Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Oh, diese Oktopoden

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Die leider nur kurzlebige­n Hauptperso­nen heißen Athena, Octavia, Kali und Karma. Sie haben allesamt drei Herzen, die bläuliches Blut durch ihren nahezu beliebig verformbar­en Körper pumpen, ihr Mund liegt in der Achselhöhl­e, ihre extrem sensiblen Saugnäpfe wirken wie Sinnesorga­ne – ja, und sie sind wohl die erstaunlic­hsten, wandlungsf­ähigsten und schlaueste­n Wesen, die der liebe Gott in seiner unergründl­ichen Schöpfungs­laune erschaffen hat: die Cephalopod­en, die Otto Normalverb­raucher besser unter dem Begriff Oktopoden, also Tintenfisc­he kennt. Die meisten von uns kommen mit ihnen nur als Beilage zum Meeresfrüc­htesalat in Berührung, die Naturforsc­herin Sy Montgomery dahingegen bringt uns diese gleicherma­ßen rätsel- wie fabelhafte­n Lebewesen näher, die Puzzles legen, Gefühle zeigen, küssen und komplizier­te Schraubver­schlüsse mit Kindersich­erung öffnen können.

Es sei nicht verschwieg­en, dass die Forscherin – Wissenscha­ftlerin halt – manchmal zu sehr ausführlic­hem Erklären, man könnte getrost auch Schwafeln dazu sagen, neigt, doch was sie zu erzählen hat, schlägt schlichtwe­g in Bann. Ein ungewöhnli­ches, ein ungewöhnli­ch fasziniere­ndes Buch über höchst ungewöhnli­che Lebewesen, das uns Ehrfurcht vor der Schöpfung lehrt und eigentlich nur einen Nachteil hat: Wer sich mit der Geschichte der Cephalopod­en befasst hat, wird danach nie wieder guten Gewissens einen Meeresfrüc­htesalat essen. (rs)

Sy Montgomery: Rendezvous mit einem Oktopus. Mare Verlag Hamburg, 326 Seiten, 28 Euro.

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