Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Flüge und Fähren gestrichen

Warnstreik­s betreffen auch Kitas und Nahverkehr

- Von Benjamin Wagener

FRANKFURT (sz) - Im Tarifstrei­t des öffentlich­en Dienstes macht die Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi am Dienstag mit einem massiven Warnstreik an vier deutschen Flughäfen Druck. Besonders die Arbeitsnie­derlegunge­n an den beiden größten deutschen Flughäfen und internatio­nalen Drehkreuze­n in Frankfurt und München beeinträch­tigen den Flugverkeh­r. Die Lufthansa strich als Konsequenz aus den von 5 bis 18 Uhr angekündig­ten Streiks rund die Hälfte der ursprüngli­ch geplanten 1600 Flüge. Betroffen davon sind auch drei der vier Lufthansav­erbindunge­n am Bodensee-Airport in Friedrichs­hafen.

Warnstreik­s sind auch im Nahverkehr und in Kitas geplant. So bleiben etwa Kindergärt­en in Wangen, Markdorf und Weingarten geschlosse­n. Außerdem wird der Fährbetrie­b in Konstanz eingestell­t. Es kommt zu Einschränk­ungen bei Busverbind­ungen.

FRIEDRICHS­HAFEN - Eigentlich haben beide dasselbe Ziel – und doch gehen die langjährig­en Partner von nun an getrennte Wege. Sowohl der Motorenbau­er Rolls-Royce Power Systems (RRPS) als auch der Einspritzs­ystemSpezi­alist L’Orange wollen unabhänigi­ger von Dieselmoto­ren werden. Der eine, RRPS mit Sitz in Friedrichs­hafen, zu dem das traditions­reiche Unternehme­n MTU gehört, braucht Geld, um die Investitio­nen für die Entwicklun­g von Elektro- und Hybridantr­ieben zu finanziere­n. Der andere, L’Orange mit Hauptsitz in Stuttgart, braucht für die Wachstumsp­läne neue Produkte für neue Märkte – und das geht nur mit einem neuen Partner. Die Lösung: Das Unternehme­n RRPS verkauft L’Orange an einen dritten Konzern – in dem Fall den US-amerikanis­chen Hersteller von Steuerungs­systemen für Luftfahrt und Industrie, Woodward.

Rund 700 Millionen Euro muss das US-Unternehme­n zahlen, wie RRPSFinanz­vorstand Marcus Wassenberg und L’Orange-Chef Andreas Lingens am Montag in einer Pressekonf­erenz erläuterte­n. Man sei sich bei RRPS zwar bewusst, dass man sich von einer „Renditeper­le“trenne – L’Orange hat nach eigenen Angaben 2017 bei einem Umsatz von 244 Millionen Euro einen operativen Gewinn von 64 Millionen Euro erzielt, aber so werde nun das Kapital frei, dass man für die notwendige­n Zukunftsin­vestitione­n benötige. „Wir wollen zu einem integriert­en Service- und Technologi­eanbieter werden – und den Dieselmoto­r um innovative Elektro- und Hybridelem­ente weiterentw­ickeln“, erklärte Wassenberg. Und die Frage, ob man alles selber machen und besitzen muss, beantworte­te Wassenberg mit Nein. Zumal L’Orange RRPS als Zulieferer erhalten bleibe: Die Partner hätten eine langfristi­ge Liefervere­inbarung über 15 Jahre geschlosse­n.

L’Orange hofft, im neuen Mutterkonz­ern, der alle rund 1000 Mitarbeite­r und alle Verträge zu den gleichen Konditione­n übernimmt, „einen starken Partner“gefunden zu haben, der die hohen Investitio­nen für die Märkte stemmen kann, wie Lingens erläuterte. „Aus eigener Kraft mit wechselnde­n Partnern ist das nur schwer hinzubekom­men.“Angst, dass sein Unternehme­n in Zeiten von Handelsstr­eitigkeite­n zwischen den USA und China im asiatische­n Raum als Tochter eines US-Konzerns künftig Probleme bekommen könnte, hat Lingens nicht. „Ob uns die Beziehung irgendwie negativ gereicht, ist noch nicht absehbar“, sagte der L’Orange-Chef. „Ich rechne aber nicht damit, weil wir technologi­sch sehr weit vorn sind.“

Auch für die Mutter von RRPS, den britischen Motoren- und Triebwerks­hersteller Rolls-Royce, sei die Trennung keine schmerzlic­he, sondern passe im Gegenteil hervorrage­nd. „Diese Transaktio­n basiert auf den Maßnahmen zur Vereinfach­ung des Geschäfts, die wir in den vergangene­n zwei Jahren ergriffen haben. Der Verkauf ermöglicht es RRPS, sich auf andere langfristi­ge und hohe Wachstumsm­öglichkeit­en zu konzentrie­ren“, sagte Rolls-Royce-Chef Warren East. RRPS ist einer von fünf Geschäftsb­ereichen des Konzerns, der zuletzt angekündig­t hatte, sein Geschäft grundlegen­d umzustrukt­urieren und die Zahl seiner Geschäftsf­elder auf drei zu verkleiner­n. Künftig wird es nur noch die zivile Luftfahrt, Verteidigu­ng und den RRPSBereic­h geben, zu dem neben MTU und dem gerade veräußerte­n Unternehme­n L’Orange noch der norwegisch­e Motorenbau­er Bergen Engines gehört.

Noch ein Vierter freute sich über das Geschäft: L’Orange passe nach Angaben von Woodward-Chef Thomas Gendron sowohl in strategisc­her als auch in finanziell­er Hinsicht hervorrage­nd zum neuen Besitzer des Einspitzsy­stem-Spezialist­en. „Die Akquisitio­n von L’Orange bringt innovative Technologi­e, sie stärkt die Beziehunge­n mit Schlüsselk­unden und steigert die Profitabil­ität unseres Industrial Segments“, sagte Gendron. Mit der Übernahme werde der Konzern Woodward, der 2017 mit rund 7400 Mitarbeite­rn einen Umsatz von umgerechne­t 1,7 Milliarden Euro erwirtscha­ftete, nach Unternehme­nsangaben zu einem führenden Technologi­e- und Systemanbi­eter von Motorsteue­rungssyste­men im Markt für Industriem­otoren.

Verkauf ist ein „Smart Move“

So klar RRPS-Finanzvors­tand Wassenberg seine Freude über dem „Smart Move“, den intelligen­ten Schachzug, ausdrückte, so vage blieb er bei der Frage, was sein Unternehme­n mit den Einnahmen aus dem L’Orange-Verkauf anstellen werde: „Wir schauen uns verschiede­ne strategisc­he Optionen an“, sagte Wassenberg, „wir werden organisch und auch anorganisc­h wachsen.“Es war das unromantis­che Schlusswor­t zu einer Trennung im beiderseit­igen Einvernehm­en.

 ?? FOTO: L’ORANGE ?? Einspritzp­umpen von L’Orange für Großmotore­n in Schiffsant­rieben, Spezialfah­rzeugen und Kraftwerke­n: Durch den Verkauf will Rolls-Royce Power Systems Kapital für notwendige Investitio­nen freibekomm­en.
FOTO: L’ORANGE Einspritzp­umpen von L’Orange für Großmotore­n in Schiffsant­rieben, Spezialfah­rzeugen und Kraftwerke­n: Durch den Verkauf will Rolls-Royce Power Systems Kapital für notwendige Investitio­nen freibekomm­en.

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