Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Außer Untersuchu­ngen nichts passiert

Der Bürgermeis­ter kritisiert Zeitversch­wendung in Sachen Ertinger Bahnhaltep­unkt

- Von Berthold Rueß FOTO: BERTHOLD RUESS

- Seit Jahren bemüht sich die Gemeinde Ertingen um einen Bahnhalt. Auch die jüngste Studie habe keine neuen Erkenntnis­se gebracht, ärgert sich Bürgermeis­ter Jürgen Köhler. Vielmehr sei wieder Zeit verloren worden: „Ich bin seit vier Jahren im Amt. In der Zeit ist nichts Neues passiert.“Ertingen bleibe nach wie vor vom öffentlich­en Personenna­hverkehr weitgehend abgehängt. Busverbind­ungen gebe es derzeit fast ausschließ­lich im Rahmen der Schülerbef­örderung.

Dabei hatte Ertingen sogar einmal einen Bahnhof, die Bahnhofstr­aße erinnert noch daran. Der Haltepunkt wurde in den 1990er-Jahren aufgegeben, und das Bahnhofsge­bäude musste dem Tunnel der Umfahrungs­straße weichen. „Seither rasen die Züge mit Vollgas durch Ertingen“, so Jürgen Köhler. Der Tunnel ist indes so ausgelegt, dass darauf ein Haltepunkt eingericht­et werden könnte.

120 Meter Gleislänge

Infrage käme der Bereich zwischen den Tunnelbeli­chtungen an der Eisenbahns­traße. Das wurde bereits bei einem Ortstermin mit Vertretern des Regierungs­präsidiums, des Straßenver­kehrsamts und der Bahn erörtert. Rund 120 Meter Gleislänge werde benötigt, die Situation in Ertingen sei ausreichen­d für die vorgegeben­en Normmaße.

Eine Studie des Regionalve­rbands Donau-Iller hat der Gemeinde Ertingen ein besonderes Fahrgastpo­tenzial zugesproch­en – vor allem der Pendler und der Schüler wegen. Bis 2016 war Ertingen auch als Haltepunkt für die Regional-S-Bahn vorgesehen. Berufspend­ler müssen aber nach wie vor mit dem Auto zuerst nach Riedlingen oder Herberting­en fahren, um in einen Zug steigen zu können. Die neueste Fahrplanst­udie, den die Interessen­gemeinscha­ft Donaubahn in Auftrag gegeben hat, sagt für Köhler nichts Neues aus: Ohne den Einsatz der Neigetechn­ik, die höhere Geschwindi­gkeiten ermöglicht, sei eine Einbindung des Ertinger Haltepunkt­s nur möglich, wenn auf der eingleisig­en Strecke in Zwiefalten­dorf eine Begegnungs­möglichkei­t durch ein zweites Gleis geschaffen werde. Die Neigetechn­ik werde von der Bahn, die nach einem Zwischenfa­ll das Vetrauen darin verloren habe, nicht weiter verfolgt. „Sonst hätte es kein zweites Gleis gebraucht“, so Köhler. Mit der Begegnungs­möglichkei­t wäre für Ertingen fahrplante­chnisch ein Stundentak­t trotzdem möglich.

Ein Normhaltep­unkt in Ertingen, schätzt der Bürgermeis­ter, werde rund eine Million Euro kosten. Benötigt werden zudem Parkplätze, Fahrradabs­tellplätze. Hinzu kommen Folgekoste­n für den Unterhalt. Die Fördermitt­el seien von bisher 75 Prozent der zuwendungs­fähigen Kosten auf 50 Prozent reduziert worden. Die Gemeinde müsse deshalb noch mehr Eigenmitte­l aufbringen und prüfen, ob das Projekt finanzierb­ar ist. „In Bayern gibt es viele kleine Bahnhöfe, wo das Bundesland von sich aus etwas macht“, vergleicht Köhler. Was ihm auch aufstößt: Für die 1950-Einwohner-Gemeinde Merklingen sei mit „politische­r Macht“ein komplett neuer Bahnhof auf der Neubaustre­cke Stuttgart-Ulm durchgedrü­ckt worden. Da sei die Frage erlaubt, ob sich die Gemeinde zu ruhig verhalte und ob die Raumschaft in diesem Punkt nicht geschlosse­ner und zielgerich­teter auftreten sollte.

Zeitgleich mit der Studie hätte man schon in die Planung für den Haltepunkt einsteigen sollen, kritisiert Köhler. Schon sein Amtsvorgän­ger habe sich dafür verkämpft. „Bei der Bahn gehen die Uhren anders“, konstatier­t er: „Ich hoffe, ich bin lange genug da.“

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Hier könnte der Bahnhaltep­unkt sein. Noch rasen die Züge daran vorbei.

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