Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Waffenhandel über vier Grenzen aufgeflogen
Tatverdächtige wollten offenbar Gewehre und Pistolen als Statussymbol
BREGENZ - Bei einem grenzüberschreitenden illegalen Waffenhandel sind über 100 Gewehre und knapp 60 Pistolen oder Revolver im Spiel gewesen. Eventuell sogar mehr. Durch die Kooperation von Polizeibehörden aus Frankreich, Deutschland, Österreich und der Schweiz ist es aber gelungen, Händlern wie Kunden auf die Spur zu kommen. Dies wurde am Mittwoch auf einer österreichisch-deutschen Pressekonferenz in der Vorarlberger Hauptstadt Bregenz bekannt gegeben. Die Tatverdächtigen sind in erster Linie entweder türkische Staatsbürger oder haben zumindest einen türkischen Migrationshintergrund, hieß es vonseiten der Polizei. Es sei in erster Linie um den Besitz einer Waffe als vermeintlich männliches Statussymbol gegangen.
Den Umfang der Waffenschieberei bezeichnete Walter Filsmaier, Vizedirektor der Landespolizeidirektion Vorarlberg, auf der Pressekonferenz als „ungewöhnlich für Österreich“. Ähnlich äußerte sich auch Rudolf Welte, Erster Kriminalhauptkommissar in der Rottweiler Kriminalpolizeidirektion: „So etwas in diesem Ausmaß ist eher die Ausnahme.“Die Länder der beiden Beamten hatten sich als Schwerpunkte des illegalen Tuns herauskristallisiert. Wobei die ersten Hinweise von der französischen Gendarmerie in Toulouse stammen. Sie hatte im Frühsommer 2017 entsprechende Erkenntnisse gewonnen. Demnach sollten Handfeuerwaffen aus dem Bereich der Zollernalb an einen türkischen Staatsangehörigen in Toulouse geliefert werden. Die deutschen wurden informiert.
Gebietsmäßig zuständig war die Rottweiler Kripo. Welte übernahm die Ermittlungen. In Bregenz berichtet er, sei rasch deutlich geworden, dass Verdächtige nicht nur im Zollernalb-Gebiet, sondern auch im Großraum Ludwigsburg und im sauerländischen Iserlohn saßen. Wobei offenbar speziell Ludwigsburg eine zentrale Rolle spielte. „Die gewonnenen Erkenntnisse ergaben dann“, sagte Welte, „dass die in Deutschland verkauften Handfeuerwaffen größtenteils von Vorarlberg aus geliefert Behörden wurden.“Weitere Spuren führten ins östliche Österreich sowie in den eidgenössischen Kanton St. Gallen.
Am 9. November 2017 schlug dann die Polizei in allen vier Ländern gleichzeitig zu. Rund 20 Häuser und Wohnungen wurden durchsucht. Die Kriminalpolizeidirektion Rottweil konnte elf Handfeuerwaffen, rund 1500 Schuss Munition und rund 100 000 Euro Bargeld sicherstellen. Als Hauptbeschuldigte gelten hier ein 61-Jähriger und sein 37 Jahre alter Sohn. In Vorarlberg fanden die Beamten 26 Handfeuerwaffen, sechs Gewehre und über vier Zentner Munition. Hauptverdächtige sind ein 35Jähriger aus Lustenau und ein 76-Jähriger aus Bregenz. Auf einem Hof in Niederösterreich gelang indes der ausgedehnteste Fund: über 100 Gewehre, 21 Handfeuerwaffen, über 100 Stichwaffen sowie Tausende Schuss Munition.
Kein terroristischer Hintergrund
Insgesamt gab es fünf vorläufige Festnahmen. Darunter ist auch der Tatverdächtige aus Toulouse. Ermittlungen gegen weitere Personen laufen. Eine zentrale Bedeutung könnte dabei ein Beschuldigter aus dem Kanton St. Gallen spielen, der nach Angaben seines Anwalts offiziell Waffensammler ist. Laut den Polizeierkenntnissen kommen die meisten Waffen nämlich ursprünglich aus der Schweiz. Wobei es nach Angaben Vorarlberger Beamter bei den Langwaffen weniger um Militärprodukte, sondern vor allem um Jagdgewehre geht. Verbrechen seien mit den Waffen nicht begangen worden. Die Sicherheitsbehörden schließen auch einen terroristischen Hintergrund aus.
Als Tatmotiv nannten Vorarlbergs Vizepolizeichef Filsmaier und der Rottweiler Ermittler Welte die Absicht, Waffen zur eigenen Profilierung besitzen zu wollen. Eine kleine Gruppe habe den Handel zudem als Möglichkeit für einen Nebenverdienst entdeckt gehabt. Wobei die Geschäfte in erster Linie im Familienund Bekanntenkreis abgelaufen seien. Wie es von der Polizei heißt, würden die meisten Tatverdächtigen aus „stabilen Lebensverhältnissen“stammen. Die allermeisten seien polizeilich bisher nicht aufgefallen.