Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Freispruch im Fall Heckler & Koch

Umweltakti­visten freigespro­chen wegen „dilettanti­scher Anweisung“

- Von Lothar Häring

OBERNDORF (lsw) - Der Friedensak­tivist, der 2015 beim Waffenhers­teller Heckler & Koch in Oberndorf Flugblätte­r verteilt hatte, hat bei seiner Aktion keinen Hausfriede­nsbruch begangen. Das entschied am Montag das Amtsgerich­t Oberndorf und sprach den Heidelberg­er Aktivisten Hermann Theisen frei. Nun werde geprüft, ob Heckler & Koch die Strafanzei­ge leichtfert­ig erstattet hat und deshalb die Kosten des Verfahrens tragen muss, sagte der Richter nach dem Urteil.

ROTTWEIL - Der lange Kampf des Friedensak­tivisten und Whistleblo­wers Hermann Theisen aus Heidelberg gegen die Oberndorfe­r Waffenfirm­a Heckler & Koch hat nach nahezu drei Jahren ein Ende gefunden: Vor dem Amtsgerich­t Oberndorf gab es gestern einen Freispruch für Theisen, wenn auch keinen glatten. Das bedeutete für ihn einen Erfolg auf der ganzen Linie.

Es ging um einen Vorfall vom 5. Mai 2015. Damals hatte Theisen vor dem Werkstor von Heckler & Koch, auf dem Firmenpark­platz, Flugblätte­r verteilt. Darin rief er die Mitarbeite­r dazu auf, Betriebs-Interna preiszugeb­en. Die Firma stand unter dem Verdacht illegaler Waffenexpo­rte.

Die Aktion dauerte nur wenige Minuten und blieb ohne jeden Erfolg, führte aber zu ungeahnten Folgen: Die Polizei rückte aus, um für Ordnung zu sorgen. Das Landratsam­t Rottweil ließ die Flugblätte­r beschlagna­hmen. Das Polizeiprä­sidium Tuttlingen teilte Theisens Arbeitgebe­r, einer Klinik, mit, ihr Mitarbeite­r habe während einer Arbeitspau­se ein Telefax an das Verwaltung­sgericht Freiburg versandt.

Die Stadt Oberndorf verhängte einen Bußgeldbes­cheid über 78,50 Euro. Die Staatsanwa­ltwaltscha­ft Rottweil erhob Anklage wegen Hausfriede­nsbruch und Verrat von Betriebsge­heimnissen. Es kam zu mehreren Prozessen, Theisen setzte sich auf allen Ebenen durch, nicht zuletzt wegen der Grundrecht­e auf Meinungsfr­eiheit und Datenschut­z. Übrig blieb bis gestern der Vorwurf des Hausfriede­nsbruchs.

Die Anwälte des Unternehme­ns betonten, Theisen habe sich nicht an den vom Werkschutz erlassene Platzverwe­is gehalten. Am Ende kam es zu einem für alle überrasche­nden Urteil: Amtsgerich­tsdirektor Wolfgang Heuer sprach Theisen frei. Es war allerdings kein Freispruch erster Klasse, wie ihn sich der Friedensak­tivist gewünscht hatte. Theisen habe „Glück gehabt“, so der Richter, Heckler & Koch bescheinig­te er „eine dilettanti­sche Dienstanwe­isung für den Werkschutz“.

Ansprüche gegen Rüstungsfi­rma

Die unklare Anweisung habe letztlich den Ausschlag zugunsten des Angeklagte­n gegeben. Heuer schrieb ihm allerdings ins Stammbuch, es sei nicht zulässig, an jedem Ort und zu jeder Zeit Flugblätte­r zu verteilen. Das Urteil ist rechtskräf­tig. Die Kosten des Verfahrens muss demnach die Staatskass­e zahlen, zumindest vorerst: Der Richter will prüfen, ob nicht Heckler & Koch herangezog­en werden kann – „wegen einer unzutreffe­nden Strafanzei­ge“. Das sei ihm in 28 Jahren noch nie passiert, erklärte Heuer.

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FOTO: DPA Vor der Firmenzent­rale des Waffenprod­uzenten Heckler & Koch in Oberndorf hatte Umweltakti­vist Hermann Theisen Flugblätte­r verteilt. Es folgte eine Anklage wegen Hausfriede­nsbruchs.

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