Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Die Liebe wächst nach Schicksalsschlägen
Lydia und Johann Derksen feiern goldene Hochzeit – Sie verliert ihr Auge, er hat zwei Schlaganfälle
BAD SAULGAU - Sie kennen sich schon seit ihrer Kindheit, sind zusammen zur Schule gegangen, haben dieselbe Klasse besucht. Lydia und Johann Derksen aus Bad Saulgau mussten nicht lange suchen, um den Partner fürs Leben zu finden. Heute feiert das Paar goldene Hochzeit.
Anfangs sei er sehr frech gewesen, lächelt Lydia Derksen (68). Später habe sich das jedoch grundlegend geändert. Sie sind ein ungleiches Paar, weil sie ihren Mann um Haupteslänge überragt. „Als ob das wichtig wäre. Uns war es egal. Er sah so gut aus.“Sie stockt einen Moment, fügt dann hinzu: „Auch ich war schließlich nicht perfekt.“Bei einem Unfall mit einer Schere hatte sie im Alter von vier Jahren das rechte Auge verloren. Die beiden sind in Karaganda (Kasachstan) als Kinder deutschstämmiger Familien aufgewachsen und verstanden ausgezeichnet Deutsch. Als sie vor 24 Jahren mit ihren zwei Söhnen nach Deutschland kamen, absolvierten sie deshalb zunächst einen sechsmonatigen Sprachkurs. Johann Derksen fand Arbeit bei Tegometall in Sauldorf, ebenso die Söhne.
Pflegebedürftige Mutter
Lydia Derksen führte einem älteren Ehepaar in Sigmaringen den Haushalt, manchmal sogar am Wochenende. Die beiden waren sehr krank, und als sie eines Morgens zur Arbeit erschien, sagte man ihr, beide seien in der gleichen Nacht gestorben. In den folgenden Jahren kümmerte sich Lydia Derksen um ihre unterdessen pflegebedürftige Mutter bis zu deren Tod. Im Jahr 2000 kam Johann Derksen eines Nachts nicht von der Spätschicht heim. Er hatte am Steuer einen Schlaganfall erlitten und war mit dem Auto von der Straße abgekommen. Nach Krankenhaus und Reha trainierte er hart, immer schon war er eine Kämpfernatur. Zeitlebens war er sehr sportlich: Skiwanderungen im Hochgebirge, Eisschwimmen, ausgedehnte Radtouren und Angeln zählten zu seinen Freizeitaktivitäten. Nie war er krank gewesen und nun plötzlich arbeitsunfähig.
Seine Frau arbeitete inzwischen auf dem Dornahof in Altshausen, wo sie Lampen montierte. 2011 kam es zu einem zweiten Schlaganfall, als Johann Derksen soeben mit seinem dreijährigen Enkel zu einem Spaziergang aufbrechen wollte. Wieder folgten Krankenhausaufenthalt und Reha, doch seitdem kann er sich nur noch mit Rollator fortbewegen, leidet an Schluckstörungen und auch das Sprechen bereitet ihm große Mühe. Sonntags fährt er mit seinem Scooter zur Kirche.
Lydia Derksen ist mittlerweile auch in Rente und kümmert sich liebevoll um ihren Mann. Trotz aller Schicksalsschläge seien sie mit ihrem Leben zufrieden, sagt sie. Nach 50 Ehejahren liebten sie einander sehr, und Heimweh nach Kasachstan hätten sie nie gehabt.