Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Drohne bringt „Fireflies“zur Freileitung
Manche Wasservögel kollidierten bislang über dem Vogelsee mit der Freileitung
RULFINGEN - Elegant hebt sich die Flugdrohne vom Boden. Pilot Václan Demeter steht einige Meter entfernt und steuert sie mit einer Fernbedienung, sein Kollege Jozef Augustín navigiert per Funkgerät. Schnell steigt die Drohne nach oben und befestigt einen „Firefly“, eine Art „Vogelabweiser“, an der 400 Meter langen 20 000-Volt-Freileitung, die den Vogelsee in Zielfingen überspannt. Das summende Geräusch, das sie dabei macht, erinnert an Bienen. Die Drohne sinkt wieder auf den Boden hinab und wird vom Navigator mit einem neuen „Firefly“bestückt, und wieder steigt sie in den Himmel Richtung der Freileitung: Dieses Schauspiel hat sich vielfach am Samstag beim und auch auf dem gefrorenen Vogelsee abgespielt. Der Bereich ist ein Vogelschutzgebiet.
„Fireflies“, frei übersetzt mit „Leuchtkäfer“oder „Glühwürmchen“, reflektieren ähnlich wie Katzenaugen durch spezielle Folien das Tageslicht und sollen die anfliegenden Vögel vor den Leiterseilen warnen. Lumineszierende Bereiche leuchten in der Dämmerung und leuchten während der Nacht zehn Stunden lang nach. Die „Leuchtkäfer“werden von dem schwedischen Unternehmen Hammarprodukter hergestellt. Dessen DeutschlandVertreter Wolfgang Bartke war bei der Montage am Vogelsee anwesend. „Für uns ist es im Moment aktuell die erste Montage in Deutschland mit der Flugdrohne“, erläuterte er. Auch für die Netze BW war es eine Premiere, das Unternehmen setzte die „Fireflies“erstmals im Netzgebiet ein.
Das Besondere an der Aktion am Vogelsee sei auch, dass normalerweise die Leiterseile bei der Montage von Vogelabweisern – es gibt noch andere, ähnliche Produkte, die die Netze BW verwendet – abmontiert werden und dann erst die Abweiser am dann auf dem Boden liegenden Leiterseil angebracht werden, wie EnBW-Pressesprecher Ulrich Stark am Montag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“erläuterte. Das sei aber im Fall des Vogelsees nicht gegangen. Stattdessen wagten sich der Pilot und der Navigator, die beide für die slowakische Firma Syker Engineering arbeiten, samt den begleitenden Personen auf das gefrorene Eis des Vogelsees. Ursprünglich war geplant, die Flugdrohne von einem Ruderboot aus starten zu lassen.
Dass es Handlungsbedarf gab, machte der Vogelexperte Karl Gauggel aus Sigmaringen deutlich, der vor Ort die Montage beobachtete. Es dürfte niemanden geben, der sich so gut mit der Vogelwelt am Vogelsee auskennt wie er. Schon seit mehr als 40 Jahren beobachte er hier Vögel, bemerkte er. „Jetzt als Rentner bin ich jeden Tag da“, ergänzte er mit einem Lächeln. Gauggel hat dabei schon manches Drama mit angesehen: Gebrochene Hälse oder gebrochene Flügel von Wasservögeln, die mit den Leiterseilen kollidieren und dann sterben. Besonders Wasservögel zählen zu den Opfern. „Das sind schnelle Geradeausflieger“, erklärte er diesen Umstand.
Karl Gauggel führt eine Statistik. Aus der geht hervor, dass in den vergangenen 18 Jahren beispielsweise zwölf Haubentaucher und 13 Blässhühner mit den Leiterseilen der Freileitung kollidierten, auch fünf Höckerschwäne. Auch Vögel anderer Vogelarten sind in der Statistik verzeichnet. Insgesamt sind 39 Vögel als „Anflugopfer“aufgelistet. „Die gefundenen Tiere sind sicher nur die Spitze des Eisberges, da Anflugopfer von Füchsen, Mardern, Greifvögeln und Großmöwen weggetragen oder gefressen werden“, wies Gauggel auf eine womöglich bestehende Dunkelziffer hin.
Gauggel ist auch stellvertretender Vorsitzender des Nabu Sigmaringen. Er hatte Kontakt mit einem Mitarbeiter des Regierungspräsidiums, so kam die Sache mit den Vogelabweisern ins Rollen. In einem weiteren Schritt kam das Landratsamt dann auf die Netze BW zu, wie Projektleiter Erik Wille von Netze BW, der die Aktion vor Ort überwachte, mitteilte. Die Gesamtkosten in Höhe von um die etwa 5000 Euro für die „Fireflies“und die Montage derselben – rund 50 Stück wurden am Samstag montiert –, übernehme Netze BW, sagte er.
Ein Video zur Montage der Fireflies gibt es unter