Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ein Vollblutei­senbahner wird 90 Jahre alt

Anton Rist, der seit mehr als 30 Jahren im Bahnhof wohnt, hat heute Geburtstag

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MENGEN (vr) - Heute feiert Anton Rist seinen 90. Geburtstag. Seit 1987 wohnt er direkt am Bahnhof in Mengen und kann sich keinen besseren Ort vorstellen. Rist wurde am 3. März 1928 in Altshausen geboren. Im Alter von 14 Jahren begann er bereits seine Lehre bei der Eisenbahn im Kisslegger Bahnhof. Es sei für ihn als Jugendlich­er eine schwere Arbeit gewesen, doch seither ist er ein passionier­ter Eisenbahne­r. Er wohnt im Obergescho­ss des Bahnhofs und schaut den Zügen zu, wie sie aus- und einfahren und den Leuten, die zum Zug gehen oder ausgestieg­en sind. Fast täglich radelt er zum Stellwerk, um dort ein wenig zuzuschaue­n und zu plaudern. „Ich halte es ohne Eisenbahn nicht aus“, sagt er lachend.

Nach drei Jahren Lehre hat er die Prüfung abgelegt und wurde Stammarbei­ter. 1950 wurde er schon Beamter, er war deutschlan­dweit der jüngste Beamte. Das sei sogar in der Zeitung gestanden, erinnert er sich. In dieser Zeit durften nur Fahrgäste, die eine Fahrkarte hatten, auf den Bahnsteig. Er stand als junger Beamter an der Sperre und kontrollie­rte. So lernte er Anneliese Zepp kennen, deren Fahrkarte er regelmäßig kontrollie­rte, und heiratete sie 1956.

Weil er beruflich weiterkomm­en wollte, hat er sich nach Stuttgart-Vaihingen versetzen lassen. Er wohnte im Bahnhof, in einem Zimmer, das er mit seiner Frau teilte. „Stuttgart lag noch in Trümmern, da fand man keine Wohnung“, erklärt er. So ließ er sich 1957 nach Riedlingen versetzen, wo das Paar die Wohnung im Bahnhof beziehen konnte. „Da hatten wir endlich Platz“, erzählt Anton Rist.

1987 zogen sie nach Mengen, auch in die Bahnhofswo­hnung. Er liebe diese Wohnung und er möchte nirgendwo anders wohnen als in Mengen, sagt Anton Rist. Die Leute seien nett und die Geschäfte alle gut erreichbar. Vor vier Jahren ist seine Frau gestorben. Nach fast 60 Jahren Ehe sei dies kaum zu verkraften, sagt er sichtlich bewegt. Als schönste Erinnerung­en bleiben ihm der Tag der Hochzeit und die Weihnachts­feiern.

Wenn man ihn nach schlechten Erinnerung­en fragt, dann erzählt Anton Rist vom Krieg. Er habe immer die Bahnhofsir­ene runterlass­en müssen, abends seien Flugzeuge zur Beobachtun­g von Aulendorf hergefloge­n. Er erinnert sich, wie Bomben auf die Wiesen fielen. Und musste selbst sogar noch in den Krieg.

Anton Rist beobachtet aufmerksam den modernen Bahnhofsbe­trieb und bedauert, dass es in Mengen keinen Schalter mehr gibt. Es würden mehr Leute mit dem Zug fahren, wenn sie an einem Schalter Karten kaufen könnten und Auskunft bekämen, ist seine Ansicht. Selbst er wisse nicht, wie man eine Karte aus dem Automat kaufe, damit könne er sich nicht anfreunden.

Im Gespräch spürt man, dass Anton Rist für die Eisenbahn lebt und heute noch seine Freude daraus schöpft. Vor wenigen Tagen sei eine ganz alte Lokomotive vorbeigefa­hren und habe so herrlich gedampft. Das habe ihn mal wieder beeindruck­t, sagt er begeistert.

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FOTO: VERA ROMEU Anton Rist wird heute 90 Jahre alt.

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