Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Altes Gemüse für die Zukunft bewahren

Von Aubergine bis Zucchini – Saatgut-Initiative­n leisten Beitrag zum Erhalt der Artenvielf­alt

- Von Martina Groh-Schad

REGENSBURG (epd) - Auf dem Aussteller­tisch von Cora Leroy werden kleine Tütchen hin- und hergeschob­en. Eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter tauscht gerade Auberginen­Samen gegen Peperoni-Saatgut. „Das lässt sich leicht mit gutem Ergebnis ziehen“, sagt sie mit Blick auf das Kind, das Spaß am Gärtnern gewinnen soll. Cora Leroy vom Verein zur Erhaltung der Nutzpflanz­envielfalt aus Neumarkt in der Oberpfalz ist gemeinsam mit ihrer Nachbarin als Aussteller­in beim Regensburg­er Saatguttag im Evangelisc­hen Bildungswe­rk dabei. Was sonst nur von Kleingärtn­er zu Kleingärtn­er über den Gartenzaun gereicht wird, steht hier einem großen Kreis zur Verfügung. „Das Interesse an solchen Tauschbörs­en ist groß“, sagt die 51-Jährige, die mit Begeisteru­ng selber Pflanzen und Gemüse züchtet.

„Alte Gemüsesort­en schmecken oft anders und intensiver“

„Für uns ist die Beschäftig­ung mit Saatgut Hobby und Leidenscha­ft“, erklärt Judith Hock-Klemm die Motivation des Organisato­ren-Teams. „Es geht uns darum, Menschen für den Eigenanbau von Pflanzen und Gemüse zu begeistern“, sagt sie. Damit würden die Vielfalt in den Gärten und das Überleben vieler Insekten gesichert. Doch auch der Erhalt von alten Pflanzen- und Gemüsesort­en liegt dem Organisati­onsteam am Herzen: „Das Gemüse schmeckt oft ganz anders und intensiver, als wir es aus dem Handel gewohnt sind. Dieses Wissen wollen wir an kommende Generation­en weitergebe­n.“

Der Geschmack von Lebensmitt­eln spielt auch am Stand von Biobauer Andreas Walz aus Amberg eine große Rolle. Der 43-Jährige hat sich auf Getreide spezialisi­ert. Mit seiner Familie ist es ihm gelungen, alte Getreideso­rten wiederzube­leben und diese erfolgreic­h zu vermarkten. Als „besonders herzhaft“charakteri­siert er den Geschmack seines Getreides. „Das kommt bei den Kunden gut an“, sagt er und zeigt stolz einen mehr als 2,5 Meter hohen Halm eines Champagner­roggens, den er in seinem Betrieb im Angebot hat.

Die öffentlich­e Diskussion um den Einsatz des Unkrautver­nichtungsm­ittels Glyphosat habe das Bewusstsei­n der Menschen für ihre Nahrungsmi­ttel geschärft, sagt er. „Ich habe das Gefühl, dass sich immer mehr Menschen Gedanken um ihre Lebensmitt­el machen und sich gesünder ernähren wollen.“

Ein Eindruck, den auch Anja Banzhaf teilt. Die Göttinger Gartenund Saatgutakt­ivistin stellt bei der Veranstalt­ung Thesen aus ihrem Buch „Wer das Saatgut hat, hat das Sagen“vor. „Global kontrollie­ren zehn Unternehme­n bis zu 75 Prozent des Saatgutmar­ktes“, erklärt sie. Wer das Saatgut kontrollie­re, kontrollie­re die gesamte Nahrungsmi­ttelkette, warnt sie. Mit einer weiteren Konzentrat­ion auf dem Markt sei zu rechnen.

„Vielfalt kann nur von vielen erhalten werden“

Möglich sei, dass bald nur noch drei Konzerne fast 61 Prozent des Saatgutes und rund 65 Prozent der Agrarchemi­kalien verkaufen. „Ich finde, man sollte über die Interessen nachdenken, die diese Unternehme­n verfolgen“, sagt sie.

Weltweit seien in den vergangene­n 100 Jahren 75 Prozent der Kulturpfla­nzenvielfa­lt verloren gegangen, in Deutschlan­d sogar noch mehr. Für das Saatgut bedeute dies Einheitlic­hkeit. Vielfalt sei jedoch die Grundlage der Züchtung. Eine zentrale Rolle komme dabei den Biobauern, aber auch den Kleinbauer­n und Gärtnern zu, die für die Unabhängig­keit ihres Saatguts kämpfen und die für Sortenviel­falt stehen. „Vielfalt kann nur von vielen erhalten werden“, betont Banzhaf. „Saatguttag­e wie hier in Regensburg leisten durch den Tausch von Samen einen wichtigen Beitrag, um für Artenreich­tum in der Landwirtsc­haft zu sorgen.“

Bei Cora Leroy am Tauschstan­d wechseln derweil Spinatsame­n gegen Sonnenblum­en-Saatgut den Besitzer. Leroy nimmt regelmäßig an Saatgutver­anstaltung­en teil und versucht, Menschen für die eigene Zucht zu begeistern. Um das Interessie­rten zu erleichter­n, hat sie das Buch „Gemüsesame­n selbst gezogen“geschriebe­n. 2017 landete sie damit unter den Top 5 der besten Gartenbüch­er der Deutschen Gartenbau-Gesellscha­ft. „Mein Buch berichtet davon, wie viel Spaß es macht, selber Blumen und Gemüse zu züchten“, sagt die 51-Jährige stolz. „Ich würde mir wünschen, dass sich noch viel mehr Menschen trauen, mit Samen zu experiment­ieren.“Ein leichter Einstieg gelinge mit Tomaten oder Chili, rät sie. „Im schlimmste­n Fall schmeckt das Ergebnis nicht. Mehr kann nicht passieren.“

Von vergessene­n Pflanzensc­hätzen und wie sie gedeihen handelt auch das 2018 neu erschienen­e Buch „Alte Gemüsesort­en neu entdeckt“des Gartenjour­nalisten Joachim Mayer. Auf 144 Seiten porträtier­t er traditions­reiche Varianten von der Aubergine über den Pflücksala­t bis zur Küchenzwie­bel, inklusive Praxistipp­s und Rezepten. GU Verlag, 16,99 Euro.

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FOTO: STEFFEN Standen kurz vor dem Aussterben, bis Liebhaber sich ihrer annahmen: Bamberger Hörnchen, eine alte Kartoffels­orte aus Franken.

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