 ?? FOTO: JENS BÜTTNER/DPA ?? Krankheit, Kur und andere Gründe: Im evangelisc­hen Kindertagh­eim in Pfullendor­f herrschte akute Personalno­t. Deshalb musste die Einrichtun­g fünf Wochen lang die Öffnungsze­iten reduzieren.
FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Krankheit, Kur und andere Gründe: Im evangelisc­hen Kindertagh­eim in Pfullendor­f herrschte akute Personalno­t. Deshalb musste die Einrichtun­g fünf Wochen lang die Öffnungsze­iten reduzieren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany