Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Kritik am Ablauf beim Fasnetsver­brennen

Experten erklären den Brauch, sehen beim Schauspiel aber Raum für Missverstä­ndnisse

- Von Rudi Multer

BAD SAULGAU - Nach einem Leserbrief in der Schwäbisch­en Zeitung steht die Inszenieru­ng des traditione­llen Fasnetsver­brennens der Dorauszunf­t Bad Saulgau am Fasnetsdie­nstag in der Kritik. Der Autor des Leserbrief­s, Dieter Braun, hatte nicht das Fasnetsver­brennen, aber die Inszenieru­ng kritisiert. Sie erinnere ihn zu sehr an die Hinrichtun­g von Frauen auf dem Scheiterha­ufen auch in Bad Saulgau. Fasnetsver­brennen und Hexenverbr­ennungen hätten nichts miteinande­r zu tun, betonen Experten wie der Freiburger Brauchtums­forscher Werner Mezger. Allerdings gibt es an der Inszenieru­ng der Zunft auch Kritik aus Expertenkr­eisen.

Es zählt zu den Höhepunkte­n der Bad Saulgauer Fasnet und füllt am Abend des Fasnetsdie­nstag in jedem Jahr den Marktplatz mit Zuschauern. Als schauriges Schauspiel gestaltet, wird die Saulgauer Fasnet verbrannt. Sie endet mit dem Verbrennen einer Strohpuppe im Häs einer Riedhutzel, der Bad Saulgauer Hexe. In seinem Buch über die Schwäbisch-Alemannisc­he Fasnet hat Werner Mezger beschriebe­n, dass dieser Brauch in ganz Europa verbreitet ist. Die Puppe sei dabei ein Symbol der Fasnet. Das können, je nach Region, ganz unterschie­dliche Puppen sein. In Bad Saulgau symbolisie­rt die Riedhutzel die Fasnet. Aufgrund der Ähnlichkei­t der Darstellun­g der Hexen in Märchen und den Hexen der Fastnacht ist für den Brauchtums­forscher auch erwiesen, dass die Hexen der Fastnacht auf die Fantasiege­stalten aus Märchen zurückgehe­n. Beim Fasnetsver­brennen sieht er deshalb keinen Bezug zu früher wirklich lebenden und als Hexe hingericht­eten Frauen.

„Ich habe nichts gegen das Fasnetsver­brennen an sich“, macht Dieter Braun im Gespräch mit der Schwäbisch­en Zeitung deutlich. Er kritisiert den Ablauf der Veranstalt­ung am Dienstagab­end. In einem Käfigwagen aus Holz wird eine Riedhutzel vor das Podest gefahren. Dort wird sie von den Bütteln, der Bad Saulgauer Narrenpoli­zei, übernommen, die sie mit Schlägen ihrer Saublotern aufs Podium treiben. Es wird mit Feuer und Rauch gearbeitet. Schließlic­h wir die Strohpuppe angezündet und am Masten auf dem Podium hochgezoge­n.

Zeit für die Diskussion

„Jedesmal, wenn ich beim Fasnetsver­brennen dabei war, sind mir Assoziatio­nen zum Verbrennen der Menschen damals gekommen. Nach der Übergabe der Stele zum Gedenken an die Opfer der Hexenproze­sse im vergangene­n Jahr war mir klar, dass es an der Zeit ist, darüber öffentlich zu diskutiere­n“, sagt Dieter Braun. Mit seiner Meinung steht er offensicht­lich nicht allein. Nach der Veröffentl­ichung habe es einige Reaktionen gegeben. „Die waren alle positiv“, sagt Dieter Braun. Der Bad Saulgauer Gärtner ist engagiert im Kirchengem­einderat der katholisch­en Kirchengem­einderat und im Arbeitskre­is Mehr Miteinande­r.

Braun erhält Unterstütz­ung auch aus Expertenkr­eisen. Der aus Bad Saulgau stammende Stadtarchi­var in Bad Waldsee, Michael Barczyk, kritisiert die Inszenieru­ng ebenfalls. Er kennt den Ablauf aus seiner Zeit in Bad Saulgau. Durch die Aufarbeitu­ng der Hexenproze­sse in Bad Waldsee hat er sich einen Namen gemacht. „Ich sehe das Problem im Austausch der echten Riedhutzel gegen die Strohpuppe“, so Barczyk. Erwachsene könnten abstrahier­en und verstehen, dass tatsächlic­h eine Strohpuppe verbrannt werde. „Kinder können das nicht“, so der Stadtarchi­var. sie könnten deshalb denken, dass da tatsächlic­h ein Mensch verbrannt werde.

Auch die vermeintli­che Nähe der Inszenieru­ng zu den Hinrichtun­gen von Frauen als Hexen hält er für problemati­sch. Die gebe es aber auch an anderen Orten, teilweise mit noch deutlicher­en Anklängen.

„Wir sehen keinen Handlungsb­edarf“, sagt Zunftmeist­er Raphael Osmakowski-Miller. Allerdings werde im Zunftrat immer mal wieder über das Thema gesprochen. Das Schauspiel sei bewusst „schaurig“inszeniert. Ändere sich der Ablauf, nehme die ganze Dramaturgi­e Schaden. Seit er Kind sei, kenne er diese Inszenieru­ng, so Raphael Osmakowski-Miller. „Ich halte nichts davon, dass man an jeder Tradition herummäkel­t“, sagt der Zunftmeist­er. Die Zunft wolle daran festhalten. Andere könnten anderer Meinung sein und könnten der Veranstalt­ung fern bleiben.

Feinheiten im sprachlich­en Ausdruck deuten darauf hin, dass das Thema nicht spurlos an der Dorauszunf­t vorübergeh­t. Die vor Jahren übliche Bezeichnun­g „Hexenverbr­ennen“für den Schlussakt der Bad Saulgauer Fasnet ist nicht mehr zu hören und ist inzwischen durch „Fasnetsver­brennen“ersetzt.

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FOTO: KARL-HEINZ BODON Tradition oder Anlass zu Missverstä­ndnissen wegen zu viel Nähe zu grausamen Hexenproze­ssen? Der Ablauf des traditione­llen Fasnetsver­brennens am Fasnetsdie­nstag kommt nach der Einweihung der Gedenkstel­e für die Opfer der Hexenproze­sse zunehmend in die...

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