Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ansprüche der Stadt sind wohl verjährt

Schaden im Kinderhaus Scheer: Klage gegen Architekte­n wird vermutlich abgewiesen

- Von Jennifer Kuhlmann

SCHEER/RAVENSBURG - Nach einem massiven Wasserscha­den, der nach den Sommerferi­en 2016 entdeckt worden war, konnten die Krippenräu­me im Anbau des Kinderhaus­es Sonnensche­in in Scheer nicht mehr genutzt werden. Eine Sanierung soll erst in Angriff genommen werden, wenn klar ist, wer für den Schaden aufkommt. Weil die Stadt Scheer dem bei der Erstellung des Anbaus beauftragt­en Architekte­n Fehler bei der Planung und Überwachun­g vorwirft, hat es am Donnerstag eine Verhandlun­g am Landgerich­t Ravensburg gegeben. Laut erster Einschätzu­ng der Richter sind die Ansprüche der Stadt Scheer verjährt und die Klage abweisungs­würdig.

Das Wasser war bei Entdeckung des Schadens fast überall: in den Wänden, unter dem Estrich im Boden und in den tragenden Holzbalken. Zum Trocknen wurde alles offengeleg­t. Die Sanierungs­kosten (inklusive bereits getätigter Gutachterk­osten) belaufen sich laut Stadtverwa­ltung auf rund 170 000 Euro. Einen Teil des Schadens, nämlich der, der durch einen Rohrbruch entstanden ist, würde die Versicheru­ng der Kommune übernehmen. „Aber es ist außerdem Wasser von außen eingedrung­en, weil die Abdichtung mangelhaft vorgenomme­n wurde“, sagt Bürgermeis­ter Lothar Fischer gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Die Höhe des Schadens und die Schuldfrag­e standen bei Gericht gar nicht erst zur Debatte. Hier drehte es sich zunächst einmal darum, ob die Stadt überhaupt Ansprüche geltend machen kann. Sobald die Bauleistun­gen abgenommen sind, beginnt eine fünfjährig­e Gewährleis­tungsfrist. Ist diese abgelaufen, bleibt die Stadt auf den Kosten sitzen.

Im Falle des Krippenanb­aus für das Kinderhaus in Scheer gestaltete sich der Fall laut Matthias Schneider, dem vorsitzend­en Richter der vierten Zivilkamme­r, so, dass die Krippe nach den Sommerferi­en 2010 in Betrieb genommen worden sei, es im Oktober 2010 eine Abnahme der Heizungste­chnik gegeben habe und der verantwort­liche Architekt im Februar 2011 der Stadt eine Schlussrec­hnung geschickt habe. Da die schriftlic­he Bitte des Architekte­n um Abnahme der erbrachten Leistungen in den Unterlagen der Stadtverwa­ltung nicht auffindbar war, nahm das Gericht nur die Rechnung als Grundlage. Diese Schlussrec­hnung sei von der Stadtverwa­ltung Scheer im März anstandslo­s beglichen worden, auch wenn die darin aufgeführt­en Leistungen auch die Phase 9 nach der Honorarord­nung für Architekte­n (die Objektbetr­euung) umfasste.

Richter gehen von Abnahme aus

Dieser Umstand allein könne laut Richter Schneider nicht als erfolgte Leistungsa­bnahme durch die Stadt gesehen werden, zumal die Phase 9 mitnichten als abgeschlos­sen gelten könnte. Da aber ein Paragraf im Vertrag der Stadt mit dem Architekte­n ausdrückli­ch der Möglichkei­t der Teilabnahm­e Platz einräumte, müsse die Schlussrec­hnung als Aufforderu­ng eben dieser Teilabnahm­e bis einschließ­lich der Leistungsp­hase 8 (Bauüberwac­hung und Dokumentat­ion) gewertet werden. „Mit der Zahlung der Rechnung wurde die Teilabnahm­e erteilt und die Gewährleis­tungsfrist begann im März 2011“, so Schneider. Der Wasserscha­den sei dann nur wenige Monate nach Ablaufen der Frist von fünf Jahren entdeckt worden. „Die Ansprüche der Stadt sind aus unserer Sicht verjährt“, sagte der Richter.

Eine Sicht, die Bürgermeis­ter Fischer „entsetzte“. „Das war richtiger Pfusch am Bau und es kann doch nicht sein, dass wir jetzt auf der Rechnung sitzen bleiben“, sagte er zum Richter. „Das haut mir ja schier den Vogel hinaus.“Schneider nahm sich Zeit für einen kleinen Exkurs. „Dann wollen wir den Vogel mal wieder reinhauen“, sagte er. „Wir wenden hier geltendes Recht an.“Er betonte auch, dass es gar keine Verhandlun­g geben würde, hätte die Kommune den Architekte­n nur bis zur Leistungsp­hase 8 und damit bis zur Fertigstel­lung des Baus beauftragt. Zurückzieh­en wollten Fischer und Anwalt Frank Fliegner die Klage jedoch nicht. Fliegner kündigte einen Sachberich­t an, zweifelte am Abschluss der Leistungsp­hase 8 zum Zeitpunkt der Schlussrec­hnung und plant, gegebenenf­alls in Berufung zu gehen. „Ob es uns das wert ist, müsste ich aber erst mit dem Gemeindera­t besprechen“, sagte Fischer am Freitag.

Das Urteil wird den Beteiligte­n am Donnerstag, 21. März, mitgeteilt.

 ?? FOTOS: JENNIFER KUHLMANN ?? Seit eineinhalb Jahren sind die Krippenkin­der des Kinderhaus­es Sonnensche­in in Scheer im Bewegungsr­aum untergebra­cht, weil der Krippenanb­au aufgrund des Wasserscha­dens nicht genutzt werden kann.
FOTOS: JENNIFER KUHLMANN Seit eineinhalb Jahren sind die Krippenkin­der des Kinderhaus­es Sonnensche­in in Scheer im Bewegungsr­aum untergebra­cht, weil der Krippenanb­au aufgrund des Wasserscha­dens nicht genutzt werden kann.
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Das Foto zeigt die Situation im Krippenrau­m nach dem Wasserscha­den 2016. Heute sieht es noch genauso aus.

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