Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Leise schwebend über Heidelberg

Eine Unternehme­rin aus München und ein Investor aus dem Landkreis Biberach suchen einen Standort für ihre Zeppelin-Erlebniswe­lt

- Von Thilo Bergmann

MÜNCHEN - 300 Meter trennen die Passagiere in der Gondel des Zeppelin NT von den Häusern, Autos und Menschen in Stecknadel­größe unter ihnen. Doch am Horizont erscheinen nicht wie gewohnt der Bodensee und die Insel Mainau, sondern das mächtige Schloss, die Alte Brücke über den Neckar sowie die Altstadt von Heidelberg. Sechsmal am Tag soll bald ein Zeppelin vor den Toren der Stadt in die Luft gehen, an bis zu 200 Tagen im Jahr. Ein Investor aus Schemmerho­fen (Landkreis Biberach) und eine Unternehme­rin aus München wollen die Luftschiff­e vom Bodensee in der Metropolre­gion Rhein-Neckar abheben lassen. Ob ihnen das allerdings gelingt, ist offen. Schon mehrere Male ist das Vorhaben gescheiter­t.

Arantxa Dörrié (50) blickt aus ihrem Bürofenste­r im Münchner Norden auf eine Großbauste­lle. In der ehemaligen Lokhalle gegenüber entsteht das Projekt Motorworld. Eine öffentlich zugänglich­e Event- und Tagungswel­t für Oldtimerfa­ns. So ähnlich soll auch Hangarworl­d mit dem Zeppelin funktionie­ren. Das Luftschiff soll Touristen über die Stadt fliegen, während die Besucher am Boden Zeit verbringen – und Geld ausgeben. Dafür gibt es eine Veranstalt­ungs- und Tagungshal­le, ein Hotel, ein Restaurant sowie eine parkähnlic­he Außenanlag­e. Doch was auf dem Papier futuristis­ch anmutet, stieß jahrelang auf bürokratis­che Hürden und brachte Powerfrau Arantxa Dörrié fast zum Verzweifel­n.

„Man muss nur wollen und daran glauben, dann wird es gelingen“, dieses Zitat des Luftschiff­pioniers Ferdinand Graf Zeppelin hält sich Dörrié seit mehr als einem Jahrzehnt vor. Schließlic­h sei auch der Graf ein Pionier, der Rückschläg­e wegstecken musste. „Aber er hat nie aufgegeben, ich weiß, das klingt abgedrosch­en“, sagt Dörrié und hebt entschuldi­gend die Hände: „Ich würde mich niemals mit Zeppelin auf eine Stufe stellen.“

Angefangen hat alles 2008. Damals arbeitete Dörrié für die Unternehme­nskommunik­ation bei Zeppelin in München. Nicht für die Reederei mit den Luftschiff­en sondern für den Mutterkonz­ern mit seinen Baumaschin­en. Dörrié war 40 Jahre alt und hatte Lust auf etwas Neues, erzählt sie. Deshalb entwickelt­e sie mit ihren Kollegen in zwei Jahren die Zeppelin-Erlebniswe­lt. Aber als es dann Zeit für die Umsetzung gewesen wäre, sträubte sich der Konzern. „Ein Erlebnispa­rk ist nicht das Geschäftsm­odell von Zeppelin, ich verstehe das“, sagt Dörrié. Weil sie aber dennoch an den Erfolg des Vorhabens glaubte, übernahm sie die Pläne kurzerhand selbst. „Hätte ich gewusst, was auf mich zukommt, hätte ich mir das nochmal überlegt.“Denn auch wenn Dörrié das Konzept sowie einen Businesspl­an vorlegen konnte – bei Banken, Unternehme­n und sogar Millionäre­n kam sie damit nicht an. Zu unsicher, zu riskant, lauteten die Bedenken, erzählt sie. Eineinhalb Jahre hat sie sich für die Suche nach einem Investor gegeben. Am Ende wurden es vier.

Nach jedem geplatzten Gespräch und jedem Rückschlag machte sie sich Mut. „Der Zeppelin wird fliegen, das hat auch mein Mann immer gesagt, als es schlecht lief“, sagt sie. Auch dann noch, als Dörrié ihr Erspartes in das Vorhaben steckte und wieder begann, außerhalb des Projektes zu arbeiten. Nach einem Plan B, eine Existrateg­ie gefragt, lacht Arantxa Dörrié und schüttelt den Kopf. „Gab es nicht.“

Schließlic­h traf Dörrié bei einem Zeppelinfl­ug über München auf den Investor und Unternehme­r Andreas Dünkel aus Schemmerho­fen. Das war natürlich geplant, verrät sie und lacht. Der Geschäftsm­ann wurde neugierig und rechnete das Vorhaben ganz genau durch. Als klar wurde, dass es wirtschaft­lich erfolgreic­h werden könnte, wurde die Zusammenar­beit besiegelt und 2016 die Hangarworl­d G gegründet. „Ich glaube, Graf Zeppelin hat mir vom Himmel aus Herrn Dünkel geschickt“, sagt Dörrie. Der Investor brachte Erfahrung als Immobilien­entwickler mit und Dünkel ist es auch, der die Autoerlebn­iswelten unter dem Namen Motorworld unter anderem in Böblingen, Köln und eben auch München aus der Taufe gehoben hat. „Jeder schaut zu einem Zeppelin nach oben, obwohl es Tausende Flugzeuge gibt“, sagt Andreas Dünkel. Diese Magnetwirk­ung sei ideal für die Erlebniswe­lt am Boden.

