Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Verwirrendes Wahlrecht
Italien hat gewählt – traditionell auch noch spät am Abend. Ein amtliches Ergebnis wird es, wie immer, erst am Tag danach geben, also am heutigen Montag. Neu ist das vergangenen Oktober verabschiedete Wahlrecht. Die reformierten Regeln machen Vorhersagen des Ergebnisses noch schwieriger und verringern die Chance, dass eine Partei die absolute Mehrheit in einer der beiden Parlamentskammern erreicht. Absehbar war nach den letzten Umfragen lediglich, dass rechtspopulistische und europakritische Parteien starken Zulauf erhalten dürften. Es zeichnete sich ein Rennen zwischen dem von Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi geführten rechten Parteienbündnis, der Fünf-Sterne-Bewegung und dem Mitte-Links-Bündnis der Demokratischen Partei ab.
Unter dem komplexen Wahlsystem wird ein Drittel der Parlamentssitze nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben. Der Kandidat mit den meisten Stimmen in einem Wahlkreis zieht also ins Parlament ein. Die restlichen zwei Drittel werden per Verhältniswahl vergeben. Das neue Wahlrecht gilt für beide Kammern des italienischen Parlaments.
„Diese Wahl ist eine Lotterie“
Die größere der beiden, die Abgeordnetenkammer, besteht aus 630 Sitzen. Nach den Berechnungen des Wahlexperten Roberto D’Alimonte von der Luiss-Universität in Rom braucht eine Partei oder eine Koalition aus mehreren Parteien 40 Prozent der nach dem Verhältniswahlrecht vergebenen Stimmen und 70 Prozent der Direktmandate, um die absolute Mehrheit zu gewinnen. „Diese Wahl ist eine Lotterie“, schrieb D’Alimonte zuletzt in der Zeitung „Il Sole 24 Ore“. Für eine Mehrheit in der aus 315 Sitzen bestehenden zweiten Kammer, dem Senat, sind 50 Prozent der Stimmen in beiden Wahlverfahren notwendig. Beide Kammern sind in Italien gleichermaßen bedeutsam mit denselben Befugnissen, Gesetze zu verabschieden und zu verändern.
Um Mitglieder in die Abgeordnetenkammer zu entsenden, benötigt eine Partei mindestens drei Prozent der landesweiten Stimmen, ein Parteienbündnis zehn Prozent. Die Untergrenzen gelten auch für den Senat. Eine weitere Besonderheit hier: Das Wahlalter liegt bei 25 statt 18 Jahren.
Durch das neue Wahlrecht werden vor der Wahl geschlossene Parteienbündnisse begünstigt. Aus diesem Grund wähnt sich die Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo durch das Gesetz benachteiligt: Seit ihrer Gründung lehnt sie jegliche Kooperation mit anderen Parteien kategorisch ab. (AFP)