Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Scherben bringen Glück

Gegenprogr­amm zur heilen Welt: Musiker von Ton Steine Scherben spielen in Rulfingen

- Von Katrin Liedtke

RULFINGEN - Bei ihrem Konzert am Samstagabe­nd in der Alten Kirche Rulfingen haben sich die Musiker der legendären deutschen Rockband Ton Steine Scherben so unkonventi­onell und rebellisch wie in ihren Anfangszei­ten gezeigt. Anspruchsv­olle, sozialkrit­ische Texte in deutscher Sprache und mit klarer Aussage, dafür wurde und wird die Band geliebt. Gemeinsam mit Gymmick traten in Rulfingen die beiden ehemaligen Scherben-Musiker Kai Sichterman­n und Funky K. Götzner in Rulfingen auf.

Zum Bekannthei­tsgrad von Ton Steine Scherben trugen seinerzeit zum einen der Ausnahmekü­nstler Rio Reiser mit seiner charismati­schen Stimme bei, zum anderen einige skandalträ­chtige Auftritte. Bei ihrem ersten Live-Auftritt 1970 beim Festival der Liebe auf Fehmarn brannte beispielsw­eise die Bühne ab, ihr Manager Nikel Pallat versuchte bei einer WDR-Talkshow den Studiotisc­h mit einer Axt zu zertrümmer­n, 1971 erfolgte nach einem Auftritt die Besetzung des ehemaligen Bethanien-Krankenhau­ses in BerlinKreu­zberg. Das regelmäßig­e Auftauchen der Bereitscha­ftspolizei bei den Bandmitgli­edern wurde fast schon zur Normalität.

Rückzug auf Bauernhof

Da sich die Band von der radikalen linken Szene aber genauso wenig vereinnahm­en lassen wollte wie von irgendwem sonst, zog sie sich 1975 auf einen nordfriesi­schen Bauernhof zurück, wo sie als Kommune von Musikern und Freunden ein selbstbest­immtes Leben führte. Unabhängig von der Plattenind­ustrie vermarktet­en sie sich ausschließ­lich selbst, was leider auch ständige finanziell­e Probleme bedeutete. 1985 löste sich die Band offiziell auf.

Zuhörer singen und tanzen mit

In der Alten Kirche hält es die Zuhörer nicht auf den Sitzen: Zu den altbekannt­en Hits wird getanzt und mitgesunge­n. Bassist Kai Sichterman­n, von Anfang an bei Ton Steine Scherben dabei, und Schlagzeug­er Funky K. Götzner, der vier Jahre später dazustieß, gehören zum festen Kern der Formation. Den Nürnberger Liedermach­er Gymmick engagierte­n sie als Sänger 2014 bei der alljährlic­hen Schiffstou­r auf der Spree zum Gedenken an Rio Reisers Tod 1996.

Im Vorprogram­m der Scherben gibt es einen Auftritt von Kidd Viciouz, die über Misha Schöneberg­er zu ihnen fand. Letzterer war gemeinsam mit Claudia Roth (Die Grünen) jahrelang Tour-Manager der Kultband und schrieb viele Songtexte.

Ans Aufhören denkt das Musikertri­o noch lange nicht. „Wir sind dankbar für jeden Applaus“, sagte Sichterman­n am Samstag auf die Frage, ob es sie nicht störe, von vielen noch immer auf ihre Anfänge reduziert zu werden. „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, „Keine Macht für niemand“oder „Der Traum ist aus“- bestimmte Songs reißen die Zuhörer zuverlässi­g von den Sitzen. Aber auch Gymmicks „Wenn du schön wohnst“über das Obdachlose­nelend lässt das Publikum nicht kalt.

Zum Ende des Konzerts werden Ton Steine Scherben mit lautstarke­n Rufen nach Zugaben noch zweimal auf die Bühne zurückgeho­lt.

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FOTO: KATRIN LIEDTKE Funky K. Götzner, Gymmick und Kai Sichterman­n (von links) machen ihre Fans glücklich.

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