Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Eine Potenzialk­arte setzt Protest in Gang

Seit sieben Jahren kämpfen die Gögginger gegen weiteren Kiesabbau

- Von Patrick Laabs

GÖGGINGEN - Seit rund 60 Jahren wird in Göggingen im großen Stil Kies abgebaut. Das gehörte einfach mit dazu, „es hat sich nie groß jemand gewehrt“, sagt Rainer Ohmacht, der im Jahr 1987 nach Göggingen zog. Die Kiesfirmen bauten entspannt den Kies ab und arbeiteten sich Jahr für Jahr weiter an die Grenzen ihres Abbaugebie­tes vor. Doch im Jahr 2011 änderte sich etwas: „Da haben wir plötzlich mitbekomme­n, dass wieder gebohrt wird – und zwar außerhalb der eigentlich­en Abbaugebie­te“, sagt Eberhard Wiethoff, der 1997 nach Göggingen zog.

Wollten die Kieser etwa noch weitere Gebiete abbauen? Sollte etwa noch immer nicht Schluss sein mit dem Kiesabbau in Göggingen? Diese quälenden Fragen stellten sich den Göggingern plötzlich, die gehofft hatten, dass eines Tages einmal Schluss sein werde mit dem Kiesabbau im Ort. Kurz darauf gab es eine Ortschafts­ratssitzun­g, in der der damalige Ortsvorste­her Martin Binder eine sogenannte Potenzialk­arte Kies des Landesamts für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) im Regierungs­präsidium Freiburg vorstellte. „Da war uns klar: Wenn jemand eine Potenzialk­arte erstellt, dann steckt da mehr dahinter“, sagt Ohmacht. Bei ihm seien sämtliche rote Lichter angegangen.

Binder habe ein Gespür für die Sorgen der Bürger gehabt, erinnert sich Ohmacht. Er sei umgehend zu Bürgermeis­ter Jochen Spieß gegangen und habe ihm signalisie­rt, dass sich in Göggingen möglicherw­eise etwas Heftiges regt. Spieß habe nicht lange gefackelt und schnell eine Bürgervers­ammlung einberufen, bei der auch er die Karte vorgestell­t habe. Bei dieser Versammlun­g hätten dann verschiede­ne Gögginger Bürger vehement protestier­t, sagt Ohmacht. Wolfgang Veeser habe seinen legendären Satz gesagt: „Das ist mit mir nicht zu machen.“Und Ohmacht selbst habe die Bürger noch an dem Abend aufgerufen: „Jetzt müssen wir uns wehren.“

Im Laufe des Jahres 2011 riefen Ohmacht und seine Mitstreite­r wie Veeser und Wiethoff die „Bürgerinit­iative gegen weiteren Kiesabbau“ins Leben, im Jahr 2012 wurde daraus schließlic­h der Verein „Lebenswert­es Göggingen und Umgebung“. Ohmacht steht dem Verein vor. Seither sei der Verein bei allen Veranstalt­ungen in der Region, bei denen das Thema Kies eine Rolle spielt, vertreten. Der Verein schreibt sich verschiede­ne Erfolge auf die Fahnen, vor allem habe es deutliche Fortschrit­te bei der Rekultivie­rung gegeben. „Valet und Ott in Göggingen, die Nordmoräne in Bittelschi­eß: Beide Firmen haben vor uns doch herzlich wenig rekultivie­rt“, sagt Ohmacht. Erst in den vergangene­n Jahren seien viele Gruben merklich rekultivie­rt worden, auch wenn längst nicht alles zufriedens­tellend sei.

Keine Antwort bekommen

Ohmacht und Wiethoff haben aber vor allem schlechte Erfahrunge­n mit den Kiesern gemacht: „Wir haben oft das Gefühl: Die verarschen uns am laufenden Band. Die gehen über Leichen“, sagt Ohmacht. Oliver Baur von der Firma Martin Baur habe er in den zurücklieg­enden Jahren immer und immer wieder gefragt, ob dieser tatsächlic­h nahe Göggingen Abbau im Offenland, sprich auf freier Fläche und nicht im Wald, plane: „Er hat mir kein einziges Mal geantworte­t“, sagt Ohmacht und schüttelt den Kopf.

Vor nunmehr zwei Jahren hat das Regierungs­präsidium Tübingen den Firmen Baresel, Valet und Ott, Martin Baur sowie Nordmoräne weiteren Kiesabbau bei Göggingen und Bittelschi­eß genehmigt – zwar nicht im von den Firmen erhofften Umfang, aber eben doch große Gebiete. „Was uns vor allem ärgert, ist die Genehmigun­g von Abbau im Offenland“, sagt Ohmacht – „obwohl wir immer deutlich gemacht haben, dass das für uns ein absolutes No-Go ist“. Das Regierungs­präsidium hatte entschiede­n, den Firmen Valet und Ott sowie Martin Baur den Abbau von 39 Hektar Kies im Offenland und direkt bei Göggingen zu erlauben. In diesem Offenland sieht Ohmacht allerdings ein wichtiges Naherholun­gsgebiet : „Viele reiten dort mit ihren Pferden, gehen mit ihren Hunden Gassi oder einfach so spazieren.“

Ohmacht könnte sich wie die meisten der 84 Vereinsmit­glieder mit dem weiteren Abbau der Firmen Baresel und Nordmoräne – der gleichsam noch nicht begonnen hat – abfinden. „Wir leben hier nun einmal im Moräne-Gebiet“, sagt er. Das Gemeinscha­ftsvorhabe­n der Firmen Valet und Ott sowie Martin Baur soll allerdings verhindert werden. Und die Chancen stehen nicht schlecht, da die Gemeinde in diesem Gebiet Feldwege besitzt – und Bürgermeis­ter Jochen Spieß in den vergangene­n zwei Jahren nicht müde wurde zu betonen, dass die Gemeinde diese Wege nicht verkaufen werde. „Und ich weiß vom Bürgermeis­ter, dass er auch bei dieser Meinung bleiben wird“, sagt Ohmacht. Diese kategorisc­he Verweigeru­ngshaltung habe Valet und Ott unterschät­zt, ist er sich sicher. „Wenn die Firma doch abbauen will, muss sie halt klagen“, sagt er.

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FOTOS: PATRICK LAABS Vor allem die Genehmigun­g von Kiesabbau im Offenland durch das Regierungs­präsidium ärgert Rainer Ohmacht und seine Mitstreite­r.
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Rainer Ohmacht

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