Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Den Moment leben, das ist mir wichtig“
Der 39-jährige Markus Härle aus Lampertsweiler leidet an Demenz – Freund und Begleiter gesucht
RIEDLINGEN/LAMPERTSWEILER – Markus Härle hat die Diagnose erhalten: Er leidet an Demenz. Doch anders als viele seiner Leidensgenossen steht Markus Härle aus Lampertsweiler nicht in der sogenannten letzten Lebensphase, sondern er ist mitten im Leben. Denn Härle ist erst 39 Jahre alt. Auch wenn er mit Einschränkungen zu kämpfen hat, will er gegen die Krankheit angehen, will sich nicht verstecken. Er will aktiv bleiben, seiner Leidenschaft dem Fotografieren nachgehen. Unterstützt wird er von der Riedlinger Demenzpflege.
„Die Diagnose war für mich kein großer Schlag“, erzählt Markus Härle gefasst. Wenn man zwei Jahre herumsitzt und wartet, sei die Diagnose erleichternd. Da hatten ihn die Krankheit und seine sechs Jahre andauernde Depression bereits den Job und beinahe auch die Wohnung gekostet. „Er hat fast anderthalb Jahre nichts gehabt“, erinnert sich Mutter Britta Härle.
Berufliche und soziale Schwierigkeiten seien bei Demenzkranken leider die Norm, weiß auch Michael Wissussek. Er ist Leiter der Demenzpflege Riedlingen und beobachtet häufig, dass Demenzkranke durch die sozialen Maschen fallen. „Die Politik muss sensibler werden“, meint Wissussek; selbst heute werde Demenz noch wie ein Tabuthema behandelt. Ohne Hilfe von außen ziehen sich Demenzkranke immer mehr in sich zurück oder werden von der Gesellschaft ausgestoßen, während ihr Geist schwächer und schwächer wird. Für Markus Härle sei jetzt wichtig, dass die Diagnose in den Hintergrund rücke. Dafür müsse er geistig aktiv bleiben und den gesellschaftlichen Anschluss nicht verpassen.
Leidenschaftlicher Fotograf
„Den Moment leben, das ist mir wichtig“, sagt auch Härle. Schon deshalb versucht er, sich wieder mehr seiner Leidenschaft, der Fotografie, zuzuwenden. „Ich fotografiere gern am Morgen, am besten bei Nebel.“Markus Härles Augen leuchten, wenn er über seine Lieblingsbeschäftigung spricht. Er sei immer spontan nach Lust und Laune in die Natur gegangen. Doch die Krankheit änderte auch dies: „Mein Gefühl zieht mich nicht mehr so nach draußen wie früher“, meint der 39-Jährige. „Ich fotografiere zwar immer noch gerne, aber nicht so verrückt wie noch vor zwei Jahren.“
Bei Markus Härle ist die Demenz noch nicht so weit fortgeschritten. Trotzdem hat er mit tagtäglichen Einschränkungen zu kämpfen. Allein die Konzentrationsschwierigkeiten machen beispielsweise längere Autofahrten zu einer gefährlichen Angelegenheit. Einfach nichts zu tun ist jedoch bei Demenzkranken fatal. „Die beste Heilung für Demenz ist Aktivität, Training“, erklärt Michael Wissussek. Deshalb sei es für Markus Härle auch so wichtig, einen Freund zu haben, der ihn versteht und begleitet (siehe Kasten). Sein Traum ist ein Zusammenleben mit Gleichgesinnten: „Eine Wohngemeinschaft wäre toll“, sinniert Härle. Mit Freunden fotografierend die Natur erkunden: Auch diese Hoffnung gibt ihm die Kraft, weiter seinen Weg durchs Leben zu kämpfen. Denn Aufgeben ist für ihn kein Thema, schon gar nicht im blühenden Frühling.