Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Abbrecher haben meist falsche Vorstellungen“
Im Handwerk beenden im Kreis Sigmaringen nur 11,5 Prozent der Auszubildenden ihre Lehre vorzeitig
SIGMARINGEN - Dass jeder vierte Auszubildende seine Lehre abbricht, wie es im Berufsbildungsbericht 2018 aufgeführt ist (die „Schwäbische Zeitung“berichtete), ist für Karl Griener, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Sigmaringen, nicht erklärbar. Im Schnitt hätten im Kreis Sigmaringen in den vergangenen drei Jahren lediglich 11,5 Prozent der Auszubildenden abgebrochen, im Jahr 2017 waren es beispielsweise 13,5 Prozent.
„Diese Quote hatten wir schon vor zehn Jahren“, so Griener. Damals habe man bei der Mitgliederversammlung der Kreishandwerkerschaft beraten, wie man dem Fachkräftemangel begegnen könne, die Abbrecherquote habe damals bei 10,5 Prozent gelegen. „Im Handwerk ist jeder Abbrecher einer zu viel“, so Griener. Darum wurden auch mögliche Ursachen und Lösungen diskutiert. „Wir haben festgestellt, das wir mehr mit den Schulen kooperieren müssen, um die angehenden Lehrlinge über Berufsbilder aufzuklären.“Häufig scheitere eine Ausbildung nämlich nicht am geringen Einkommen, sondern an falschen Vorstellungen, die Auszubildende über ihren Beruf hätten. Zwei, drei Tage in einen Betrieb reinzuschnuppern reiche nicht aus. Seitdem würden Schüler vermehrt Praktika im Handwerk absolvieren und den Ausbildungsbetrieb im Vorfeld kennenlernen. Das Geld spiele eher eine untergeordnete Rolle. Über das Einkommen würden sich angehende Auszubildende schon im Vorfeld informieren. „Die Jugendlichen wissen, dass sie als Maurer vergleichsweise mehr verdienen denn als Friseur“, sagt Griener. Der Meinung ist auch Rolf Gehring, Sprecher der Agentur für Arbeit Balingen. „Manche Auszubildenden wissen vorher nicht, was man dafür leisten muss“, so Gehring. „Die jungen Menschen sind das erste Mal im Leben von morgens bis abends voll gefordert.“Er kann nicht feststellen, dass die Zahl der Ausbildungsabbrecher für den Kreis zugenommen hätte, die Arbeitsagentur verfügt aber auch nicht über Erhebungen und Zahlen, kann aber aus Gesprächen mit Berufsberatern in Einzelfallsprechstunden berichten.
Die Gründe der Ausbildungsabbrüche werden laut Karl Griener von der Kreishandwerkerschaft aus Datenschutzgründen statistisch nicht erfasst. Wenn ein Auszubildender den Betrieb wechsele, werde dies in Statistiken ebenfalls als Lösung des Arbeitsverhältnisses gewertet. Die Gründe erfahre man manchmal nur durch Zufall. „Da spielen komplexe Faktoren eine Rolle, wie das soziale Umfeld, Nachfrage oder der Strukturwandel in der Bildungslandschaft.
Auszubildende haben Auswahl
So hätten Lehrlinge heute freie Auswahl bei den Lehrplätzen, was einen Wechsel eher begünstige. Manche könnten ihren Traumberufswunsch nicht realisieren und würden so beim Handwerk landen. Das Risiko eines Misserfolgs sei entsprechend groß, betrachte man eine Ausbildung beim Handwerk als „Notnagel“. In jedem Arbeitsverhältnis gebe es Höhen und Tiefen. Im Handwerk werde die Leistung oft vor Ort erbracht, was Kontakt mit Kunden voraussetze und mit sich laufend verändernden Bedingungen verbunden sei.
„Angesichts der Situation an der Bertha-Benz-Schule, die ja den Ausbildungsgang Fleischer eingestellt hat, so bedeutet das, wenn von drei bereitwilligen Fleischer-Azubis künftig nur zwei nach Biberach pendeln und einer den Beruf aufgrund der Umstände wechselt, eine Abbruchquote von 33,3 Prozent.“Eine Prozentzahl sage daher oft wenig aus.
Keine Pauschalurteile
Natürlich gebe es auch schwarze Schafe unter den Betrieben, bei denen die Arbeitsbedingungen nicht attraktiv für die Lehrlinge seien. „Es gibt aber so viel mehr Betriebe, die gut ausbilden. Ich bin gegen Pauschalurteile, in dieser oder jener Branche würde nicht gut ausgebildet“, sagt Griener.