Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Ansprüche der Stadt sind wohl verjährt
Schaden im Kinderhaus Scheer: Klage gegen Architekten wird vermutlich abgewiesen
SCHEER/RAVENSBURG - Nach einem massiven Wasserschaden, der nach den Sommerferien 2016 entdeckt worden war, konnten die Krippenräume im Anbau des Kinderhauses Sonnenschein in Scheer nicht mehr genutzt werden. Eine Sanierung soll erst in Angriff genommen werden, wenn klar ist, wer für den Schaden aufkommt. Weil die Stadt Scheer dem bei der Erstellung des Anbaus beauftragten Architekten Fehler bei der Planung und Überwachung vorwirft, hat es am Donnerstag eine Verhandlung am Landgericht Ravensburg gegeben. Laut erster Einschätzung der Richter sind die Ansprüche der Stadt Scheer verjährt und die Klage abweisungswürdig.
Das Wasser war bei Entdeckung des Schadens fast überall: in den Wänden, unter dem Estrich im Boden und in den tragenden Holzbalken. Zum Trocknen wurde alles offengelegt. Die Sanierungskosten (inklusive bereits getätigter Gutachterkosten) belaufen sich laut Stadtverwaltung auf rund 170 000 Euro. Einen Teil des Schadens, nämlich der, der durch einen Rohrbruch entstanden ist, würde die Versicherung der Kommune übernehmen. „Aber es ist außerdem Wasser von außen eingedrungen, weil die Abdichtung mangelhaft vorgenommen wurde“, sagt Bürgermeister Lothar Fischer gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“.
Die Höhe des Schadens und die Schuldfrage standen bei Gericht gar nicht erst zur Debatte. Hier drehte es sich zunächst einmal darum, ob die Stadt überhaupt Ansprüche geltend machen kann. Sobald die Bauleistungen abgenommen sind, beginnt eine fünfjährige Gewährleistungsfrist. Ist diese abgelaufen, bleibt die Stadt auf den Kosten sitzen.
Im Falle des Krippenanbaus für das Kinderhaus in Scheer gestaltete sich der Fall laut Matthias Schneider, dem vorsitzenden Richter der vierten Zivilkammer, so, dass die Krippe nach den Sommerferien 2010 in Betrieb genommen worden sei, es im Oktober 2010 eine Abnahme der Heizungstechnik gegeben habe und der verantwortliche Architekt im Februar 2011 der Stadt eine Schlussrechnung geschickt habe. Da die schriftliche Bitte des Architekten um Abnahme der erbrachten Leistungen in den Unterlagen der Stadtverwaltung nicht auffindbar war, nahm das Gericht nur die Rechnung als Grundlage. Diese Schlussrechnung sei von der Stadtverwaltung Scheer im März anstandslos beglichen worden, auch wenn die darin aufgeführten Leistungen auch die Phase 9 nach der Honorarordnung für Architekten (die Objektbetreuung) umfasste.
Richter gehen von Abnahme aus
Dieser Umstand allein könne laut Richter Schneider nicht als erfolgte Leistungsabnahme durch die Stadt gesehen werden, zumal die Phase 9 mitnichten als abgeschlossen gelten könnte. Da aber ein Paragraf im Vertrag der Stadt mit dem Architekten ausdrücklich der Möglichkeit der Teilabnahme Platz einräumte, müsse die Schlussrechnung als Aufforderung eben dieser Teilabnahme bis einschließlich der Leistungsphase 8 (Bauüberwachung und Dokumentation) gewertet werden. „Mit der Zahlung der Rechnung wurde die Teilabnahme erteilt und die Gewährleistungsfrist begann im März 2011“, so Schneider. Der Wasserschaden sei dann nur wenige Monate nach Ablaufen der Frist von fünf Jahren entdeckt worden. „Die Ansprüche der Stadt sind aus unserer Sicht verjährt“, sagte der Richter.
Eine Sicht, die Bürgermeister Fischer „entsetzte“. „Das war richtiger Pfusch am Bau und es kann doch nicht sein, dass wir jetzt auf der Rechnung sitzen bleiben“, sagte er zum Richter. „Das haut mir ja schier den Vogel hinaus.“Schneider nahm sich Zeit für einen kleinen Exkurs. „Dann wollen wir den Vogel mal wieder reinhauen“, sagte er. „Wir wenden hier geltendes Recht an.“Er betonte auch, dass es gar keine Verhandlung geben würde, hätte die Kommune den Architekten nur bis zur Leistungsphase 8 und damit bis zur Fertigstellung des Baus beauftragt. Zurückziehen wollten Fischer und Anwalt Frank Fliegner die Klage jedoch nicht. Fliegner kündigte einen Sachbericht an, zweifelte am Abschluss der Leistungsphase 8 zum Zeitpunkt der Schlussrechnung und plant, gegebenenfalls in Berufung zu gehen. „Ob es uns das wert ist, müsste ich aber erst mit dem Gemeinderat besprechen“, sagte Fischer am Freitag.
Das Urteil wird den Beteiligten am Donnerstag, 21. März, mitgeteilt.