Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Druck auf Facebook wächst nach dem Daten-Skandal
Vernehmung von Konzernchef Zuckerberg gefordert – Barley verlangt Konsequenzen
BERLIN/WASHINGTON/LONDON Nach den Enthüllungen über einen mutmaßlichen gigantischen Datenmissbrauch für den US-Wahlkampf gerät der Internetkonzern Facebook unter wachsenden politischen Druck. In den USA wollen Senatoren beider großer Parteien Mark Zuckerberg, den Gründer des sozialen Netzwerks, zu einer Anhörung im Kongress vorladen. Parlamentarier in Großbritannien äußerten am Dienstag ähnliche Pläne. Auch Bundesjustizministerin Katarina Barley kritisierte Facebook und forderte Konsequenzen. „Facebook muss erklären, wie es die Privatsphäre seiner Nutzerinnen und Nutzer künftig besser schützt“, sagte die SPD-Politikerin am Dienstag zur „Schwäbischen Zeitung“. Auch die Europäische Union kündigte Untersuchungen an.
„Wenn Nutzerinnen und Nutzer so gezielt mit Trump-Werbung oder Hassbotschaften gegen Hillary Clinton bombardiert wurden, ist das nicht nur ein weiterer Tiefpunkt der politischen Debatte in den USA“, sagte Barley. „Solche Wahlkampfmethoden können die Meinungsbildung verzerren und eine Gefahr für die Demokratie werden, wenn keine klaren Regeln gelten.“Nur wer wisse, was mit seinen persönlichen Daten geschehe, könne über ihre Verarbeitung entscheiden. „Facebook muss sich an dieses Recht halten. Es wird Zeit für das Unternehmen, klar Verantwortung zu übernehmen“, erklärte die Ministerin. „Wenn die persönlichsten Interessen von Millionen Facebook-Nutzern für die TrumpKampagne ausgeforscht wurden, dann ist das eine neue Qualität des Missbrauchs persönlicher Daten.“
Das Misstrauen gegen die großen, global agierenden Internetunternehmen sei zu Recht groß, betonte Barley. Deswegen werde das hohe Datenschutzniveau mit dem neuen europäischen Recht weiter gestärkt. „Verstöße dagegen müssen empfindliche Sanktionen nach sich ziehen. Freiheit und Selbstbestimmung in einer offenen Gesellschaft sind ohne Privatheit nicht denkbar“, erklärte die neue Bundesjustizministerin.
Die Daten von rund 50 Millionen Facebook-Nutzern sollen von der britischen Firma Cambridge Analytica für den Wahlkampf von US-Präsident Donald Trump eingesetzt worden sein.
WASHINGTON - Nach brisanten Enthüllungen über die Softwarefirma Cambridge Analytica wächst der Druck auf Facebook – auch in den USA, wo die Datenschutzregeln deutlich lockerer sind als in Europa. Grund für eine mögliche Anhörung des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg durch den Kongress sind Berichte, nach denen sich Cambridge Analytica auf unzulässige Weise Profile von Facebook-Nutzern besorgt hat. Anschließend sollen sie für den Wahlkampf Donald Trumps ausgewertet worden sein.
Zu welchen Mitteln das Unternehmen griff, hat ein Insider geschildert. In Gesprächen mit Reportern der „New York Times“und des Londoner „Observer“hat Christopher Wylie, ein ehemaliger Angstellter von Cambridge Analytica, einen Datenmanipulator skizziert. Dieser ermöglicht es seinen Kunden, emotionale Botschaften auf eine bestimmte Zielgruppe zuzuschneiden. Das habe politische Akteure in die Lage versetzt, unterschiedliche Botschaften an verschiedene Gruppen zu senden.
Nach Trumps Wahltriumph hatte sich Cambridge Analytica noch als hocheffizienter Kampagnenhelfer feiern lassen. Am Dienstag wurde Firmenchef Alexander Nix suspendiert, früher war er aber der digitale Guru, der mit sicherem Gespür erkannt hatte, wie man schwankende Wähler erreicht. Im Einklang mit seinem Verbündeten Steve Bannon, dem Strategen Trumps, wusste der Brite um die Gesetze einer Kommunikationslandschaft, die von Facebook und Twitter gründlich umgekrempelt wurde. Mit dem Datenfundus setzte Trumps Mannschaft gerade in hart umkämpften Bundesstaaten wie Michigan, Pennsylvania oder Florida alles daran, die Bewohner ländlicher Gebiete ebenso zu mobilisieren wie Nichtwähler, die das Interesse an der Politik verloren hatten.
Bei „Quiz“Daten gestohlen
Laut dem Informanten Wylie war es ein Wissenschaftler der Universität Cambridge, der im konkreten Fall die Lawine ins Rollen brachte. 2014 lud Aleksandr Kogan Facebook-Nutzer zu einer Art Quiz ein, in dem sie persönliche Vorlieben kundtun sollten, um dadurch mehr über die eigene Persönlichkeit zu erfahren. Wylie zufolge machten rund 270 000 Interessierte mit, und da auch deren Facebook-Freunde erfasst wurden, sollen bald 50 Millionen mögliche Adressaten zusammengekommen sein. Später soll Facebook die Daten an Cambridge Analytica verkauft haben. An ein Haus, das der Whistleblower als „Steve Bannons Werkzeug für psychologische Kriegsführung“charakterisiert.