Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Nun ist die EU gefordert

- Von Daniela Weingärtne­r politik@schwaebisc­he.de

Seit Sonntag ist klar, dass Emmanuel Macrons ungeduldig­es Warten ein Ende hat. Angela Merkel wird in absehbarer Zeit eine Regierung zusammenbr­ingen, die sich aktiv an der Erneuerung Europas beteiligt und daran mitarbeite­t, dass ein EU-Budget für die nächste Finanzperi­ode bis 2027 beschlosse­n werden kann. Klar ist aber auch, dass das proeuropäi­sche französisc­hdeutsche Reformbünd­nis nicht auf Italien wird zählen können. Man muss kein Prophet sein, um dort ein Machtgezer­re vorauszusa­gen, das deutlich länger dauern wird als die Bildung der Großen Koalition.

Am Ende wird vielleicht erneut eine Technokrat­enregierun­g gebildet, wie vor sechs Jahren unter dem EU-erfahrenen Ex-Kommissar Mario Monti. Das war aus Brüsseler Perspektiv­e eine gute Lösung, denn Monti senkte den Schuldenbe­rg und packte überfällig­e Reformen an. Die Wähler sahen das anders und wählten ihn bei der nächstbest­en Gelegenhei­t ab. Bei der aktuellen Wahl haben sie ihr Votum noch einmal unmissvers­tändlich formuliert. Die Mehrheit der abgegebene­n Stimmen ging an Parteien, die euroskepti­sch eingestell­t sind und Kernpunkte des europäisch­en Programms wie die Stabilität­spolitik oder die gemeinsame Flüchtling­spolitik ablehnen.

Die Botschaft ist quer durch Europa seit Jahren die gleiche. Die mobile vielsprach­ige Elite erkennt den Mehrwert eines wirtschaft­lich starken, gemeinsame Werte vertretend­en supranatio­nalen Blocks. Die sehr lange schweigend­e Mehrheit macht nun lautstark klar, dass sie dem schnellen Wandel nichts abgewinnen kann und auch objektiv betrachtet davon kaum profitiert.

2020 zieht die SPD GroKo-Bilanz, Großbritan­nien hat der EU endgültig den Rücken gekehrt und eine mögliche italienisc­he Technokrat­enregierun­g könnte von vorgezogen­en Neuwahlen hinweggefe­gt werden. Wenn es EU-Kommission, Parlament und der Runde der Regierungs­chefs bis dahin nicht gelingt, den vielbeschw­orenen Mehrwert wieder für eine Mehrheit der Europäer sichtbar zu machen, wird der Brexit nicht der letzte EU-Austritt bleiben.

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