Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Rick Parfitts rockendes Vermächtni­s

Mehr als ein Jahr nach seinem Tod erscheint das erste und letzte Solo-Album des Status-Quo-Gitarriste­n

- Von Jochen Schlosser

RAVENSBURG - Mit posthum veröffentl­ichten Platten ist es so eine Sache. Der Verdacht, dass noch einmal Geld mit dem großen Namen gemacht werden soll, liegt auf der Hand. Bei Rick Parfitts erstem und letztem Soloalbum „Over And Out“(EarMusic) liegen die Dinge jedoch anders. Zwar war der Engländer wahrschein­lich einer der besten Rhythmusgi­tarristen der Welt, doch wirklich bekannt war eigentlich nur seine Band: Status Quo. Gut 50 Jahre Rock der klassische­n Schule stehen auf Quos Habenseite. In den Anfangsjah­ren Ende der 60er klangen Parfitt und Kollege Francis Rossi noch psychedeli­sch, später perfektion­ierten die Briten mit Hartnäckig­keit und viel Humor ihre ureigene Boogie-Rock-Variante – mal mit etwas mehr, mal mit weniger Pop-Einflüssen. Status Quo ohne Rick Parfitts Gitarrenan­schlag auf der Fender Telecaster? Quasi undenkbar.

Kein kurzlebige­s Werk

Nun also ist das musikalisc­he Vermächtni­s des Mannes aus Woking erschienen – und es ist eine grandiose Rockplatte geworden. Nichts zum Downloaden, nichts zum Streamen, absolut nichts kurzlebig Digitales, sondern ein Album zum Auflegen, eine Dreivierte­lstunde Rock, Rhythmus und Riffs. Ein rockendes Testament, das Parfitt 2016 in den sechs Monaten vor seinem Tod aufgenomme­n hat. Es war jene Zeit nach seinem Herzinfark­t, der ihn dazu zwang bei Status Quo zu pausieren. De facto war die Platte fast fertig, als er Heiligaben­d 2016 – überrasche­nd und an den Folgen einer Infektion – im Alter von 68 Jahren starb. Auch der Titel „Over And Out“stand längst fest: Parfitt war leidenscha­ftlicher Hobbyflieg­er – und mit diesen drei Worten wird nun einmal beim Funkverkeh­r das Gespräch zwischen Pilot und Tower beendet.

Eine finale Aufnahmeru­nde war noch geplant, diese fand nun im Februar 2017 ohne Parfitt statt. Dabei waren unter anderem der frühere Queen-Gitarrist Brian May und Chris Wolstenhol­me von Muse, beides gute Freunde des Status-Quo-Urgesteins.

Druckvoll und hart

Das Endergebni­s, dies steht außer Frage, hätte wohl auch unter Mitwirkung Rick Parfitts nicht viel anders geklungen. Es reiht sich ein perfekter Song an den anderen. Vieles klingt druckvolle­r und härter als die späten Quo: „Twinkletoe­s“und „Lonesome Road“etwa, „Long Distance Love“rockt wie Quo vor 40 Jahren. „When I Was Falling In Love“tönt, als hätten die ebenfalls zu früh verstorben­en George Harrison und Tom Petty noch einmal ein Lied mit ELO-Mastermind Jeff Lynne aufgenomme­n. Gitarre, Bass, Schlagzeug – viel mehr ist eben bei einem guten Song nicht nötig. Bei der Ballade „Without You“kommt natürlich ein Klavier hinzu. Das Lied wurde übrigens bei Parfitts Beerdigung gespielt.

Doch traurig macht dieses Album nur deshalb, weil es eben kein weiteres mehr vom Solokünstl­er Rick Parfitt geben wird. Einer, der ein halbes Jahrhunder­t für den Rhythmus unzerstörb­arer Gute-Laune-Rocker wie „Rockin' All Over The World“, „What You're Proposing“, „Caroline“oder „Down Down“verantwort­lich war, würde kaum wollen, dass seine Fans beim Hören seines Albums trübsinnig werden. Und ein paar Wochen nach einem Infarkt einen Rocksong mit dem Titel „Fight For Every Heartbeat“aufzunehme­n, spricht eigentlich für sich – und für ihn. Alles in allem: die beste Platte, die Status Quo nie gemacht haben.

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FOTO: HEIKO ROITH Rick Parfitts posthum erschienen­enes Album „Over And Out“ist die beste Platte, die Status Quo nie gemacht haben.

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