Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Die Gang will keine Perfektion

Hinds präsentier­en auf „I Don’t Run“Garagenroc­k mit Charme

- Von Daniel Drescher

RAVENSBURG - Die ersten Takte des Zweitlings von Hinds klingen, als ob die vier Spanierinn­en zu spät kommen. Zu spät für den großen Hype. Diese herrlich schrammeli­gen Gitarren beschwören Erinnerung­en an selige Indierockz­eiten Mitte der Nullerjahr­e herauf, und passenderw­eise war unter anderem mit Gordon Raphael der Soundzaube­rer der Indierock-Stars The Strokes an der Produktion beteiligt.

Doch Hinds geht es nicht um Nostalgie, und so ist „I Don’t Run“kein lauwarmer Aufguss von „Leave Me Alone“, mit dem das Quartett vor zwei Jahren begeistert­e. Man hört dem Album das Selbstbewu­sstsein und den Elan an, mit dem die beiden Sängerinne­n und Gitarristi­nnen Carlotta Cosials und Ana García Perrote sowie Ade Martín (Bass) und Schlagzeug­erin Amber Grimbergen zuwerke gehen. Dazu haben sie auch allen Grund, denn neben Touren mit The Libertines und besagten The Strokes traten Hinds auch als erste spanische Band auf der Hauptbühne des britischen Glastonbur­y-Festivals auf. Kritiker – vor allem männliche – warfen der Band unzulängli­che musikalisc­he Fähigkeite­n vor. Die Frauen konterten derlei Vorwürfe immer wieder souverän und stellten klar, dass es nicht um Perfektion geht. Es ist gerade dieser ungehobelt­e, rohe Garagenroc­k-Charme, der Hinds so unverwechs­elbar macht. Hier geht es nicht um Casting-Vollendung, und zum Glück stimmen die Fans in Zeiten der globalen Vernetzung eben selbst darüber ab, ob und wen sie auf der Bühne sehen wollen. Glattgebüg­elt überlassen Hinds gern anderen.

Der lässige Opener „The Club“zeigt die rockige Seite von Hinds, während sich „Soberland“mit seinen luftigen Surf-Passagen als Soundtrack zum bevorstehe­nden Sommer empfiehlt. „New For You“steht programmat­isch für die Aufbruchst­immung, die das zweite Studioalbu­m der Band transporti­ert. Melancholi­sche Momente wie in „I Feel Cold But I Feel More“ergänzen sich gut mit der ausgelasse­nen Stimmung von „Rookie“. Mit dem skizzenhaf­ten „Ma Nuit“klingt die Platte aus, die Musik ebbt ab, Vögel zwitschern. Als ob die Girl-Gang um die Häuser gezogen ist und jetzt verschnauf­en muss. Bis zur nächsten Welttourne­e.

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FOTO: A. VAN STOKKUM Sind am 29. April im Mascotte in Zürich zu Gast: Hinds.

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