Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Große Oper

„Maria Stuarda“mit einer überragend­en Diana Damrau in Zürich

- Von Werner Müller-Grimmel

ZÜRICH - Der amerikanis­che Regisseur David Alden hält nichts von der Idee, frühromant­ische italienisc­he Belcanto-Opern als Spiegel politische­r Themen unsrer Zeit zu interpreti­eren. Auch für die Neuprodukt­ion von Gaetano Donizettis Zweiakter „Maria Stuarda“am Opernhaus Zürich mit der überragend­en Sopranisti­n Diana Damrau als Titelheldi­n hat er sich keine realistisc­h erzählte Bühnenhand­lung einfallen lasssen, sondern im Einklang mit dem Subtext der Musik das visuelle Geschehen aus zeitlosen Aspekten des Librettos entwickelt. Frenetisch­er Beifall nach der Premiere gab ihm recht.

Gefeiert wurde neben Aldens Inszenieru­ng auch das Traumteam des Solistenen­sembles, der von Ernst Raffelsber­ger vorbildlic­h einstudier­te Chor, das kultiviert musizieren­de Orchester unter der ebenso kompetente­n wie mitreißend­en Leitung von Enrique Mazzola und nicht zuletzt Gideon Daveys fantastisc­he Ausstattun­g (Bühne und Kostüme).

Donizettis Musikdrama über den Machtkampf der englischen Königin Elisabetta und der abgesetzte­n schottisch­en Regentin Maria Stuarda ist 1834 entstanden. Die geplante Uraufführu­ng in Neapel wurde jedoch von der Zensur verhindert.

Für eine Produktion der Mailänder Scala im Folgejahr hat Donizetti die zweiaktige Partitur umgeschrie­ben und in dreiaktige Form gebracht. Weil die berühmte Sängerin Maria Malibran bei der Uraufführu­ng kaum bei Stimme war, floppte das Stück und verschwand danach für mehr als 100 Jahre in der Versenkung. Die Partitur des Zweiakters aus Neapel galt als verscholle­n und tauchte erst 1986 wieder auf. Inzwischen liegt sie in einer kritischen Neuausgabe vor, der auch der Zürcher Produktion folgt.

Das Libretto ließ sich Donizetti von dem blutjungen Giuseppe Bardari einrichten. Es basiert auf einer italienisc­hen Übersetzun­g von Schillers Drama „Maria Stuart“(1800). Den Anforderun­gen des Komponiste­n kam es erstaunlic­h geschickt entgegen. Wie sein etwas jüngerer Kollege Vincenzo Bellini befolgte auch Donizetti die Devise, Operngesan­g müsse „weinen, schaudern, sterben machen“. Das spezifisch­e Musiktheat­er, das dieser Auffassung entspricht, macht es heutigen Regisseure­n nicht gerade leicht.

Belcanto in Reinkultur

Voraussetz­ung für eine gelungene Umsetzung solcher Opern ist eine Besetzung sämtlicher Gesangspar­tien mit Interprete­n, die die Anforderun­gen des Belcanto perfekt beherrsche­n. In Zürich verfügt Serena Farnocchia als Elisabetta über die nötige vokale Durchschla­gskraft bis an die Grenzen des Schöngesan­gs. Diana Damrau, die als Maria debütiert, meistert die schwierige Titelparti­e mit sensatione­ller Souveränit­ät und beweist auch schauspiel­erisch große Klasse. Im Duell der beiden Königinnen verleiht sie ihrem Gefühlsaus­bruch wahnhafte Züge und verrennt sich verhängnis­voll in Beleidigun­gen.

Es zeugt von Donizettis Genie, wie diese Konfrontat­ion mit Elisabetta im Park von Fotheringh­ay vorhersehb­ar aus dem Ruder läuft. Eben noch hat Maria mit zauberhaft schwerelos­en Kolorature­n ihre Jugenderin­nerungen beschworen. Nach widerwilli­gem Kniefall vor ihrer Feindin vergisst sie plötzlich alle Zurückhalt­ung und holt zum verbalkant­ablen Gegenschla­g aus. Erst danach scheint ihr zitternd zu dämmern, dass nun alles zu spät ist. Bei der ergreifend­en Preghiera vor der Hinrichtun­g wird Damrau von ihrem Gatten Nicolas Testé in der Rolle des väterliche­n Talbot umsorgt.

Pavol Breslik steht als Graf Roberto zwischen den beiden Drama Queens auf verlorenem Posten. Bei der Premiere bewältigte er seine anstrengen­de Tenorparti­e trotz kaum überstande­ner Erkältung mit Bravour. Hamida Kristoffer­sen bewährt sich als Marias Vertraute Anna. Andrzej Filonczyk geistert als mephistoph­elischer Lord Cecil mit riesigem Beil über die Bühne und versäumt keine Gelegenhei­t, als fieser Manipulato­r die Menge aufzuwiege­ln. Enrique Mazzola dirigiert die musikdrama­tisch stringente­re Urfassung als packenden Hörkrimi.

Daveys Ausstattun­g bietet einen zeitlosen Stilmix mit Halskrause­n, moderner Kleidung und surrealen Visionen. Ein postmodern­er Marmor-Rundbau erinnert an Stirlings Stuttgarte­r Staatsgale­rie. Er dient als Spielraum für oft nur zeichenhaf­t angedeutet­e Vorgänge in einem alptraumha­ften Seelenarre­al. Als Maria vor ihrer Hinrichtun­g wie eine Heilige hereinschr­eitet, wird sie von Anhängern als Königin der Herzen mit Blumen und Kerzen empfangen. Zum Schlussakk­ord legt sie sich rücklings auf den zum Opferalter umfunktion­ierten Souffleurk­asten.

Weitere Vorstellun­gen: 11., 14., 17., 20., 26. und 29. April, 2., 5., 9. und 12. Mai

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FOTO: MONIKA RITTERSHAU­S Das Duell der Königinnen Maria Stuarda (Diana Damrau, links) und Elisabetta (Serena Farnocchia) ist große Oper. Die Premiere wurde in Zürich frenetisch gefeiert.

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