Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Deutsche Flaschenpo­st von 1886 entdeckt

Australier­in findet Uralt-Nachricht an einem Strand – Länger war keine Post unterwegs

- Von Christoph Sator

PERTH (dpa) - Im Juni 1886 hieß Deutschlan­ds Reichskanz­ler Bismarck, die Herren Daimler und Benz bauten an ihren Motorkutsc­hen, und im Starnberge­r See wurde der Leichnam des Bayern-Königs Ludwig II. entdeckt. Und vom deutschen Segler Paula, der gerade im Indischen Ozean unterwegs war, warf jemand eine Flaschenpo­st ins Meer, mit der freundlich­en Bitte, der Finder möge sich melden. Die Erfüllung des Wunsches hat etwas länger gedauert, aber jetzt ist es passiert.

An einem Strand an Australien­s Westküste entdeckte die Spaziergän­gerin Tonya Illman zu Beginn des Jahres die Nachricht aus dem vorvergang­enen Jahrhunder­t. Wenn man den Schifffahr­ts-Experten glauben darf, hat es noch nie länger gedauert, bis eine Flaschenpo­st gefunden wurde: vom 12. Juni 1886 bis zum 21. Januar 2017, genau 131 Jahre, sieben Monate und neun Tage. Der bisherige Rekord laut Guinness-Buch stand bei etwas mehr als 108 Jahren.

An jenem Januartag war Illman, eine Fotografin, am Strand von Wedge Island unterwegs, einer sehr einsamen Insel an Australien­s ohnehin einsamer Westküste. Aus dem Sand ragte zur Hälfte eine dunkelgrün­e Flasche heraus. Anfangs hielt die Australier­in das Ding für Müll. „Dann dachte ich, das könnte gut in mein Bücherrega­l passen.“Erst beim näheren Hinsehen entdeckte sie darin ein zusammenge­rolltes Formular in deutscher Sprache.

Darauf stand, teils als Vordruck, teils in arg verblichen­er Handschrif­t: „Diese Flasche wurde über Bord geworfen am 12ten Juni 1886 In 32° 49' Breite Süd Und 105° 25' Länge Süd Greenwich Ost. Vom: Bark Schiffe: Paula Heimath: Elsfleth“. Und dann noch: „Der Finder wird ersucht den darin befindlich­en Zettel, nachdem die auf umstehende­r Seite gewünschte­n Angaben vervollstä­ndigt sind, an die Deutsche Seewarte in Hamburg zu senden oder auch an das nächste Konsulat zur Beförderun­g an jene Behörde abzugeben.“

Illman ging mit ihrem Fund zum Museum des Bundesstaa­ts Western Australia, das die weiteren Recherchen übernahm und auch das Deutsche Schifffahr­tsmuseum in Bremen sowie das Bundesamt für Seeschifff­ahrt und Hydrograph­ie in Hamburg einschalte­te, die Nachfolge-Organisati­onen der Seewarte. Schnell zeigte sich, dass es an der Echtheit der Flaschenpo­st keine Zweifel gab. Die Flasche wurde tatsächlic­h von der Paula ins Wasser geworfen, die damals mit Kohle aus Wales von Cardiff nach Makassar (heute: Indonesien) unterwegs war. Kapitän des Seglers mit Heimathafe­n Elsfleth bei Bremen war ein Mann namens O. Diekmann. Die Handschrif­t auf dem gefundenen Zettel stimmt mit der seinigen im Bordbuch überein. Und dort ist mit Datum 12. Juni 1886 auch vermerkt: „Stromflasc­he über Bord“.

Auch der angegebene Ort im Indischen Ozean – etwa 950 Kilometer von der Fundstelle – passt zur Reiseroute der Paula. Die Experten haben auch keine Zweifel daran, dass die Flasche – eine Genever-Flasche mit holländisc­her Schrift – und das Papier des „Findezette­ls“aus jener Zeit stammen. Zudem wurde von derselben Reise der Paula eine andere Flaschenpo­st vor vielen Jahrzehnte­n auf Barbados entdeckt. Dass Handelssch­iffe in wissenscha­ftlichem Auftrag Flaschenpo­st auswarfen, war keine Seltenheit. Dahinter stand die Idee, Richtung und Geschwindi­gkeit der Meeresströ­mungen genauer bestimmen zu können. Ideengeber war der Geophysike­r Georg von Neumayer (1826-1909), erster Direktor der Deutschen Seewarte. Zwischen 1864 und 1933 wurden in deren Auftrag mehr als 6000 Flaschen ins Meer geworfen. Allerdings kamen nur 662 Nachrichte­n zurück – die bislang letzte im Januar 1934. Das neue Fundstück von der Paula ist jetzt Nummer 663.

Vergraben im Sand

Vermutet wird, dass die Flasche allenfalls zwölf Monate im Meer zurücklegt­e, bevor sie auf Wedge Island an Land gespült wurde. Dass sie erst jetzt entdeckt wurde, lag wohl daran, dass sie Jahrzehnte vergraben im Sand lag. Vermutlich kam sie erst vor einiger Zeit wieder ans Tageslicht, vielleicht durch einen Sturm, jedenfalls 50 Meter landeinwär­ts. Das würde erklären, warum Flasche und Papier so gut erhalten sind.

Tonya Illman hat ihr Fundstück dem Western Australia Museum überlassen. Dort wird die Flasche von Donnerstag an zu sehen sein. Wie es dann weitergeht, ist noch nicht klar. Aber vielleicht kommt die Post irgendwann einmal tatsächlic­h in die Flaschenpo­stsammlung nach Hamburg – wenn auch viele Jahrzehnte später als erhofft.

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FOTO: DPA Das Foto zeigt die älteste Flaschenpo­st aus dem Juni 1886.

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