Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Nachtrag im Johannesevangelium führt Ostern eindrucksvoll vor Augen
Liebe Leserinnen und Leser, wussten Sie, dass das Johannesevangelium um einen Nachtrag ergänzt wurde? In Johannes 21 findet sich eine Erzählung, die von Schülern des Evangelisten an das Buch angefügt wurde. Sie ist für mich der Text, der uns das, was an Ostern geschehen ist, eindrucksvoll vor Augen führt.
Sie berichtet, wie sich Jesus zu einem unbestimmten Zeitpunkt nach der Auferstehung seinen Jüngern am See Genezareth „noch einmal“zeigt. Der Text berichtet uns von einem Déjà-vu: Petrus geht fischen und die anderen Jünger fahren mit - sie fangen in der ganzen Nacht, die sie sich auf dem See um die Ohren hauen, keinen einzigen Fisch. Am See Genezareth und in genau dieser Situation hatte ihr Weg mit Jesus begonnen: er hatte sie aus ihrem kargen Alltag als Fischer herausgeholt und sie hatten alles stehen und liegen gelassen, um ihm nachzufolgen. Nun waren sie dahin zurückgekehrt, wo alles begonnen hatte.
Ihr Lebensentwurf war gescheitert: Jesus war verraten worden, wurde angeklagt, starb, von allen verlassen, am Kreuz. Und dann? Die verwirrenden Ereignisse am Ostermorgen trugen ihren Teil dazu bei, dass Das Sonntagsläuten die Jünger zurück in ihr altes Leben gingen:, zurück an den See, zurück zu ihren einfachen Wurzeln, die sie eigentlich mit Jesus hinter sich gelassen hatten.
Dieser Schritt muss ihnen schwer gefallen sein. So ist der Wunsch von Petrus, fischen zu gehen, kein Wiederanknüpfen an alte Gewohnheiten, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Petrus und die anderen erwähnten sechs Jünger müssen wieder arbeiten, um sich selbst zu versorgen. Von Michael Ulrich, Prädikant im Kirchenbezirk Biberach
Und am Ende einer langen Nacht dann auch noch das: die harte Arbeit und aller Einsatz waren umsonst. Die Fischer haben nichts gefangen und somit fehlte ihnen die Lebensgrundlage für den kommenden Tag. In dieser Situation begegnet ihnen Jesus, den sie zunächst nicht erkennen. Auffallend ist für mich, dass der Jünger, über den wir aus dem Johannesevangelium nur wissen, dass er Jesus liebte, ihn als einziger erkennt.
Und die Liebe ist es auch, die den Auferstandenen antreibt. Als sie mit vollen Netzen wieder an Land kommen, hat Jesus schon alles für das gemeinsame Mahl vorbereitet. Ich finde es auffällig, dass sich der auferstandene Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern oft bei einem Mahl zu erkennen gibt.
Texte aus anderer Kultur
Die Texte sind in einer anderen Kultur und Zeit als der unseren verortet. Gemeinschaft und Zuwendung zeigte sich in dieser Kultur im gemeinsamen Mahl. Eins überrascht den Leser dieser ansonsten an Details kargen Erzählung: Wieso fängt Petrus beim zweiten Fang 153 Fische? Diese Zahl und die Frage nach ihrer Bedeutung hat viele Überlegungen Gelehrter nach sich gezogen: mir gefällt am besten die Erklärung des Kirchenvaters Hieronymus, dass damals 153 Fischarten bekannt gewesen seien und die 153 als Zeichen dafür zu verstehen sei, dass wirklich alle noch so verschiedenen Menschen zu Gottes himmlischem Festmahl eingeladen seien. Das sind alles starke, ausdrucksvolle Bilder für das, was vielleicht in menschlicher Sprache nicht zu erklären ist.
Für mich ist diese nachträglich ergänzte Erzählung einer der Texte, der mir zeigt, wie ich mir Auferstehung gerne vorstelle: die Liebe, die uns erkennen lässt, die reichen Fanggründe, die aus der Not helfen und dass alle zur Gemeinschaft eingeladen sind.
„In dieser Situation begegnen sie Jesus, den sie zunächst nicht erkennen“,