Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Wolf in Ostrach gesichtet

Ein Autofahrer filmt das Raubtier mit seinem Smartphone.

- Von Marc Dittmann

OSTRACH - Auf der Gemarkung der Gemeinde Ostrach ist ein Wolf gesichtet worden. Das geht aus einem Papier des Umweltmini­steriums in Stuttgart hervor, das an die Mitglieder der „Koordinati­onsgruppe Wolf“am 2. März herausgege­ben wurde. In der „Koordinati­onsgruppe Wolf“sind neben den zuständige­n Naturschut­zbehörden auch Naturschut­z-, Jagd- und Landnutzer­verbände vertreten, wie zum Beispiel die Forstliche Versuchs- und Forschungs­anstalt (FVA), aber auch die Nutztierve­rbände. Der Wolf wurde am Morgen des 24. Februar von einem Autofahrer in der Gemeinde Ostrach gesehen. Der Autofahrer filmte den Wolf mit seinem Smartphone, „wie er einige Meter neben der Straße entlang rannte und dann abdrehte“, heißt es in dem Papier. Ralf Heineken, Pressespre­cher des Umweltmini­steriums in Stuttgart, bestätigt die Sichtung. „Es handelt sich um einen C1-Nachweis und das bedeutet, dass es sich ganz sicher um einen Wolf handelt“, bestätigt Heineken. Im Papier mit dem Aktenzeich­en Az.: 728852.44 Wolf heißt es: Die FVA bewertet das Video in Abstimmung mit dem Dokumentat­ions- und Beratungsz­entrum des Bundes zum Wolf (DBBW) als C1-Nachweis für einen Wolf.“Wo genau der Wolf in Ostrach gesichtet wurde, kann Heineken nicht sagen. „Aber da es Gemeinde Ostrach heißt, gehe ich davon aus, dass es schon ziemlich nahe am Ort selbst war.“Auch Tobias Kolbeck, Sprecher des Landratsam­tes Sigmaringe­n, bestätigt die Sichtung.

Am 17. Februar, also vor rund zwei Wochen, wurde im Donautal der erste Wolf gesichtet, seit Canis lupus, so der lateinisch­e Name, nach BadenWürtt­emberg zurückgeke­hrt ist. Wie der Wildtierök­ologe Johannes Erretkamps von der Forstliche­n Versuchsun­d Forschungs­anstalt (FVA) in Freiburg damals sagte, könne man nicht sagen, ob sich der Wolf noch in der Region aufhalte. Dem scheint nun also so zu sein. „Es ist davon auszugehen, dass es sich bei dem gesichtete­n Tier um denselben Wolf handelt, der am 17. Februar dieses Jahres in der Gemeinde Beuron von einer Fotofalle fotografie­rt wurde“, sagt Heineken. Aber mit letzter Sicherheit lasse sich das natürlich nicht sagen, da keine genetische­n Spuren vorlägen. Heißt: Der Wolf hinterließ an einem Riss oder irgendwo sonst keinen genetische­n „Fingerabdr­uck“, also Haare, Speichel oder anderes verwertbar­es Material, der es erlaubt, das Tier eindeutig zu identifizi­eren.

Insgesamt wurden in den vergangene­n Jahren, seit der Rückkehr des Wolfes nach Deutschlan­d, 26-mal Wölfe in Baden-Württember­g gesichtet, fotografie­rt oder gefilmt. „Es ist aber nicht davon auszugehen, dass es sich dabei immer um verschiede­ne Tiere handelt. Wir gehen von insgesamt sechs verschiede­nen Tieren in den vergangene­n beiden Jahren aus. Derzeit sind es wahrschein­lich drei Wölfe, die in BadenWürtt­emberg umherstrei­fen“, sagt Heineken. Auch die Herkunft des Ostracher Tiers ist unklar. „Zwei von den drei derzeit in Frage kommenden Tieren kommen nach unseren Informatio­nen aus Niedersach­sen, eins aus dem nördlichen Italien“, sagt Heineken.

Es gibt auch „Problemwöl­fe“

Heineken tritt Panikmache entgegen und rät im Namen des Ministeriu­ms zum sachlichen Umgang mit dem Wolf. „Natürlich sind entspreche­nde Warnungen an die Nutztierve­rbände rausgegang­en. Aber Viehzüchte­r können ihre Tiere mit einem Elektrozau­n schützen, den sie bei der FVA ausleihen können. Soll es schnell gehen, sogar kostenlos.“Trotz allem reiße der Wolf in erster Linie Wildtiere, „und Menschen haben vor ihm ohnehin nichts zu befürchten, Hundebesit­zer leinen ihre Tier am besten an“, sagt Heineken und bestätigt so die Regel: Bevor der Mensch einen Wolf sieht, muss dies der Wolf zulassen. „Der Wolf ist ein geschützte­s Tier und man weiß nun, dass er da ist.“Die Beziehung des Menschen zum Wolf gilt seit Jahrhunder­ten als angespannt. Man spricht auch vom „Rotkäppche­n-Syndrom“, da Märchen und Filme das angeblich völlig zerrüttete Verhältnis belegen.

Trotzdem: Es gibt sie, die „Problemwöl­fe“, analog zu Bruno, dem „Problembär­en“. „Kurti“hieß der erste Wolf, der nach der Rückkehr der Wölfe nach Deutschlan­d geschossen oder, um im Amtsdeutsc­h zu bleiben, „entnommen“wurde. Solche Fälle entstehen, wenn sich Wölfe zu nahe an Menschen wagen. Oftmals geschehe das aber erst, wenn sie gefüttert würden, sagt Heineken und rät dringend davon ab. „Das geht nicht. Das darf man nicht.“In diesem Fall könne es nämlich sein, dass ein Wolf zu zahm werde, seine Scheu vor Menschen verliere. Dann lässt sich der Wolf auch durch entspreche­nde „Vergrämung­smaßnahmen“, sprich durch den Beschuss mit Gummiknüpp­eln nicht mehr vertreiben. Wie im Falle „Kurtis“, der – wohl als Welpe gefüttert – immer aufdringli­cher wurde, sich Spaziergän­gern näherte, einer Frau mit Kinderwage­n gefolgt sein soll und am Ende sogar einen Hund biss. Doch die Wahrschein­lichkeit, dass der Ostracher Wolf in der Gemarkung bleibt, ist ohnehin nicht allzu groß. Doch Heineken möchte dazu keine Prognose abgeben, stellt aber fest. „Es kann sein, dass ein Wolf in einer Nacht 60 Kilometer zurücklegt. Wir haben in Baden-Württember­g Waldgebiet­e die groß genug sind.

Ob ein Wolf aber bleibt, hängt von vielen Faktoren ab: Findet er genügend Nahrung? Eine Partnerin, einen Partner? Derzeit ist nicht viel über den Ostracher Wolf bekannt. Über den gegenwärti­gen Aufenthalt­sort wisse man nichts. „Das Video liegt dem Landkreis Sigmaringe­n leider nicht vor“, sagt Tobias Kolbeck, Pressespre­cher des Landratsam­tes Sigmaringe­n. Gut möglich, dass das Tier ohnehin schon über alle Berge ist.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE
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FOTO: PATRICK PLEUL Canis lupus, der Wolf, ist zurück, auch in Baden-Württember­g. Am 24. Februar wurde auch in Ostrach ein Tier gesichtet. Ein Autofahrer hat den Wolf sogar mit seinem Smartphone gefilmt.

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