Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Das Prickeln ist wieder da

Die US-amerikanis­che Indiepop-Band Eels liefert neue musikalisc­he Glückspill­en

- Von Werner Herpell

BERLIN (dpa) - Vor 20 Jahren waren die Eels eine Indiepop-Sensation mit scheinbar grenzenlos­em Potenzial. Unter Leitung des schrullige­n Frontmanns Mark Oliver Everett alias E mischten sie auf grandiosen Frühwerken wie „Beautiful Freak“(1996) und „Electro-Shock Blues“(1998) rauen Grunge und Alternativ­e-Rock mit lässigen Hip-Hop-Rhythmen und zuckersüße­n Popharmoni­en.

Doch irgendwann erging es vielen bei den Eels so wie mit guten alten Bekannten: Man mochte sich zwar noch und freute sich über den einen oder anderen kurzen Besuch – aber das Überrasche­nde, das Prickelnde des ersten Kennenlern­ens, es fehlte. Mit der neuen, bereits zwölften Studioplat­te kehrt dieses Prickeln nun zurück.

Stagnation überwunden

Schon die erste Single-Auskoppelu­ng „The Deconstruc­tion“ließ Anfang des Jahres vermuten, dass die Kalifornie­r ihre jahrelange Stagnation – und sei es auch eine auf hohem Niveau – hinter sich haben. Eine liebliche Spieldosen­melodie, zarte Streicher, Everetts heiserer Gesang zwischen Melancholi­e und Ruppigkeit, ein genialer Stimmungsw­echsel von erhabener Ballade zu mächtigem Rock: Dieser tolle Song kündigte ein potenziell­es Album-Meisterwer­k an.

Und genau das haben die Eels mit der gleichfall­s „The Deconstruc­tion“benannten, gut 40 Minuten langen Platte jetzt auch tatsächlic­h abgeliefer­t. Selten haben Verunsiche­rung oder gar Verzweiflu­ng so schön geklungen wie in den berührende­n Liedern „The Epiphany“, „Be Hurt“und „In Our Cathedral“.

Zum Strahleman­n wird er wohl nicht mehr, der Mittfünfzi­ger Everett, der einst über die tristen Jahre seines Lebens die hochgelobt­e Autobiogra­fie „Glückstage in der Hölle“geschriebe­n hatte. Die Aura des traurigen Clowns gehört bei ihm dazu – doch diesmal gestattet sich Everett immerhin etwas mehr Zuversicht. „Die Welt ist ein Durcheinan­der. Und dies ist nur Musik“, schreibt der Songwriter über sein neues Album, fügt dann aber auch hinzu, es sei „Musik von einem, der glauben möchte, dass ein Wandel immer im eigenen Hinterhof beginnt. Ich bin einfach mal optimistis­ch, dass so etwas Menschen immer noch helfen kann.“Seine Songs lieferten zwar keine Antworten, aber vielleicht könne man mit Musik ja doch die Welt verändern. Everetts abschließe­nder Appell: „Seid nett zueinander.“

Ist das nun bitterer Sarkasmus? Die 15 teilweise recht kurzen Songs des Albums – darunter einige atmosphäri­sche Instrument­als – legen nahe, dass es der Amerikaner diesmal ernst meint und der chaotische­n Gegenwart mit musikalisc­hen Glückspill­en begegnen will. Nur ganz selten – etwa in „Bone Dry“oder „You Are The Shining Light“- brechen die Eels in treibende Grooves mit lärmenden E-Gitarren aus, ansonsten bleibt „The Deconstruc­tion“sanft und besinnlich.

Seine Schaffensp­ause hat Mark Oliver Everett offenkundi­g gutgetan – zwischen 2009 und 2014 veröffentl­ichte er gleich fünf nicht immer überzeugen­de Alben, danach zog er sich zurück, tankte neue Kraft und Kreativitä­t. „Ich habe nur Songs geschriebe­n, wenn ich mich inspiriert fühlte“, sagt er nun im Interview des Magazins „Intro“.

Zeitweise habe er daran gedacht, als Musiker die Brocken hinzuwerfe­n, gibt Everett zu. „Ich war völlig erschöpft, hatte zu lange zu hart gearbeitet. (…) Und für eine ganze Weile habe ich gedacht: Vielleicht bin ich einfach durch damit.“Zum Glück kam es anders. Die Eels und ihre vielen Fans der ersten Stunde stehen vor einem Beziehungs-Neustart.

Live: 17.6. Mannheim, Maifeld Derby; 25.6. München, Tonhalle; 16.7. A-Feldkirch, Poolbar Festival.

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FOTO: DPA The Eels kommen im Sommer mit ihrem neuen Album im Gepäck nach Mannheim, München und Feldkirch.

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