Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Sir Simon Rattle

Verabschie­det sich in BadenBaden mit Wagners „Parsifal“

- Von Barbara Miller

BADEN-BADEN – Letzte Dinge: Sir Simon Rattle dirigiert zum letzten Mal die Berliner Philharmon­iker bei den Osterfests­pielen in Baden-Baden. Auf dem Programm: „Parsifal“, Wagners letzte Oper. Musikalisc­h ist die Aufführung ein Ereignis, szenisch bleibt sie belanglos.

Anders als die Wiener sind die Berliner Philharmon­iker kein Opernorche­ster. Und so kommt auch ihr Chef, der im Sommer 2018 dieses Amt abgibt, nicht von der Oper. Wenn Simon Rattle und die Berliner Philharmon­iker dennoch Musiktheat­er aufführen, dann ist das etwas Besonderes. Da klingt nichts nach Routine. Rattle und das Orchester zelebriere­n Wagners letztes Werk. Sie breiten ein an Klangfarbe­n einzigarti­g reiches, blühendes Orchesters­piel aus. Da werden Stimmen hörbar, von denen man bei anderen „Parsifal“-Aufführung­en nichts ahnt – die wunderbare­n Flöten, der fahle, gespenstis­ch anmutende Ton der Holzbläser, die klaren Weckrufe des Blechs, alles getragen von einem exzellente­n dunklen Streicherk­lang.

Rollen sind sehr gut besetzt

Und dann dieses Sängerense­mble! Allen voran Franz-Josef Selig als Gurnemanz. Man versteht jedes Wort. Der Bass gestaltet diese Mammutpart­ie wie ein Märchenerz­ähler und mit großer Klugheit. Die Übertitelu­ng, die man anderswo gelegentli­ch schmerzlic­h vermisst, hier ist sie tatsächlic­h unnötig. Selbst wer überhaupt nicht wüsste, was in „Parsifal“geschieht, bekommt hier die ganze Geschichte durch Seligs Interpreta­tion aufs Schönste serviert.

Der kanadische Bariton Gerald Finley bringt seine große Erfahrung als Liedsänger in die Rolle des Amfortas ein. Berührend und stark ist der Eindruck, den er als Schmerzens­mann hinterläss­t. Bei Stephen Gould wird einem gar nicht bewusst, wie höllisch schwer die Partie des Parsifal ist, so mühelos führt er seinen Tenor.

Gefährlich und kalt lässt Evgeny Nikitin den Zauberer Klingsor erscheinen, wenn er zum Kampf gegen die Gralsritte­r Kundry herbeiruft. Ruxandra Donose, bisher eher auf Mozart- und Rossini-Rollen abonniert, meistert ihr Wagnerdebü­t. Auch die kleineren Rollen sind gut besetzt: von Titurel (Robert Lloyd) bis zu den Knappen und Blumenmädc­hen.

Das Sängerense­mble ist in BadenBaden von außergewöh­nlicher Geschlosse­nheit, musiziert wird exquisit. Doch leider findet diese Exzellenz szenisch keinerlei Entsprechu­ng. Dabei steht als Regisseur Dieter Dorn im Programmhe­ft. Doch zu „Parsifal“scheint dem Theaterman­n, von dem so viele stimmige Inszenieru­ngen in Erinnerung sind, nicht sonderlich viel eingefalle­n zu sein.

Die Bühnenbild­nerin Magdalena Gut lässt roh gezimmerte Holzgerüst­e als bewegliche Einzelelem­ente auf die Bühne rollen. Die werden mal zu Titurels Thron, mal zu Bänken, auf denen die Ritter Platz nehmen, um der Enthüllung des Grals beizuwohne­n. Aber leider werden diese Kulissen immer dann, wenn aus dem Graben gerade der schönste Wohlklang kommt, als Baustellen­ballett rumpelnd über die Bühne geschoben.

Schlecht gemachte Effekte

Einige Bühneneffe­kte sind technisch richtig schlecht: Wenn der Speer von Klingsor zu Parsifal fliegt, stimmt das Timing ebenso wenig wie der Einsatz für den Fernchor. Und wenn Klingsors Zaubergart­en in die Luft fliegt, ist das in der Musik schon geschehen, bevor es die Bühne nachspielt.

Angeblich inspiriert von Ferdinand Hodlers Monumental­gemälde „Die Lebensmüde­n“hat Monika Staykova den Männerchor in lumpige Batiktüche­r gehüllt: Die Gralsritte­r sind am Ende. Und das von Anfang an. Eine Idee ist bei dieser Inszenieru­ng nicht erkennbar. Der Lorbeer gebührt allein der Musik, der Orchesterl­eistung und den Sängerinne­n und Sängern.

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FOTO: DPA
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FOTO: MONIKA RITTERSHAU­S Stark ist der Eindruck, den Gerald Finley als Amfortas in Baden-Baden hinterläss­t.

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