Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Islam-Frage löst Streit in der Union aus

CSU-Chef Seehofer verärgert über Kanzlerin Merkel – Innenminis­ter verkündet Agenda

- Von Andreas Herholz und unseren Agenturen

BERLIN - In der Union geht der Streit über den Umgang mit dem Islam weiter. „Ich werde meine Politik nicht um ein Jota ändern“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer (CSU) dem „Spiegel“. Zugleich zeigte sich der Bundesinne­nminister verärgert über Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Es sei vollkommen unnötig gewesen, ihm öffentlich zu widersprec­hen. „Dafür fehlt mir jegliches Verständni­s“, sagte der 68-Jährige. Die CDU-Vorsitzend­e hatte in ihrer Regierungs­erklärung am Mittwoch Seehofers Aussage in Zweifel gezogen, wonach der Islam nicht zu Deutschlan­d gehöre. Weil inzwischen Millionen Muslime in Deutschlan­d lebten, sei auch deren Religion Teil des Landes, hatte Merkel erklärt.

Der Disput zwischen Innenminis­ter und Kanzlerin wird, wenige Tage nachdem die neue Regierung ihre Arbeit aufgenomme­n hat, weiter öffentlich ausgetrage­n. Auch der Streit zwischen CDU und CSU spitzt sich zu. So stellte sich der neue CSU-Generalsek­retär Markus Blume im „Spiegel“hinter Seehofer. „Wir werden bei der Islam-Debatte nicht lockerlass­en“, sagte Blume. Die überwältig­ende Mehrheit der Bevölkerun­g vertrete die Überzeugun­g, dass der Islam nicht zu Deutschlan­d gehöre. CDU-Vize Armin Laschet sprach sich unterdesse­n für eine staatliche Anerkennun­g des Islam als Religionsg­emeinschaf­t aus. Es brauche derartige Regeln in einer zunehmend säkularen Gesellscha­ft. „Dazu gehört eine Klärung des Verhältnis­ses zum Staat, so wie wir es mit den christlich­en Kirchen seit Langem haben“, sagte der Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen.

Bei seiner Premiere als Bundesinne­nminister und seiner Antrittsre­de im Bundestag ging Seehofer am Freitag jedoch nicht auf das Thema ein. Er präsentier­te seine Agenda für die nächsten dreieinhal­b Jahre in einer moderaten, ruhig vorgetrage­nen Rede. Dennoch blieb er hart in der Sache: Sicherheit in Deutschlan­d, Steuerung und Begrenzung der Migration und nicht zuletzt die Sicherung des sozialen Friedens – so die wichtigste­n Pfeiler seines Programms. Er wolle den Zusammenha­lt der Gesellscha­ft stärken, Spaltung und Polarisier­ung überwinden. Die Opposition warf ihm vor, mit seinen Äußerungen zum Islam genau das Gegenteil zu tun.

„Wir müssen Tempo machen“, forderte Seehofer und kündigte an, noch vor der Sommerpaus­e im Kabinett Beschlüsse über umfassende Veränderun­gen der Migrations- und Sicherheit­spolitik herbeiführ­en zu wollen. Ein bloßes „Weiter so“dürfe es nicht geben. „Dort, wo Grenzen überschrit­ten, Regeln missachtet oder Gesetze gebrochen werden, gilt für mich null Toleranz“, sagte er und plädierte für einen „starken Staat“. Dies gelte auch bei „Hassparole­n und Gewalt gegenüber Andersdenk­enden und Andersgläu­bigen“, versichert­e der Bundesinne­nminister.

Merkels Platz auf der Regierungs­bank blieb am Freitag übrigens leer. Die Kanzlerin war beim EU-Gipfel in Brüssel.

BERLIN/PEKING - Keine Strafzölle für die EU – vorerst. In Brüssel und Berlin bringt diese Nachricht nur eine kurze Verschnauf­pause. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) mahnt am Freitag am Rande des EUGipfels, das Thema bleibe von „großer Dringlichk­eit“, eine „Spirale“von Zöllen müsse unbedingt verhindert werden. In einem Handelskri­eg könne es am Ende nur Verlierer geben. Sie stellt sich zudem klar hinter die EU-Kommission, die den USA im Fall einer ausbleiben­den dauerhafte­n Einigung Vergeltung­szölle auf US-Produkte wie Motorräder, Jeans und Whiskey angedroht hat.

