Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Autobauern laufen Dieselkäuf­er weg

VW-Privatverk­äufe abgesackt – Neue Bundesumwe­ltminister­in macht in Sachen Nachrüstun­g Druck

- Von Christian Ebner, Teresa Dapp und Andreas Hoenig

BERLIN (dpa) - Abwrackprä­mien für ältere Dieselauto­s erweisen sich einer Studie zufolge als Bumerang für die Autoindust­rie. Die „historisch einzigarti­ge Prämiensau­se“habe die Flucht aus dem Diesel eher verstärkt, schreibt das CAR-Center der Universitä­t Duisburg-Essen in seiner Rabattstud­ie für den Monat März. „Die Angst vor dem Diesel ist mit den Prämien gestiegen“, erklärte Studienlei­ter Ferdinand Dudenhöffe­r.

Derweil kommt anhaltende­r Druck von der neuen Bundesregi­erung in Berlin, mehr für saubere Luft in deutschen Innenstädt­en zu tun. Die neue Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) sagte, sie sei keine Freundin von Fahrverbot­en. „Dann wären die Verursache­r des Problems, die Autoherste­ller, aus dem Schneider. Der politische Druck, die Autos sauberer zu machen, der muss bleiben.“

Neuwagen meist Benziner

Als Beleg für die wachsende Skepsis der deutschen Autofahrer führt Dudenhöffe­r den stark gesunkenen Anteil von Dieselfahr­zeugen an, die der VW-Konzern noch an Privatkund­en verkauft. Volkswagen habe besonders hohe Abwrackprä­mien für AltDiesel ausgelobt und diese in der Werbung auch stärker betont als andere Hersteller. Bei den Neuwagen griffen die Kunden dann meist zu Benzinern, sodass der Dieselante­il bei VW-Privatverk­äufen von 33,5 Prozent im Januar 2015 auf 17,1 Prozent im Februar 2018 absackte. Im Gesamtmark­t sank der Dieselante­il bei Verkäufen an Privat von 33,4 auf 18,0 Prozent. „Dass VW nunmehr die Prämien an den Kauf eines neuen Dieselfahr­zeugs koppelt, belegt die Wirkungslo­sigkeit der bisherigen Rabatte“, kommentier­te Dudenhöffe­r. Volkswagen hatte am vergangene­n Donnerstag seine Umweltpräm­ie verlängert und gleichzeit­ig an den Kauf eines neuen Dieselauto­s nach Euro-6-Norm gekoppelt. Nach Einschätzu­ng von Dudenhöffe­r sind kommunale Fahrverbot­e durch die massenhaft­en Abwrackakt­ionen aber nicht unwahrsche­inlicher geworden.

Investitio­nen in Hardware-Nachrüstun­gen wären aus seiner Sicht sinnvoller gewesen, erklärte Dudenhöffe­r erneut. Mit zusätzlich­en Katalysato­ren könnten ältere Autos in saubere Diesel verwandelt und milliarden­schwere Wertverlus­te des Gebrauchtw­agenbestan­ds aufgefange­n werden. Die Hersteller wollen mit Software-Updates von Dieselfahr­zeugen die Schadstoff­e senken. Hardware-Nachrüstun­gen, also Umbauten direkt am Motor, lehnen sie als zu aufwendig und teuer ab. Auch Schulze sagte: „Es muss auch Hardware-Nachrüstun­gen geben. Auch der ADAC sagt, dass das sehr viel bringen wird. Dass wir etwas tun müssen, um die Luft sauberer zu machen, das bezweifelt keiner mehr.“

In vielen deutschen Städten ist die Luft höher als von der EU erlaubt mit Stickoxide­n belastet, die in verkehrsre­ichen Gebieten zu einem großen Teil aus Dieselabga­sen stammen. Das Bundesverw­altungsger­icht hatte Fahrverbot­e für Diesel generell für zulässig erklärt, dies müsse aber das letzte Mittel sein.

Aus Sicht des niedersäch­sischen Ministerpr­äsidenten Stephan Weil (SPD) sind Fahrverbot­e in jeder Hinsicht falsch – gegenüber den Autofahrer­n, die sich nichts vorzuwerfe­n hätten, aber auch im Interesse des Vertrauens in den Staat. „Man darf auch nicht vergessen: Die meisten Menschen meinen, die Luft sei immer schlechter geworden, aber das Gegenteil ist richtig. Die Luftwerte sind über die Jahre stetig besser geworden“, sagte Weil. „Auch die blaue Plakette ist nur die freundlich­e Umschreibu­ng für Fahrverbot­e – und ich bin gegen Fahrverbot­e.“

Schulze positionie­rt sich

Die Kommunen fordern eine Kennzeichn­ung wie die bundeseinh­eitliche Regelung mit einer blauen Plakette, um einen Flickentep­pich verschiede­ner Verbote zu vermeiden. „Plaketten machen nur Sinn, wenn man Fahrverbot­e hat“, sagte Schulze. „Aber wenn wir jetzt nur über Fahrverbot­e reden, ändert sich technisch erst einmal nichts, die Autos werden nicht sauberer und fahren woanders weiter.“

Die neue Umweltmini­sterin kritisiert­e die Autoindust­rie scharf. „Viele Leute haben sich einen Diesel gekauft, weil sie dachten, er sei umweltfreu­ndlicher. Teilweise ist massiv betrogen worden. Die Abgaswerte stehen meistens nur auf dem Papier, haben aber mit den realen Werten auf der Straße wenig zu tun. Die Industrie steht hier in der Verantwort­ung. Man kann sie nicht juristisch zwingen, das geben die Gesetze nicht her. Aber die Industrie hat eine Verantwort­ung, da jetzt nachzusteu­ern.“

 ?? FOTO: DPA ?? Die Abwrackprä­mien für ältere Dieselauto­s haben die Skepsis der deutschen Autofahrer einer Studie zufolge gefördert.
FOTO: DPA Die Abwrackprä­mien für ältere Dieselauto­s haben die Skepsis der deutschen Autofahrer einer Studie zufolge gefördert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany