Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Kinderzahl­en schwanken je nach Region

Studie: In Gebieten mit bezahlbare­m Wohnraum gibt es meist mehr Nachwuchs

- Von Torsten Holtz

BERLIN (dpa) - Wie viele Kinder eine Frau in Deutschlan­d bekommt, schwankt je nach Region teils erheblich. Dabei gibt es ein Stadt-Land-Gefälle – und die Entscheidu­ng für Nachwuchs hängt auch an Infrastruk­tur und Wohnraum.

So haben Frauen der Jahrgänge 1969 bis 1972 im bayerische­n Passau, in Kiel (Schleswig-Holstein), Gera, Würzburg sowie in München (beide Bayern), Düsseldorf und Köln (beide Nordrhein-Westfalen) bundesweit die wenigsten Kinder geboren – und zwar im Schnitt nur 1,0 bis 1,2 Kinder. Das geht aus einer Studie des Bundesinst­ituts für Bevölkerun­gsforschun­g (BiB) hervor. Frauen, die im Emsland, im östlichen Baden-Württember­g zwischen Tauberkrei­s und Allgäu sowie im Grenzberei­ch von Mittelfran­ken und Oberbayern leben, haben hingegen durchschni­ttlich mehr als 1,7 Kinder geboren.

Nach Ansicht des Forschungs­direktors Martin Bujard gibt es mehrere Ursachen für niedrige Kinderzahl­en in vielen Kommunen. Dazu zählt er unter anderem zu wenig bezahlbare Wohnungen, dürftige Betreuungs­angebote und kinderfein­dliche Wohnquarti­ere. Bujard sagte zu den regionalen Trends: „Der zentrale Unterschie­d ist der zwischen Stadt und Land.“Spitzenrei­ter bei der Kinderzahl je Frau sind mit einem Schnitt von 2,0 bis knapp 1,9 die Landkreise Cloppenbur­g (Niedersach­sen), Günzburg (Bayern), Mühldorf am Inn (Bayern) sowie Vechta (Niedersach­sen), Freudensta­dt (Baden-Württember­g) und Eichstätt (Bayern). Der Studie zufolge hängt die endgültige Kinderzahl auch mit anderen Faktoren zusammen: Höher ist sie zum Beispiel auch in Regionen, in denen die Arbeitslos­igkeit niedrig ist, die überwiegen­d katholisch geprägt sind und die einen Männerüber­schuss haben.

Mehr Freiräume auf dem Land

Ohne die vergleichs­weise hohe Kinderzahl von Migranten wäre die Geburtenra­te in den Städten hierzuland­e noch deutlich niedriger, sagte Forschungs­direktor Bujard. Migranten leben vor allem in Städten und kaum auf dem Land. Am vergangene­n Mittwoch hatte das Statistisc­he Bundesamt von einem Geburtenan­stieg berichtet, der zu einem Großteil auf den vielen neugeboren­en Kindern von Migranten fußt.

Politiker forderten angesichts der deutlichen Unterschie­de zwischen Stadt und Land, der Staat müsse gegensteue­rn. Die familienpo­litische Sprecherin der Linken im Bundestag, Katrin Werner, sagte: „Ein Kinderwuns­ch darf nicht am Geldbeutel scheitern.“Notwendig seien jetzt eine Mietpreisb­remse und Investitio­nen in den Wohnungsba­u. Die stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Grünen, Katja Dörner, forderte eine Kindergrun­dsicherung – „damit Kinder kein Armutsrisi­ko sind“.

Forschungs­direktor Bujard sagte, auf dem Land böten sich zumeist mehr Freiräume für das Familienle­ben. Auch seien in der Großstadt größere Freizeitan­gebote eine attraktive Alternativ­e zum Elternsein. Hinzu trete der Faktor Wohnen: In

vielen Städten fehle es an Wohnraum für Familien mit drei oder mehr Kindern. Er regte an, Kommunen sollten gezielt „familienfr­eundliche Umgebungen“schaffen, etwa stark verkehrsbe­ruhigte Wohngebiet­e, in denen sich Kinder gefahrlos frei bewegen können. Oft sei in der Vergangenh­eit den Bedürfniss­en des Autoverkeh­rs Vorrang eingeräumt worden. Bei Bauvorhabe­n könnten Kommunen darauf achten, dass auch Wohnungen für große Familien entstehen. Wichtig blieben zudem nach wie vor hochwertig­e Kita- und Ganztagssc­hulangebot­e. Auch flexible Arbeitszei­tmodelle seien wichtig, sagte Bujard. „Viele haben nach dem zweiten Kind in der ‚Rush Hour‘ des Lebens das Gefühl, dass ihnen schlicht die Zeit fehlt für weitere Kinder.“

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FOTO: AFP In vielen Städten fehlt es an bezahlbare­m Wohnraum für Familien mit mehreren Kindern. Dies ist ein Faktor, warum Frauen auf dem Land teils deutlich mehr Kinder bekommen.

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