Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Eine Potenzialkarte setzt Protest in Gang
Seit sieben Jahren kämpfen die Gögginger gegen weiteren Kiesabbau
GÖGGINGEN - Seit rund 60 Jahren wird in Göggingen im großen Stil Kies abgebaut. Das gehörte einfach mit dazu, „es hat sich nie groß jemand gewehrt“, sagt Rainer Ohmacht, der im Jahr 1987 nach Göggingen zog. Die Kiesfirmen bauten entspannt den Kies ab und arbeiteten sich Jahr für Jahr weiter an die Grenzen ihres Abbaugebietes vor. Doch im Jahr 2011 änderte sich etwas: „Da haben wir plötzlich mitbekommen, dass wieder gebohrt wird – und zwar außerhalb der eigentlichen Abbaugebiete“, sagt Eberhard Wiethoff, der 1997 nach Göggingen zog.
Wollten die Kieser etwa noch weitere Gebiete abbauen? Sollte etwa noch immer nicht Schluss sein mit dem Kiesabbau in Göggingen? Diese quälenden Fragen stellten sich den Göggingern plötzlich, die gehofft hatten, dass eines Tages einmal Schluss sein werde mit dem Kiesabbau im Ort. Kurz darauf gab es eine Ortschaftsratssitzung, in der der damalige Ortsvorsteher Martin Binder eine sogenannte Potenzialkarte Kies des Landesamts für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) im Regierungspräsidium Freiburg vorstellte. „Da war uns klar: Wenn jemand eine Potenzialkarte erstellt, dann steckt da mehr dahinter“, sagt Ohmacht. Bei ihm seien sämtliche rote Lichter angegangen.
Binder habe ein Gespür für die Sorgen der Bürger gehabt, erinnert sich Ohmacht. Er sei umgehend zu Bürgermeister Jochen Spieß gegangen und habe ihm signalisiert, dass sich in Göggingen möglicherweise etwas Heftiges regt. Spieß habe nicht lange gefackelt und schnell eine Bürgerversammlung einberufen, bei der auch er die Karte vorgestellt habe. Bei dieser Versammlung hätten dann verschiedene Gögginger Bürger vehement protestiert, sagt Ohmacht. Wolfgang Veeser habe seinen legendären Satz gesagt: „Das ist mit mir nicht zu machen.“Und Ohmacht selbst habe die Bürger noch an dem Abend aufgerufen: „Jetzt müssen wir uns wehren.“
Im Laufe des Jahres 2011 riefen Ohmacht und seine Mitstreiter wie Veeser und Wiethoff die „Bürgerinitiative gegen weiteren Kiesabbau“ins Leben, im Jahr 2012 wurde daraus schließlich der Verein „Lebenswertes Göggingen und Umgebung“. Ohmacht steht dem Verein vor. Seither sei der Verein bei allen Veranstaltungen in der Region, bei denen das Thema Kies eine Rolle spielt, vertreten. Der Verein schreibt sich verschiedene Erfolge auf die Fahnen, vor allem habe es deutliche Fortschritte bei der Rekultivierung gegeben. „Valet und Ott in Göggingen, die Nordmoräne in Bittelschieß: Beide Firmen haben vor uns doch herzlich wenig rekultiviert“, sagt Ohmacht. Erst in den vergangenen Jahren seien viele Gruben merklich rekultiviert worden, auch wenn längst nicht alles zufriedenstellend sei.
Keine Antwort bekommen
Ohmacht und Wiethoff haben aber vor allem schlechte Erfahrungen mit den Kiesern gemacht: „Wir haben oft das Gefühl: Die verarschen uns am laufenden Band. Die gehen über Leichen“, sagt Ohmacht. Oliver Baur von der Firma Martin Baur habe er in den zurückliegenden Jahren immer und immer wieder gefragt, ob dieser tatsächlich nahe Göggingen Abbau im Offenland, sprich auf freier Fläche und nicht im Wald, plane: „Er hat mir kein einziges Mal geantwortet“, sagt Ohmacht und schüttelt den Kopf.
Vor nunmehr zwei Jahren hat das Regierungspräsidium Tübingen den Firmen Baresel, Valet und Ott, Martin Baur sowie Nordmoräne weiteren Kiesabbau bei Göggingen und Bittelschieß genehmigt – zwar nicht im von den Firmen erhofften Umfang, aber eben doch große Gebiete. „Was uns vor allem ärgert, ist die Genehmigung von Abbau im Offenland“, sagt Ohmacht – „obwohl wir immer deutlich gemacht haben, dass das für uns ein absolutes No-Go ist“. Das Regierungspräsidium hatte entschieden, den Firmen Valet und Ott sowie Martin Baur den Abbau von 39 Hektar Kies im Offenland und direkt bei Göggingen zu erlauben. In diesem Offenland sieht Ohmacht allerdings ein wichtiges Naherholungsgebiet : „Viele reiten dort mit ihren Pferden, gehen mit ihren Hunden Gassi oder einfach so spazieren.“
Ohmacht könnte sich wie die meisten der 84 Vereinsmitglieder mit dem weiteren Abbau der Firmen Baresel und Nordmoräne – der gleichsam noch nicht begonnen hat – abfinden. „Wir leben hier nun einmal im Moräne-Gebiet“, sagt er. Das Gemeinschaftsvorhaben der Firmen Valet und Ott sowie Martin Baur soll allerdings verhindert werden. Und die Chancen stehen nicht schlecht, da die Gemeinde in diesem Gebiet Feldwege besitzt – und Bürgermeister Jochen Spieß in den vergangenen zwei Jahren nicht müde wurde zu betonen, dass die Gemeinde diese Wege nicht verkaufen werde. „Und ich weiß vom Bürgermeister, dass er auch bei dieser Meinung bleiben wird“, sagt Ohmacht. Diese kategorische Verweigerungshaltung habe Valet und Ott unterschätzt, ist er sich sicher. „Wenn die Firma doch abbauen will, muss sie halt klagen“, sagt er.