Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Die Gang will keine Perfektion
Hinds präsentieren auf „I Don’t Run“Garagenrock mit Charme
RAVENSBURG - Die ersten Takte des Zweitlings von Hinds klingen, als ob die vier Spanierinnen zu spät kommen. Zu spät für den großen Hype. Diese herrlich schrammeligen Gitarren beschwören Erinnerungen an selige Indierockzeiten Mitte der Nullerjahre herauf, und passenderweise war unter anderem mit Gordon Raphael der Soundzauberer der Indierock-Stars The Strokes an der Produktion beteiligt.
Doch Hinds geht es nicht um Nostalgie, und so ist „I Don’t Run“kein lauwarmer Aufguss von „Leave Me Alone“, mit dem das Quartett vor zwei Jahren begeisterte. Man hört dem Album das Selbstbewusstsein und den Elan an, mit dem die beiden Sängerinnen und Gitarristinnen Carlotta Cosials und Ana García Perrote sowie Ade Martín (Bass) und Schlagzeugerin Amber Grimbergen zuwerke gehen. Dazu haben sie auch allen Grund, denn neben Touren mit The Libertines und besagten The Strokes traten Hinds auch als erste spanische Band auf der Hauptbühne des britischen Glastonbury-Festivals auf. Kritiker – vor allem männliche – warfen der Band unzulängliche musikalische Fähigkeiten vor. Die Frauen konterten derlei Vorwürfe immer wieder souverän und stellten klar, dass es nicht um Perfektion geht. Es ist gerade dieser ungehobelte, rohe Garagenrock-Charme, der Hinds so unverwechselbar macht. Hier geht es nicht um Casting-Vollendung, und zum Glück stimmen die Fans in Zeiten der globalen Vernetzung eben selbst darüber ab, ob und wen sie auf der Bühne sehen wollen. Glattgebügelt überlassen Hinds gern anderen.
Der lässige Opener „The Club“zeigt die rockige Seite von Hinds, während sich „Soberland“mit seinen luftigen Surf-Passagen als Soundtrack zum bevorstehenden Sommer empfiehlt. „New For You“steht programmatisch für die Aufbruchstimmung, die das zweite Studioalbum der Band transportiert. Melancholische Momente wie in „I Feel Cold But I Feel More“ergänzen sich gut mit der ausgelassenen Stimmung von „Rookie“. Mit dem skizzenhaften „Ma Nuit“klingt die Platte aus, die Musik ebbt ab, Vögel zwitschern. Als ob die Girl-Gang um die Häuser gezogen ist und jetzt verschnaufen muss. Bis zur nächsten Welttournee.