Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Supermarkt-Erpresser: Anklage wegen versuchter Tötung
Die Ermittlungen dauern an – Mann sitzt wegen Suizidgefahr im Gefängniskrankenhaus in Untersuchungshaft
FRIEDRICHSHAFEN (fh/sz) - Die Staatsanwaltschaft Ravensburg will den Supermarkt-Erpresser aus Friedrichshafen wegen eines versuchten Tötungsdelikts anklagen. Der Mann hatte im September 2017 in verschiedenen Geschäften insgesamt fünf vergiftete Gläschen mit Babynahrung deponiert.
Ein bewegtes Jahr liegt hinter der Staatsanwaltschaft Ravensburg. Die Strafverfolgungsbehörde beschäftigt besonders, unter den insgesamt 24 810 Delikten, die Babybrei-Erpressung in Friedrichshafen. „Einen solchen Fall habe ich in mehr als 20 Jahren noch nicht erlebt“, sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Alexander Boger bei einem Pressegespräch.
Der Fall sorgte bundesweit für Schlagzeilen: Ein 53 Jahre alter Mann hatte damit gedroht, 20 vergiftete Lebensmittel in Umlauf zu bringen. In einer E-Mail an verschiedene Lebensmittelkonzerne und Drogeriemärkte in Deutschland forderte er 11,75 Millionen Euro.
Dabei ging der Täter planvoll, berechnend und gezielt vor. Für sein Verbrechen wählte der Erpresser das maximal mögliche Drohszenario, indem er kurz vor Ladenschluss vergiftete Babynahrung in Häfler Supermärkte einschleuste. Der Unbekannte hatte mit fünf vergifteten Gläschen gedroht, die die Polizei schnell ausfindig machen konnte. In einem der Märkte entdeckte beispielsweise ein aufmerksamer Mitarbeiter ein verdächtiges Glas, nachdem die Polizei die Geschäftsführer vorab über die Drohung informiert hatte.
Die Polizei bildete nach dem Fund der vergifteten Gläschen in Friedrichshafen eine Sonderkommission von rund 220 Beamten und leitete eine bundesweite Fahndung ein. In vielen Supermärkten blieben derweil die Regale mit Babybrei leer: aus Angst vor neuem Gift und wohl auch, weil er in diesen Tagen praktisch unverkäuflich war. Nachdem die Polizei Bilder einer Überwachungskamera an die Öffentlichkeit gab, erhielt sie Hunderte Hinweise aus der Bevölkerung. Einige von ihnen führten schließlich zum Täter. Fast zwei Wochen nachdem er die Gläser mit dem Gift ausgelegt hatte, nahm die Polizei den Babybrei-Erpresser fest. Aufgefallen war der Mann, als er Turnschuhe und einen Laptop in einem Kleidercontainer entsorgen wollte. Der Supermarkt-Erpresser entpuppte sich als gescheiterte Existenz aus Ofterdingen bei Tübingen.
Inzwischen ist klar, wie real die Gefahr war: Die Gläschen enthielten eine solche Menge an Ethylenglykol (ein Kühlerfrostschutzmittel für Autos), dass der Verzehr tödlich gewesen wäre. Die Anklage vor dem Ravensburger Landgericht wird deshalb auch auf versuchte Tötung hinauslaufen. Noch dauern aber die Ermittlungen an, sagte Oberstaatsanwalt Karl-Josef Diehl.
Laut der Ersten Staatsanwältin Christine Weiss stehen noch kriminaltechnische Untersuchungen und das psychiatrische Gutachten des Täters aus. Der Mann sitzt wegen Suizidgefahr im Gefängniskrankenhaus in Untersuchungshaft.