Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Bittere Syrien-Bilanz
350 000 Tote im Bürgerkrieg – Unicef warnt
KÖLN/AMMAN (dpa) - Sieben Jahre nach dem Beginn des blutigen Konfliktes in Syrien ziehen Helfer eine bittere Bilanz: Schon heute haben mehr als 1,5 Millionen Menschen in dem Bürgerkriegsland bleibende seelische oder körperliche Schäden erlitten. Über die Hälfte der Bevölkerung lebt entweder als Flüchtling im Ausland oder ist innerhalb Syriens vertrieben worden.
António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, rief alle Beteiligten vor dem Sicherheitsrat eindringlich zur Einhaltung einer von dem Gremium geforderten Waffenruhe auf. „Wir dürfen das syrische Volk nicht aufgeben.“Guterres musste gleichzeitig eingestehen, dass seit der Verabschiedung einer Resolution für eine Waffenruhe in Syrien Ende Februar nicht viel passiert sei. „Es stimmt, dass der Konflikt in einigen Gegenden des Landes an Intensität verliert, aber es gibt bislang keine Waffenruhe.“
Wie aus einem am Montag veröffentlichten Bericht des UN-Kinderhilfswerks (Unicef) hervorgeht, gibt es in Syrien bereits heute 86 000 Menschen, denen als Folge des Krieges Gliedmaßen amputiert werden mussten. Im Bürgerkrieg kamen seit Ausbruch des Konflikts Aktivisten zufolge mehr als 350 000 Menschen ums Leben. Unter den Opfern seien mehr als 105 000 Zivilisten, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Enthalten in diesen Zahlen sind demnach nur Opfer, deren Tod belegt ist. Die tatsächliche Zahl sei deutlich höher und liege Schätzungen zufolge bei mehr als 500 000.
Der Konflikt hatte am 15. März 2011 mit Demonstrationen in der Hauptstadt Damaskus und anderenorts begonnen. Die Spannungen eskalierten, als die Regierung mit Gewalt gegen die Proteste vorging.
Unicef warnte, der fehlende Zugang zu guter medizinischer und psychologischer Behandlung führe oft dazu, dass sich Kriegsversehrte aus Syrien langsamer von ihren Verletzungen erholten oder sich ihr Zustand verschlechtere. „Wir schätzen, dass als Folge dieses Krieges schon jetzt etwa 750 000 Kinder mit Behinderungen leben müssen“, sagte Geert Cappelaere, Unicef-Regionaldirektor für Nahost und Nordafrika.
Viele Kinder unterernährt
Die Situation der Kinder hat sich laut Unicef im siebten Kriegsjahr noch einmal verschlimmert. Nach Erkenntnissen von Unicef kamen allein in den ersten beiden Monaten des neuen Jahres über 1000 Kinder ums Leben. „Wir dachten, dass der Tiefpunkt der Unmenschlichkeit in Aleppo erreicht worden wäre“, sagte der Geschäftsführer von Unicef Deutschland, Christian Schneider. Doch die Lage der Zivilisten in dem belagerten Gebiet Ost-Ghuta sei schlimmer als das, was Helfer 2016 in Aleppo erlebt hätten. Von den 200 000 Kindern, die mit ihren Eltern ausharren, seien 40 Prozent chronisch unterernährt.
Unicef zufolge schickten die Konfliktparteien 2017 mindestens rund 900 Minderjährige in den Kampf. Ein Viertel der „Kindersoldaten“war jünger als 15 Jahre. Unicef erfuhr im gleichen Zeitraum von 244 Kindern, die festgenommen wurden. Cappelaere betonte: „Jede einzelne Konfliktpartei ist an diesen massiven Kinderrechtsverletzungen beteiligt.“