Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Blasmusik der Extraklass­e in Ertingen

Mit einem Jubiläumsk­onzert startet der Musikverei­n in ein außergewöh­nliches Vereinsjah­r

- Von Wolfgang Lutz

ERTINGEN - Ein Musikvergn­ügen der Extraklass­e haben die über 600 Zuhörer am vergangene­n Samstag in der Ertinger Kulturhall­e erlebt. Der Musikverei­n hatte zu seinem Jubiläumsk­onzert geladen, und für die Besucher wurde dieser Abend durch das sehr anspruchsv­olle Programm zu einer Demonstrat­ion hochkaräti­ger Spielkultu­r. „Freuen Sie sich auf einen abwechslun­gsreichen und interessan­ten Konzertabe­nd“, diesem Anspruch, den der Vorsitzend­e Urban Diesch formuliert­e, wurde das Orchester dann mehr als gerecht.

Im ersten Konzerttei­l wolle man an die Highlights vergangene­r Jahrzehnte erinnern und danach einen Aufbruch einläuten, sagten Anja und Sandra Höninger, die wieder charmant und locker durchs Programm führten. „Dabei haben wir Musikerinn­en und Musiker die Highlights der letzten Jahre selbst zusammen gestellt“. Und sie haben eine gute Wahl getroffen, wie sich zeigte. Auf jeden Fall legte das Orchester unter der bewährten Leitung von Günther Goldammer eine Spielkultu­r an den Tag, die alle klangliche­n und virtuosen Möglichkei­ten enthielt und zu wahren Begeisteru­ngsstürmen der Konzertbes­ucher führte.

Symbiose von Blech und Holz

Ein Lieblingst­itel der Ertinger Musikanten kam gleich zu Beginn. Mit einem Werk aus Richards Wagners Lohengrin, „Elsas Zug zum Münster“, war das Orchester sogleich gefordert. Dieser Hochzeitsz­ug, den Elsa zu ihrem Retter ins Münster führte, „lebte“von den vielen Klangvaria­tionen, um die Stimmung wiederzuge­ben. Nach einer feierlich-festlichen Einleitung, die das leise Schreiten des Hochzeitsz­uges demonstrie­rte, führte das mächtige Anschwelle­n zu einer Klangentwi­cklung durch das Orchester und zu einer Symbiose des weichen Blechs mit dem Holz.

Zu einem weiteren musikalisc­hen Abenteuer luden Goldammer und seine Musiker in die Weiten der Prärie und hier speziell zu einer Fahrt mit der nordpazifi­schen Eisenbahn ein. Bei der Kompositio­n „Oregon“von Jacob de Haan setzten die Posaunen den Zug in Bewegung, steigerten sich die ruhige-getragenen Passagen zu einem ausdruckss­tarken Fortissimo. Das präzise Schlagwerk trug dazu bei, das Pferdestam­pfen und -galoppiere­n zu imitieren. Bei der fasziniere­nden musikalisc­hen Bahnfahrt wurden alle Landschaft­sbilder den Zuhörern durch das Orchester nahegebrac­ht. „Spielfreud­e pur“war dabei durch das Orchester zu spüren, wobei Dirigent Goldammer „die Zügel immer fest in der Hand“hielt.

Musiker als „Herren der Meere“

Hans Zimmer hätte seine Freude daran gehabt, die Ertinger Musikkapel­le bei der Aufführung der Filmmelodi­e von „Fluch der Karibik 3“zu hören. Wie das Orchester sein Werk mit allen Attributen der Blasmusik wiedergab, verdient Respekt. Alle Szenarien der Schlacht auf dem Meer wurden eindrucksv­oll dargestell­t. Ob bei den vielen rhythmisch­en Sequenzen oder auch in den lyrischen, ja sogar sphärische­n Abschnitte­n – die Musikanten waren jederzeit „Herr der Meere“.

Bester Udo-Jürgens-Imitator

Noch allen gut in Erinnerung war dann die symphonisc­he Dichtung aus der Feder von Udo Jürgens: „Die Krone der Schöpfung“. Dieses monumental­e Werk, das die biblische Schöpfung beschreibt und dabei auch den Umgang der Menschen mit der Schöpfung anprangert, zeigte wiederum, „dass Günther Goldammer der beste Imitator von Udo Jürgens“ist, so die Ansage. Sein durchdring­ender gesanglich­er Appell wurde dabei vom Orchester eindrucksv­oll untermalt, wobei sich einmal mehr das harmonisch­e Miteinande­r der einzelnen Register abzeichnet­e. Donnernder Applaus war der Dank für den Dirigenten als auch für seine Musiker.

Neu gewandet sollte mit dem Gospel und Dixie „Just a closer walk with thee“ein neues Kapitel aufgeschla­gen werden. Mit dem Klassiker unter den Spirituals, der eigentlich einen Leichenzug durch New Orleans musikalisc­h beschreibt, hat Günther Goldammer die passende Musik gefunden, um die alte Uniform zu „beerdigen“. Doch wie das Orchester diese Stimmung, dieses eigene Feeling in die Halle zauberte, war erstaunlic­h.

Wenn man dann die Posaune von Jürgen Mäkle und die Trompetenk­länge von Jonas Zoll in sich aufsog sowie den Rhythmus und das Gefühl des Orchesters bei diesem Gospel auf sich wirken ließ, kam wahrhaftig „Gänsehaut-Feeling“auf. Mit einer erstaunlic­hen Präzision und Dynamik wies die Kapelle Big-Band-Qualitäten auf.

Doch dann folgte am Schluss ein weiteres Highlight mit der Kompositio­n zu „Die Glorreiche­n Sieben“. Diese bekannte Filmmusik verlangte den Akteuren nochmals alles ab. Hier war das absolute Zusammenwi­rken der einzelnen Register bei diesem rhythmisch­en Werk gefragt. Nur so konnten die bekannten und durchdring­enden Melodien zu einem Hochgenuss avancieren.

Goldammer-Trio

Die vielen Zuhörer wussten dies zu schätzen und belohnten alle Akteure mit viel Beifall. Doch dem nicht genug. Bei der Zugabe zeigte sich, dass die ganze Familie Goldammer musikalisc­h „beschlagen“ist.

Vater und Tochter Leonie im Gesangs-Duett, Tochter Annalena am Klavier und mit Gesang bei „I can, i will“von Udo Jürgens – das war ein weiteres Highlight, das die drei zusammen zweimal aufführen mussten. So hatte es der Vorsitzend­e Urban Diesch am Schluss leicht, allen Akteuren Dank auszusprec­hen, denn man habe „einen musikalisc­hen Leckerbiss­en der besonderen Art“erlebt.

 ?? FOTO: W. LUTZ ?? „Gut bestückt“bei den Trompeten und Flügelhörn­ern zeigte sich der Musikverei­n Ertingen beim Jubiläumsk­onzert.
FOTO: W. LUTZ „Gut bestückt“bei den Trompeten und Flügelhörn­ern zeigte sich der Musikverei­n Ertingen beim Jubiläumsk­onzert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany