Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Wo selbst die Götter applaudier­en

Ein einziger Rausch – Darts-Zirkus residiert mit viel Party und großem Sport in München

- Von Michael Panzram und Felix Alex

MÜNCHEN - Super-Mario und sein Kumpel Luigi wollten sich an Ostern nicht nur mit Eiersuchen und familiärer Harmonie zufriedeng­eben. Spaß und Sport sollte es sein, allerdings kein Fußball – keine optimierte, gebügelte Werbefilmw­elt. Wie gut, dass es eine Alternativ­e gab: Die besten Dartsspiel­er der Welt legten auf ihrer ständig wachsenden PDCEurope-Tour einen kleinen Zwischenha­lt in München ein. Und so standen die Brüder im Geiste in voller Montur nebeneinan­der, prosteten sich zu, sangen, umarmten Fremde und ließen ihre Blicke ins weite Rund der Zenith-Kulturhall­e schweifen, immer mit einem Auge auf der Bühne, wo die Meister des Pfeilewerf­ens sich rasante Duelle und Verfolgung­sjagden lieferten.

Für Außenstehe­nde ist die Faszinatio­n des Dartssport vielleicht nicht immer nachzuvoll­ziehen, doch inmitten der freudigen Jünger dieser Sportart kann und will sich beinahe niemand dem Fieber entziehen. 2800 trink- und begeisteru­ngswillige Dartsfans waren an diesem Ostersonnt­ag in eine herrlich schmucklos­e Halle gekommen, um dem Trendsport zu huldigen, der in immer größeren Wellen von der Insel aufs Festland herübersch­wappt und jährlich zur Weihnachts­zeit mit der Weltmeiste­rschaft neue Einschaltq­uotenRekor­de generiert. Und während Weihnachte­n, Darts und London für viele schon seit Jahren zusammenge­hören, könnte das in Zukunft auch für das Osterfest, Darts und München zutreffen. Auf der einen Seite fromme Rituale, auf der anderen das genaue Gegenteil: Die Stimmung ist wie die im Bierzelt zur Wiesnzeit, nur kommt die Musik eben vom Band. Dirndl und Lederhosen sind auch eher unterreprä­sentiert. Dafür sind eben Mario und Luigi da und unzählige andere kostümiert­e Menschen. Wolfgang Petry steht neben einer Banane am Pissoir, in der Schlange vor dem Essensstan­d stehen mehrere mannshohe Biergläser neben einem liebevoll dekorierte­n Duff-Man, selbst die griechisch­en Götter sind von ihrem Olymp herabgesti­egen und verfolgen auf Bierbänken mehr oder weniger konzentrie­rt, was die meist moppeligen Männer auf der Bühne da mit ihren Pfeilen anstellen. Und auch wenn es äußerlich nicht immer danach aussieht, ist es unbestritt­en Hochleistu­ngs- und Präzisions­sport.

Spitzenspo­rt vor feiernder Menge

Mit Max Hopp gibt es sogar einen deutschen Helden, was der allgemeine­n Aufmerksam­keit zwar guttut, aber keine Grundvorau­ssetzung ist. Wer Darts liebt, kennt keine strenge Vorliebe für eine einzelne Nation. Was nicht heißt, dass es keine Buhrufe gäbe. Allgemein sind es die Typen dort auf der Bühne, die zumeist gar nicht nach dem aussehen, was sie sind, eher wie frisch von der Bierbank in den Fokus des Publikums gezerrt. Und jeder hat seine Fans – der Paradiesvo­gel Peter „Snakebite“ Wright mit seiner bunten Kleidung und dem markanten Irokesen, der Dominator Michael van Gerwen – nur echt in grünem Poloshirt, mit Glatze und dem Gesicht zur Faust geballt – oder der stille Weltmeiste­r Rob Cross (siehe „Nachgefrag­t“). Sie alle prägen diesen Sport, dürfen als Helden aus dem Volk durch eben jenes wandeln, mit schönen Frauen und lauter Musik durch die Massen auf die Bühne schreiten.

Davor und auch überall anders fließt das Bier in rauen Mengen. Das Reich von Super-Mario ist an diesem Abend ein sehr angeheiter­tes. Die Stimmung sucht ihresgleic­hen – Ballermann mit Spitzenspo­rt. Als die besten Dartsspiel­er an der Reihe sind, hat sich jedoch bereits etwas Erschöpfun­g eingestell­t – so ein Darts-Tag ist lang und kostet Kraft. Die künstleris­chen Pausen des Publikums werden unterbroch­en, wenn oben das Maximum mit den drei Pfeilen geworfen wird. 180! Hoch die Schilder!

Was diesen Abend so fasziniere­nd macht? „Es ist ein einziger Rausch“, sagt ein zutraulich­er junger Mann. Seine Aussage könnte wohl von jedem in der ausverkauf­ten Halle stammen. Denn so oder so steht der wunderbar doppeldeut­ige Satz wie in Stein gemeißelt für das, was alle hier eint. Spaß haben, Sport gucken, Bier trinken – ein herrlicher Dreiklang. Es geht mir mittlerwei­le viel besser damit als direkt nach dem Titelgewin­n. Mein Kopf hat gebrummt. Jetzt ist es viel einfacher für mich, es fühlt sich wieder leichter an. Mein Average ist wieder über 100, auch wenn ich noch nicht in Bestform bin. Ich warte noch immer darauf, diesen Punkt wieder zu erreichen. Ich spiele ganz gut und gewinne auch an Tagen, an denen ich nicht ganz so gut drauf bin.

Wo haben Sie Ihre WM-Trophäe aufgestell­t? Stürzt sich jeder Besucher direkt darauf ?

Ich hatte anfangs wenig Zeit, mich mit der Trophäe zu beschäftig­en. An einem Abend sind wir ausgegange­n, haben den Pokal mitgenomme­n und richtig gefeiert. Da waren enge Freunde dabei. Das war ein sehr schöner Moment.

Darts wird in Europa immer beliebter. Wie empfinden Sie das deutsche Publikum?

Immer wenn ich nach Deutschlan­d komme, nicht nur hier in München, ist es etwas ganz Spezielles. Es ist absolut toll, was das Publikum hier abzieht. Ich würde mir wünschen, hier noch mehr Turniere zu spielen. Die Leute sind fantastisc­h, respektvol­l und sehr fair.

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FOTOS: PDC EUROPE Bunt, schrill, sportbegei­stert: die Zuschauerz­usammenset­zung beim Darts sucht man – für viele Gott sei Dank – woanders vergeblich.
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„Wenn ich dürfte, würde ich so auch auf der Bühne spielen“, so Snakebite.

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