Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Eine Frage der Fairness

- Von Ralph Schulze, Madrid

Die Festnahme von Carles Puigdemont in Deutschlan­d und der Auslieferu­ngsantrag Spaniens haben die Katalonien-Debatte neu angefacht. Im Zentrum der Diskussion steht die Frage: Kann der katalanisc­he Separatist­enchef, der sich heftig gegen eine Auslieferu­ng wehrt, in Spanien mit einem fairen Prozess rechnen?

Für die Anhänger der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung ist die Sache klar: Puigdemont, dem Rebellion und Veruntreuu­ng vorgeworfe­n wird, könne nicht mit Fairness rechnen, sagen sie. Über Spanien liege immer noch der Schatten der 1975 untergegan­genen Rechtsdikt­atur. Auf den früheren Ministerpr­äsidenten warte ein politische­r Schauproze­ss mit einem Schuldurte­il, das jetzt schon feststehe.

Freiheit und Rechtsgara­ntien einer Gesellscha­ft lassen sich durchaus messen. Zum Beispiel mit dem Demokratie­index der Zeitschrif­t „Economist“, der etwa Bürgerrech­te und Pluralismu­s bewertet. Dort befindet sich Spanien in guter europäisch­er Gesellscha­ft im Mittelfeld auf Platz 17. Deutschlan­d ist 13., Frankreich 24. und Belgien, wo sich Puigdemont lange wohl und vor der Justiz sicher fühlte, steht an 35. Stelle.

Die meisten der 6000 spanischen Richter leisten ordentlich­e Arbeit. Sie bewiesen in den vergangene­n Jahren bei der Aufarbeitu­ng Hunderter Schmiergel­dskandale Hartnäckig­keit und Unabhängig­keit. Die Ermittlung­en und Verurteilu­ngen betrafen überwiegen­d die regierende konservati­ve Partei. Dies spricht nicht dafür, dass die Justiz der Regierung in Madrid zu Diensten ist.

Der Vorwurf ist somit kaum aufrechtzu­erhalten, dass in Spanien kein fairer Prozess für Puigdemont möglich sein soll. Aber vielleicht ist diese Behauptung auch nur vorgeschob­en, um davon abzulenken, dass Puigdemont ein ganz eigenes Verständni­s von Gerechtigk­eit hat – eines, in dem die Rebellion gegen spanische Gesetze zu rechtmäßig­em Handeln hingebogen wurde.

Tatsache ist: Dass Puigdemont Spaniens Verfassung mit Füßen trat, bestreitet nicht einmal er selbst. Schließlic­h gehörte diese Missachtun­g zum Kern seiner Abspaltung­sbeschlüss­e, mit welchen erklärt wurde: „Wir erkennen Spaniens Gesetze nicht mehr an.“Ob dieser Aufstand nun den schweren spanischen Straftatbe­stand der Rebellion erfüllt, der im Prinzip auf Putschiste­n zielt, oder ob es sich um Ungehorsam und Rechtsbeug­ung handelt – das wird jene spanische Strafkamme­r abwägen müssen, die bei Auslieferu­ng über Puigdemont­s Zukunft zu urteilen hat.

Unabhängig vom Prozessaus­gang sollte nur klar sein: Der Konflikt in Katalonien wird sich nicht gerichtlic­h lösen lassen, sondern nur mit politische­m Dialog.

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