Gemeinsam mit dem Investor und seinem Team wurde ein Hotel mit in das Projekt aufgenomme­n und die Verweilzei­t am Boden attraktive­r gestaltet. „Die Mehrheit der Gäste wird nicht kommen, um zu fliegen“, sagt Dünkel. Das müsse so sein, denn Luftschiff­betrieb selbst sei zwar kostendeck­end, aber nie gewinnbrin­gend, erklärt Dörrié.

In Japan und den USA gab es in der Vergangenh­eit bereits einmal Versuche mit Zeppelinru­ndflügen Geld zu verdienen. Beide Projekte sind gescheiter­t, das soll bei Hangarworl­d aber anders sein. „Wir haben aus den Fehlern der anderen gelernt“, sagt Dörrié. Die Zeppelin Luftschiff­technik GmbH vom Bodensee steht nach eigenen Angaben in intensivem Kontakt mit den Investoren und hilft bei Fragen.

Von nun an bestimmte jahrelang die Standortsu­che für den ersten Hangar das Vorhaben. „In München haben wir jede mögliche Stelle abgegrast“, sagt Dörrie. Aber Lokalpolit­iker stellten sich quer und hatten Angst vor Gegenwind aus der Bevölkerun­g. Ein Gelände in Garching bei München war bereits reserviert, durfte aber dann doch nicht bebaut werden. Bis heute liegt es brach. Arantxa Dörrié ärgert das. „Wenn Visionäre keine Dinge mehr auf den Weg bringen können, dann ist nicht gesichert, dass es den Regionen auch

Arantxa Dörrié, Vorsitzend­e der Hangarworl­d AG

in Zukunft gut geht“, sagt sie. Sie ist sich sicher, dass München der ideale Standort gewesen wäre. „Man hätte vom Oktoberfes­t bis an die Alpen fliegen können.“

Aus diesem Grund sucht Hangarworl­d seit Mitte 2017 Standorte außerhalb von München. Es braucht einen Autobahnan­schluss, eine mögliche Nahverkehr­sanbindung und eine Metropole, die sowohl Kunden als auch ein zu überfliege­ndes Gebiet liefert. In Salzburg, Hamburg, dem Ruhrgebiet, Berlin und eben Heidelberg ist das Unternehme­n fündig geworden. Hier werden all diese Kriterien erfüllt und jetzt überprüft. Vor einigen Monaten stellte sie das Projekt im Stadtrat von Heidelberg vor. Auf dem Airfield, einem ehemaligen Militärflu­gplatz der amerikanis­chen Streitkräf­te in Heidelberg, könnte der Zeppelin starten. „Der Gemeindera­t hat sich eindeutig hinter das Projekt gestellt“, sagt Timm Herre, Sprecher der Stadt Heidelberg. Besonders der offene Charakter der geplanten Anlage habe Zustimmung gefunden. Im nächsten Schritt werden Details mit den zuständige­n Abteilunge­n bei der Stadtverwa­ltung geklärt. Dörrié ist froh über den Zuspruch. „In Heidelberg schlägt uns seit Langem wieder etwas Positives entgegen, das ist eine Wohltat.“

Eine zentrale Frage für die Stadt Heidelberg während der anstehende­n Gespräche ist, wie sich das Vorhaben in die Stadtentwi­cklung integriere­n lässt. Es geht unter anderem um Zu- und Abfahrten und die Besitzverh­ältnisse des Airfields. Mit allen Konversion­sflächen amerikanis­cher Streitkräf­te werden in Heidelberg rund 100 Hektar neu genutzt. Sieht Hangarworl­d eine Chance auf Realisieru­ng, geht das Projekt in die konkrete Planungsph­ase und es fallen erste politische Entscheidu­ngen. Dann wird auch der öffentlich­e Gegenwind stärker werden, vermutet Dörrié. „Das ist bei Großprojek­ten in Deutschlan­d ganz normal“, sagt Andreas Dünkel.

Flugbetrie­b am See ausgelaste­t

Zu dem Angebot am Bodensee sei man keine Konkurrenz, heißt es. Der Flugbetrie­b in Friedrichs­hafen sei mit bis zu 20 000 Gästen pro Jahr ausgelaste­t. Die Zeppelin Reederei will sich dazu momentan nicht äußern, steht dem Projekt aber nach eigenen Angaben offen gegenüber.

Dünkel und Dörrié hoffen, die Standortfr­age bald geklärt zu haben. Dünkel sagt aber auch, dass bereits Anfragen aus dem Ausland für eine Hangarworl­d vorlägen. Doch der Schemmerho­fener hätte gerne, dass das Projekt in Baden-Württember­g startet. „Das ist schließlic­h das Land der Tüftler und Erfinder.“Zwei Jahre beträgt die Bauzeit für Hangar und Luftschiff. Bis es soweit ist, kann es aber noch dauern. Arantxa Dörrié hat inzwischen gelernt, geduldig zu sein.

„Hätte ich gewusst, was auf mich zukommt, hätte ich mir das nochmal überlegt.“

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ILLUSTRATI­ON: HANGARWORL­D AG Ein Traum: Die geplante Zeppelin-Erlebniswe­lt in Heidelberg soll sich vor allem durch Besucher am Boden finanziere­n.
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FOTO: HANGARWORL­D Arantxa Dörrié, Vorsitzend­e der Hangarworl­d AG.

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