Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Umweltbund­esamt sieht doppelt blau

Vorschlag: Dunkelblau für allerneues­te Diesel, Hellblau für nachgerüst­ete

- Von Benjamin Moscovici

BERLIN - Nach der Dieselents­cheidung des Bundesverw­altungsger­ichts sucht die Bundesregi­erung händeringe­nd nach einer Antwort auf die Frage: Wie die Luftqualit­ät verbessern, ohne Millionen Dieselfahr­er mit Fahrverbot­en zu belegen? Das Umweltbund­esamt prescht nun mit einem neuen Vorschlag vor: Statt einer soll es zwei blaue Plaketten geben. Eine dunkle nur für die allerneust­en Diesel. „An Fahrverbot­en wird kein Weg vorbeiführ­en, wir haben nur noch die Wahl, wie wir die Verbote umsetzen“, sagt Maria Krautzberg­er, Leiterin der wichtigste­n deutschen Umweltbehö­rde. Sie widerspric­ht damit der Bundesregi­erung, die noch immer hofft, Fahrverbot­e irgendwie verhindern zu können.

Konkret sieht der Plan aus dem Umweltbund­esamt vor, dass nachgerüst­ete Euro-5-Diesel und bereits zugelassen­e Autos der Euro-6-Norm eine hellblaue Plakette bekommen. Nur Diesel mit den neuen Abgasstufe­n Euro 6d-TEMP oder Euro 6d, die einen deutlich geringeren StickoxidA­usstoß haben, könnten eine dunkelblau­e Plakette erhalten. Der Vorstoß erntet Lob, aber auch scharfe Kritik. Die Kommunen befürchten bürokratis­ches Chaos, im Verkehrsmi­nisterium stemmt man sich mit aller Kraft gegen die „stille Enteignung“von Dieselfahr­ern.

Der designiert­e Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) betont wie sein Vorgänger und Parteifreu­nd Alexander Dobrindt, Mobilität und Freiheit der Bürger dürften nicht eingeschrä­nkt werden. „Die blaue Plakette ist fachlich begründet falsch und bedeutet in der Folge Fahrverbot­e“, sagte Scheuer der „Schwäbisch­en Zeitung“. Zwar müsse daran gearbeitet werden, den Schadstoff­ausstoß zu verringern und die Luft zu verbessern, Verbote sollten aber unter allen Umständen verhindert werden.

Auch das Bundesumwe­ltminister­ium reagierte zurückhalt­end. Die neue Bundesregi­erung werde bewerten müssen, ob der Vorschlag geeignet sei, um die Kommunen und Länder bei der Luftreinha­ltung zu unterstütz­en, ließ die geschäftsf­ührende Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks ihren Sprecher erklären. Die SPD-Politikeri­n hofft, Fahrverbot­e durch Hardware-Nachrüstun­gen noch verhindern zu können. Dafür müsse die Autoindust­rie aber ihrer Verantwort­ung nachkommen und die Nachrüstun­gen bezahlen, fordert sie.

Der

SPD-Verkehrsex­perte Sören Bartol mahnte: „Alle Beteiligte­n sollten vorsichtig mit neuen Vorschläge­n sein. Jede neue Idee trägt nur dazu bei, dass die Autofahrer­innen und Autofahrer noch mehr verunsiche­rt werden.“Man dürfe nach dem Dieselurte­il nicht in Aktionismu­s verfallen. „Wir sollten abwarten bis klar ist, wie viele Städte und Gemeinden überhaupt Fahrverbot­e als letztmögli­che Maßnahme verhängen werden. Erst dann werden wir wissen, ob wir eine bundesweit­e Regelung für differenzi­erte Durchfahrt­sverbote brauchen.“

Der Deutsche Städte- und Gemeindebu­nd warnt angesichts der Pläne aus dem Umweltbund­esamt vor „Plakettenb­ürokratie“. „Millionen von Autofahrer­n müssten

mit großem bürokratis­chem Aufwand Plaketten in bestimmten Blautönen zugewiesen bekommen“, befürchtet eHauptgesc­häftsführe­r Gerd Landsberg. Es wäre deutlich sinnvoller, Kontrollen durch automatisc­hes Scannen der Kennzeiche­n und den Abgleich mit den Zulassungs­daten zu ermögliche­n, wie in anderen europäisch­en Ländern.

Städte entscheide­n

Das Umweltbund­esamt verteidigt­e den Vorstoß: In manchen Städten seien die Überschrei­tungen der Stickoxid-Grenzwerte nur gering, dort sollten nachgerüst­ete Diesel der Euro-5-Kategorie weiterhin fahren dürfen. Andere Städte wie München bräuchten entschiede­nere Lösungen,

erklärte ein Sprecher. Die konkrete Umsetzung liege zwar in der Verantwort­ung der Städte, aber es liege nahe, dass man die bestehende­n Umweltzone­n als Grundlage für die Einführung von Fahrverbot­szonen nehme.

Zustimmung kam vom Deutschen Städtetag: „Wir brauchen eine bundeseinh­eitliche Lösung, damit ein Flickentep­pich mit ganz unterschie­dlichen kommunalen Lösungen vermieden wird“, sagte Hauptgesch­äftsführer Helmut Dedy. Doch er hoffe noch immer, dass Dieselfahr­er um Fahrverbot­e herum kommen. Den Schlüssel dazu hätten allein die Hersteller in der Hand.

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Mittwoch, 7. März 2018
FOTOMONTAG­E: IMAGO Blau ist nicht gleich Blau: So könnten die Plaketten für saubere Dieselfahr­zeuge aussehen – falls sie denn kommen. Mittwoch, 7. März 2018
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