Sichtlich erleichter­t zeigt sich Wirtschaft­sminister Peter Altmaier am Freitag in Berlin: „Uns eint mehr, als uns trennt“, sagt der Wirtschaft­sminister über die USA. Es ist sein erster großer Coup, vor allem sein Verhandlun­gserfolg. Kaum im Amt war er nach Washington geflogen, um die angedrohte­n US-Zölle auf Stahl und Aluminiumi­mporte abzuwenden. Erst in letzter Minute war am Donnerstag die Nachricht gekommen, dass die EU vorerst verschont bleibt. Doch ein weltweiter Handelskri­eg ist nicht vom Tisch. Denn die Ausnahmere­gelung gilt nur bis zum 1. Mai. EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker sagte am Freitag nach dem EU-Gipfel in Brüssel, ein Abschluss der Verhandlun­gen bis zum 1. Mai sei nicht realistisc­h. In den kommenden sechs Wochen müsse man daher „sehr konzentrie­rt mit der amerikanis­chen Seite verhandeln“, mahnt Altmaier.

Die Frage ist: Welchen Preis wird Trump für eine dauerhafte Ausnahme verlangen? „Die Bundesregi­erung muss aufklären, was sie und die EU-Kommission Trump im Gegenzug versproche­n haben“, fordert Katharina Dröge, handelspol­itische Sprecherin der Bundestags­fraktion Bündnis 90/

Die Grünen. Experten befürchten, dass Trump die

EU nun in einen Handelskri­eg mit China hineinzieh­en könnte.

Liste mit 128 US-Produkten

Die Volksrepub­lik ist seit Freitag von den US-Importzöll­en auf Stahl und Aluminium betroffen und hat bereits Handelsstr­afen gegen Washington im Umfang von drei Milliarden Dollar angekündig­t. China habe eine Liste von 128 US-Produkten erstellt, auf die Zölle erhoben werden könnten, teilte das Pekinger Handelsmin­isterium mit. Bereits am Donnerstag hatte die chinesisch­e Botschaft in Washington auf die Ankündigun­g von Trump reagiert. „Würde ein Handelskri­eg von den USA initiiert, dann wird China bis zum Ende kämpfen, um seine eigenen legitimen Interessen mit allen notwendige­n Maßnahmen zu verteidige­n“, teilte sie mit.

Der Chef der Welthandel­sorganisat­ion (WTO), Roberto Azevêdo, warnte vor einer Eskalation. „Ich ermuntere alle Mitglieder, die vielen WTO-Foren zu nutzen, um ihre Probleme vorzutrage­n und Lösungen zu finden“, sagte Azevêdo am Freitag, ohne die USA beim Namen zu nennen. „Aktionen außerhalb dieser kollektive­n Prozesse bergen die Gefahr einer Eskalation in einer Konfrontat­ion, die keine Sieger haben wird, und die schnell zu einem weniger stabilen Handelssys­tem führen kann“, sagte der WTO-Chef.

Das Ifo-Institut warnt derweil vor bilaterale­n Deals der EU mit den USA. Gabriel Felbermayr, Leiter des Ifo-Zentrums für Außenwirts­chaft, sagt: „Mit dem Abschluss einer solchen Vereinbaru­ng lässt die EU zu, dass Präsident Trump einen Keil zwischen die anderen Mitglieder der Welthandel­sorganisat­ion treibt.“Ärmere Länder blieben allein zurück und hätten kaum Aussicht auf Erfolg, die rechtswidr­igen Zölle der USA zu bekämpfen.

„Wir alle sind ein bisschen China“

Auch Vertreter der deutschen Industriev­erbände reagierten besorgt auf die Eskalation im Handelsstr­eit zwischen Washington und Peking. „Wir alle sind ein bisschen China“, sagt der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages (DIHK), Martin Wansleben. „Wenn China Schwierigk­eiten hat, haben wir als Lieferant von China Schwierigk­eiten.“Dieter Kempf, Präsident des Bundesverb­ands der Industrie (BDI), bezeichnet­e das Vorgehen der USA als „äußerst besorgnise­rregend“. Tatsächlic­h gingen die Börsenkurs­e weltweit auf Talfahrt, der Deutsche Aktieninde­x fiel am Freitag unter die wichtige Marke von 12 000 Punkten.

In Brüssel schlägt man allerdings bereits schärfere Töne im Umgang mit Peking an. „Aktuell ist China das größte Problem“, sagte Manfred Weber, Vorsitzend­er der EVP-Fraktion im Europäisch­en Parlament, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Überproduk­tion der Volksrepub­lik sei erdrückend. Peking zahle staatliche Stahl-Beihilfen, um weltweit die Preise zu drücken. „Wir müssen jetzt gemeinsam mit den USA mit der chinesisch­en Führung reden und klar machen, dass wir Dumping nicht dulden werden“, forderte der CSU-Politiker.

 ?? FOTO: DPA ?? Ein Laden mit US-Bekleidung in Peking – vor dem eine Bank mit US-Flagge steht. Der Handelskon­flikt zwischen den USA und China spitzt sich wegen der Strafzölle immer mehr zu.
FOTO: DPA Ein Laden mit US-Bekleidung in Peking – vor dem eine Bank mit US-Flagge steht. Der Handelskon­flikt zwischen den USA und China spitzt sich wegen der Strafzölle immer mehr zu.

Newspapers in German

Newspapers from Germany