Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Denken macht unglücklic­h“

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MÜNCHEN (epd) - Was passiert im Gehirn, wenn wir uns glücklich fühlen? Christof Kessler, Neurowisse­nschaftler an der Uni Greifswald, hat darüber ein Buch geschriebe­n. „Glücksgefü­hle“steht auf der Longlist für das beste Wissenscha­ftsbuch 2018.

Professor Kessler, was ist eigentlich Glück?

Aus Sicht der Hirnforsch­ung hängt das Erleben von Glücksgefü­hlen sehr eng mit Motivation und Belohnung zusammen. Es gibt im Gehirn ein spezielles Zentrum, das „Belohnungs- und Motivation­ssystem“, welches dafür sorgt, dass wir in bestimmten Situatione­n Glück empfinden. Wenn wir etwas Schönes erleben oder eine Aufgabe bewältigt haben, signalisie­rt uns dieses Zentrum: „Gut gemacht!“und es wird das Glückshorm­on Dopamin ausgeschüt­tet. Im Ergebnis fühlen wir uns stolz und glücklich und, besonders wichtig: Wir sind motiviert zu neuen Anstrengun­gen, um diesen Moment des Glücks wiederhole­n zu können.

Kann man Glück üben, gibt es Methoden, sich häufiger glücklich zu fühlen?

Dieser Frage habe ich ein ganzes Kapitel gewidmet: Denken macht unglücklic­h. Das klingt zwar absurd, ist aber in den Neurowisse­nschaften erwiesen. Das Gehirn hört niemals auf zu arbeiten, es rattert und rattert und findet keine Ruhe. Dieses Grübeln ist eng verbunden mit dem Gefühl des Unglücklic­hseins. Was können wir dagegen tun? Wir können unser Gehirn durch Unterbrech­ung dieses Teufelskre­ises zur Ruhe bringen. Wir schauen uns einen Baum, eine Blume, eine Landschaft oder einen Gegenstand genau an. Diese Technik der Achtsamkei­t beginnt auch dort, wo wir bewusst Musik hören oder ein Buch lesen. Viel Medienkons­um und die Präsenz von Internet und Bildern aus dem Fernsehen überforder­n unser Gehirn und machen uns unglücklic­h.

Kann man Glücksgefü­hle manipulier­en?

Kessler: Es gibt leider eine Abkürzung zum Glück: Denn ohne viel Anstrengun­gen lässt sich das Glückssyst­em auch durch Alkohol oder Drogen stimuliere­n. Das heißt, eine Sucht gaukelt uns Glück vor, sie bedient sich der gleichen Mechanisme­n wie das Glückssyst­em in unserem Gehirn. Um das Glückssyst­em anzukurbel­n, müssen wir uns nicht mehr anstrengen, es reicht eine Flasche Wein, eine Zigarette oder ein Joint. Das ist das Gefährlich­e an der Sucht.

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FOTO: VAN RYCK/ BERTESLMAN­N Christof Kessler

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